Gewalt im Spital: Spitalspersonal schützen

15.12.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK

Aktuelle Studien zeigen, dass Aggression und Gewalt im Spital immer mehr zunehmen. Besonders in Bezug auf physische Gewalt sind daher umfassende Sicherheitskonzepte der Spitalsträger notwendig, um die Lage zu entschärfen.
Sophie Niedenzu

Gewalt ist kein Randthema mehr. Der Messerangriff auf einen Kardiologen des SMZ Süd in Wien im Juli hat beispielhaft gezeigt, dass auch Spitalspersonal zunehmend mit Aggression und Gewalt konfrontiert ist. Als Reaktion auf diesen Vorfall hat der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) über den Sommer alle Mitarbeiter nach Gewalterlebnissen befragt. Die Rücklaufquote betrug 25 Prozent. Die Studie bestätigt, dass Gewalt in Spitälern immer häufiger wird. Besonders Angestellte mit Patientenkontakt sind am ehesten mit Aggression konfrontiert, die oft auch von Angehörigen oder Besuchern ausgeht. Laut der KAV-Studie haben 85,4 Prozent in ihrem Berufsleben bereits Gewalterfahrungen gemacht, davon 61,6 Prozent innerhalb der vergangenen zwölf Monate. Der Bogen reicht dabei von Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten wurde bedroht, eingeschüchtert oder tätlich angegriffen, also etwa geschlagen oder gestoßen. Davon gaben 24,8 Prozent an, körperliche Gewalt in den vergangenen zwölf Monaten erlebt zu haben. Problematische Bereiche sind etwa die Notfallambulanzen oder die Psychiatrie. „Einmal mehr hat sich gezeigt, dass Gewalt in Spitälern insbesondere in stark überlasteten Ambulanzen ein gravierendes und ernstzunehmendes Thema ist“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte. Als Folge auf das aggressive Verhalten hatten 7,2 Prozent der Studienteilnehmer angegeben, dass sie aufgrund dessen krank waren oder sich frei genommen hätten. „Wir haben jetzt schon im Spital eine extreme Arbeitsverdichtung aufgrund von überlasteten Ambulanzen und zu wenig Personal. Wir können es uns nicht leisten, dass die Mitarbeiter nun zusätzlich aufgrund von Gewalterlebnissen ausfallen. Die Spitalsträger müssen ein sicheres Umfeld für ihre Mitarbeiter schaffen“, sagt Mayer.

Hohe Gewaltbereitschaft

Die jüngst veröffentlichten Ergebnisse der KAV-Studie bestätigen jene der Spitalsärztebefragung, die regelmäßig von der ÖÄK in Auftrag gegeben wird. Heuer nahmen 3.570 Spitalsärzte aus ganz Österreich teil. Die aktuellen Daten zeigen, dass davon österreichweit bereits 71 Prozent verbale Gewalt erlebt haben. Während dies 63 Prozent der Spitalsärzte in Salzburg angaben, waren es in Wien 77 Prozent. Auch physische Gewalt ist keine Seltenheit mehr: Österreichweit gab ein Viertel der Befragten an, während der ärztlichen Tätigkeit physischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. Die Spannweite reicht hier auf Bundesländerebene von 21 Prozent in Kärnten bis zu 28 Prozent in der Steiermark. Was Waffengewalt angeht, wurden österreichweit sechs Prozent bereits mit einer Waffe bedroht. Während in Kärnten der Anteil bei zwei Prozent lag, waren es in Wien bereits neun Prozent. Tendenziell gaben in der Online-Umfrage unter Spitalsärzten Frauen häufiger an, von Gewalt in den Spitälern betroffen zu sein, als Männer.

Die Ergebnisse seien für Mayer ein „Alarmzeichen“, auf das die Spitalsträger mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu reagieren hätten. Das Interesse am Arztberuf sei durch die zunehmende Gewalt noch mehr gefährdet. „Der bereits jetzt schon spürbare Versorgungsnotstand wird sich durch die schlechten Arbeitsbedingungen, zu denen auch Gewalt gehört, weiter verstärken“, sagt Mayer. Spitalsträger seien dazu aufgerufen, umfassende Sicherheitskonzepte zu entwickeln, damit Ärzte ihre Patienten in einem sicheren Arbeitsumfeld behandeln könnten. Sein dringender Appell: „Man kann Ämter und Behörden durch Sicherheitschecks schützen, wieso nicht auch Spitäler? Wir benötigen einen entsprechenden Personenschutz für alle Spitalsmitarbeiter, zur Not auch mit Sicherheitsschleusen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2019