Generation Y: Spital der Zukunft

25.09.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Um den Ärztenachwuchs in Spitälern zu fördern und den Arztberuf attraktiver zu gestalten, müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die auf die aktuellen Bedürfnisse und Lebensmodelle besser eingehen.

Sophie Niedenzu

Sie ist anders. Die Generation Y, zu der die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späteren 1990er Jahren Geborenen gehören, wird gemeinhin als jene bezeichnet, die oft hinterfragt. Sie benötigt Freiräume und sucht Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Ihr ist Prestige weniger wichtig als die Freude an der Arbeit. „Wenn wir die Bedürfnisse der Jungärzte, der Generation Y, ignorieren, dann können wir im europaweiten Wettbewerb um Ärzte nicht mehr Schritt halten“, warnt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und BKAÄ-Obmann. Es müssten daher dringend Arbeitsbedingungen und Strukturen geschaffen werden, die auf die aktuellen Bedürfnisse der Jungärzte eingehen. Und die Konkurrenz schläft nicht. Ärzte sind gerade im deutschsprachigen Ausland gefragt wie nie zuvor. Wer in Österreichs Spitälern nicht die Arbeitsbedingungen vorfindet, die er sucht, hat zahlreiche Möglichkeiten. „Länder wie die Schweiz freuen sich über unsere gut ausgebildeten Mediziner“, sagt Mayer. Primäres Ziel müsse daher sein, alles zu tun, um die Medizinabsolventen auch im Land zu halten.

Am Anfang stünde daher eine qualitativ hochwertige, strukturierte Arztausbildung mit genügend Basisausbildungsstellen, um Wartezeiten für Jungärzte zu verkürzen. Jungärzte müssten neben einer guten Betreuung mit Feedback vom Ausbildner mehr Möglichkeiten erhalten, ihre praktischen Fertigkeiten zu üben – etwa durch Simulationstraining und eine verstärkte Kooperation zwischen Spitälern und dem niedergelassenen Bereich im Rahmen der Arztausbildung. „Nicht alle Ausbildungsinhalte in allen Fachgebieten können im Spital erlernt werden“, betont Mayer. Jungärzte würden zudem nach Gestaltungsfreiheiten im Beruf und Teamarbeit suchen, ebenso auch flexible Dienstzeitmodelle begrüßen. „In manchen medizinischen Fächern gestaltet sich das leichter als in anderen – und Voraussetzung dafür ist, dass die Abteilung personell gut ausgestattet ist“, sagt Karlheinz Kornhäusl, stellvertretender BKAÄ-Obmann. Auch Stundenreduktionen seien in der Arztausbildung nicht unüblich: „Immer mehr Jungärzte, ob männlich oder weiblich, entscheiden sich dazu, die Arztausbildung in Teilzeit zu absolvieren.“

„Neben der Balance zwischen Berufs- und Privatleben ist die Abwechslung in der ärztlichen Tätigkeit ein wichtiges Kriterium für die aktuelle Ärztegeneration“, sagt Kornhäusl. Von vielen Seiten käme der Wunsch, neben der Spitalsarbeit auch im niedergelassenen Bereich tätig zu sein. „Die Kombination aus angestellter und freiberuflicher Tätigkeit ermöglicht einerseits den Austausch innerhalb einer größeren Abteilung in einem Krankenhaus, andererseits mehr Gestaltungsfreiraum und selbstbestimmte Dienstzeiten in der eigenen Niederlassung“, sagt Kornhäusl. Laut der ÖÄK-Ärztestatistik sinkt der Anteil ausschließlich angestellter Ärzte ab etwa dem 40. Lebensjahr, analog dazu steigt der Anteil der Ärzte mit Ordinationen. Ärzte, die sowohl im Spital als auch in einer Praxis tätig sind, profitieren gesundheitlich davon: Studien haben gezeigt, dass beispielsweise das Burnout-Risiko bei einer Kombination beider Tätigkeiten zurückgeht, verglichen mit jenen, die nur in Spitälern arbeiten. Die Gesundheit der Ärzte hat nicht zuletzt durch die überarbeitete Fassung des Genfer Gelöbnisses durch den Weltärztebund an Bedeutung gewonnen, wonach Ärzte geloben, auf ihre eigene Gesundheit, ihr Wohlergehen und ihre Fähigkeiten zu achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können. „Spitalsträger müssen innovativer denken, beispielsweise freiberuflichen Ärzten für einen definierten Zeitraum ihre Infrastruktur gegen Miete zur Verfügung stellen“, sagt Kornhäusl.

Die Erleichterung von Nebenbeschäftigungen für Spitalsärzte ist eine der ÖÄK-Forderungen an die zukünftige Bundesregierung. „Wir benötigen eine höhere Durchlässigkeit von öffentlicher spitals- und kassenärztlicher Tätigkeit“, sagt Mayer. Freiberufliche Strukturen in bzw. in der Nähe von Spitälern, allgemeinmedizinische Akutordinationen und Ärztezentren würden zudem die Spitalsambulanzen entlasten.

Betreuung garantieren

Die Herausforderungen im Gesundheitssystem aufgrund von Personalknappheit, überlasteten Ambulanzen oder unbesetzten Kassenstellen sind groß – der Beruf des Arztes aber weiterhin grundsätzlich beliebt. Der Andrang auf die Medizinischen Universitäten ist in Österreich ungebrochen. Knapp 13.000 Interessierte nahmen heuer am Medizin-Aufnahmetest teil, davon beginnen jetzt 1.680 mit ihrem Medizinstudium – der Frauenanteil liegt bei 58 Prozent. Damit setzt sich der Trend in der Medizin fort, weiblicher zu werden. Derzeit ist von den Fächern mit mindestens 100 Ärztinnen und Ärzten die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit 60 Prozent am weiblichsten, gefolgt von der Allgemeinmedizin und der physikalischen Medizin und allgemeine Rehabilitation – Schlusslicht bilden die Allgemeinchirurgie, die Orthopädie und die Unfallchirurgie (siehe Grafik). „Nicht nur Mütter, sondern immer mehr Väter nehmen Karenzmöglichkeiten oder Papamonat, auch bereits in der Arztausbildung, in Anspruch“, sagt Kornhäusl, der selbst zweimal in Karenz gegangen ist. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht und fällt mit einer gut funktionierenden Kinderbetreuung“, sagt er. Sein Dienstgeber, das LKH Südsteiermark am Standort Wagna, verfüge über eine Betriebstagesmutter, die in einer Dienstwohnung im Spitalsbereich arbeite. „Das ermöglicht eine maximale Flexibilität, gerade in Anbetracht der verschiedenen Dienstzeiten als Spitalsarzt“, sagt er.

Ob Betriebskindergärten, reservierte Plätze in spitalsnahen Kinderbetreuungseinrichtungen oder Tagesmütter – eine garantierte Betreuung erleichtere Eltern einen reibungslosen Wiedereinstieg in den Spitalsbetrieb. „Jenen, die rasch wieder im Krankenhaus arbeiten wollen, sollte der Dienstgeber flexible Dienstzeiten und eine maximale Vereinbarung von Karriere und Familie ermöglichen“, fordert Mayer. Voraussetzung dafür: eine ausreichende Personalplanung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2019