Ärztestatistik 2018: Ärztemangel bestätigt

25.04.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Österreichische Ärztekammer stellte die offizielle Ärztestatistik 2018 vor. Die Zahlen verdeutlichen, wovor die ÖÄK schon lange warnt. Die anstehende Pensionierungswelle kann vom Nachwuchs nicht aufgefangen werden.

Sascha Bunda

Zahlen lügen nicht – und so prangte an der Wand des Presseclub Concordia die Altersverteilung der österreichischen Ärzte in all ihrer statistischen Klarheit, als die ÖÄK im Rahmen einer Pressekonferenz die offizielle Ärztestatistik 2018 präsentierte. Lediglich 18,9 Prozent der Ärzte sind unter 35 Jahre und werden noch 30 Jahre ihren Dienst versehen. Hingegen sind 29,7 Prozent jenseits der 55 Jahre und werden in den nächsten Jahren in Pension gehen. Aus den 14.581 Ärzten, die in den nächsten 10 Jahren das Pensionsalter überschreiten werden, ergibt sich ein jährlicher Nachbesetzungsbedarf von 1.458 pro Jahr, allein um eine Aufrechterhaltung des Status-quo der Kopfzahl zu gewährleisten. „Wir haben ein eklatantes Nachwuchsproblem“, erklärte ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres. Dabei sei noch nicht berücksichtigt, dass etwa Frauen typischerweise sogar noch früher das Pensionsalter erreichen. Der Nachwuchs reiche für den errechneten Nachbesetzungsbedarf bei Weitem nicht aus.

Die Strukturdiagramme der österreichischen Ärzteschaft verdeutlichten erneut, wie sehr die Schere zwischen Wahlärzten und Kassenärzten in den letzten zehn Jahren auseinander- gegangen ist. Während die Zahl der Kassenärzte stagnierte, in einigen Bereichen sogar sank, stieg die Zahl der Wahlärzte deutlich an. „Man darf dabei nicht vergessen, dass in den vergangenen zehn Jahren die Einwohnerzahl von Österreich um rund 510.000 auf 8,82 Millionen gestiegen ist. In Wien ist die Einwohnerzahl in den letzten acht Jahren um 200.000 gestiegen. In dieser Zeit ist die Anzahl der Kassenstellen in Wien und in ganz Österreich nicht nur nicht mitgewachsen, sondern sogar gesunken. In Wien gibt es im Vergleich zu damals heute 71 Hausärzte weniger“, so Szekeres.

Am dualen System mit Wahlärzten und Kassenärzten sei prinzipiell nichts auszusetzen. Wenn sich aber immer mehr Österreicher gezwungen sähen, Geld in die Hand zu nehmen, um überhaupt im angemessenen Zeitrahmen zu einer ausführlichen Gesundheitsversorgung zu gelangen, bedeute das, dass die Strukturen der solidarischen Gesundheitsversorgung nicht mehr den Ansprüchen der Bevölkerung entsprechen. „Hier bedarf es dringender Investitionen, wie etwa der immer wieder zugesagten Patientenmilliarde, die sofort und aus dem Budget finanziert ins Gesundheitssystem fließen muss“, forderte Szekeres. Dass die Milliarde wie von der Regierung erwartet durch Einsparungen bei der Kassenfusion frei werden würde, stellte Szekeres zumindest für die Anfangsphase in Frage.

Als Reaktion auf den Ärztemangel wiederholte die ÖÄK ihre Forderung nach attraktiveren Kassenstellen. „Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung, sondern auch um Dinge wie Bürokratieabbau und das Setzen neuer Angebote für junge Ärztinnen und Ärzte. Die Anstellung Arzt bei Arzt oder die Möglichkeit, sich eine Kassenstelle zu teilen, sind da erste Schritte in eine richtige Richtung, aber sind sicher noch nicht der Endpunkt“, so Szekeres.

Vorsicht bei OECD-Zahlen

Auch die immer wieder ins Treffen geführte OECD-Ärztedichte wurde thematisiert. Dieser zufolge habe Österreich die zweithöchste Ärztedichte Europas. „Was in diesen Berechnungen aber fehlt, ist, dass wir überdurchschnittlich viele Ärztinnen und Ärzte in Teilbeschäftigung haben, ein Minus bei den Kassenärzten und die Berechnung der Vollzeitäquivalente. Wenn man auf Vollzeitäquivalente berechnet, liegen wir im Mittelfeld in Europa“, meinte Szekeres.

„Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, betonte auch ÖÄK-Kammeramtsdirektor Lukas Stärker. Laut Datenanforderung der OECD seien Ärzte in Ausbildung miteinzubeziehen. Österreich mache dies, doch einige Länder würden Ärzte in Ausbildung nicht melden, etwa Frankreich, Luxemburg und Belgien. Zudem gebe es andere Abweichungen: So zähle das Vereinigte Königreich etwa keine Ärzte außerhalb des staatlichen NHS-Systems, Tschechien nur angestellte Ärzte, oder Finnland nur Ärzte bis zu einer Altersgrenze von 64 Jahren.

Herausforderungen in der Ausbildung

Der Anteil der inländischen Inlandspromovenden (mit österreichischer Staatsbürgerschaft) am Zustrom der Turnusärzte betrug 2018 nur noch 69 Prozent (2008: 93 Prozent), führte Stärker aus. Der geringste Anteil wurde mit 65,3 Prozent im Jahr 2016 erreicht. Das Steigen der Komplementärmenge zeige den wachsenden Zuzug aus dem Ausland, auch wenn dieser in den letzten Jahren wieder leicht abgeflaut ist.

„Bei den Zahlen unserer Turnusärzte müssen wir uns aber immer vor Augen halten, dass uns bis zu 40 Prozent davon nicht erhalten bleiben“, sagte ÖÄK-Präsident Szekeres. Vor allem skandinavische Länder würden verstärkt um die gut ausgebildeten österreichischen Medizinerinnen und Mediziner werben. Man müsse den Turnusärzten Argumente liefern, in Österreich zu arbeiten, meinte Szekeres. Erst dann sollte man über mehr Ausbildungsstätten und Studienplätze nachdenken.

Bei der Ausbildungsqualität sei es besonders wichtig, dass den Ärzten auch genügend Zeit bleibt, um den Nachwuchs auszubilden, sagte Szekeres. Das diene nicht nur der Attraktivierung der Ausbildung für Jungärztinnen und Jungärzte – aus zahlreichen Umfragen wisse man, dass das eines der entscheidenden Ansprüche sei, die die Jungen an eine gute Ausbildung stellen – sondern es geht dabei auch darum, angesichts der Pensionierungswelle in den Spitälern das vorhandene Wissen an die kommenden Generationen von Ärzten weiterzugeben. „Denn das ist eine Ressource, die sich auch mit noch so viel finanziellem Einsatz nicht wiederherstellen lässt“, so Szekeres.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2019