USA: Per Gesetz gegen Impfgegner

15.12.2018 | Themen


In fast allen der 50 US-Bun­des­staa­ten ist es mög­lich, sich aus per­sön­li­chen Moti­ven dem Imp­fen zu ent­zie­hen. Kali­for­nien hat dem nun per Gesetz einen Rie­gel vor­ge­scho­ben, nach­dem ein ein­zi­ger Erkrank­ter Grund war, wieso die Masern mona­te­lang in meh­re­ren US-Bun­des­staa­ten gras­sier­ten.
Nora Schmitt-Sau­sen

Was pas­siert, wenn in ein­zel­nen Regio­nen signi­fi­kante Impflü­cken in der Bevöl­ke­rung vor­herr­schen, hat Kali­for­nien beim Jah­res­wech­sel 2014/​2015 schmerz­lich erfah­ren: Ein an Masern erkrank­ter Tou­rist besuchte den Ver­gnü­gungs­park Dis­ney­land im kali­for­ni­schen Ana­heim. Er infi­zierte ver­mut­lich noch im Park fast 40 andere Besu­cher. In der Folge erkrank­ten mehr als 150 Men­schen in sie­ben ver­schie­de­nen US-Bun­des­staa­ten; die Masern gras­sier­ten meh­rere Monate.

Dass die Masern der­art um sich grei­fen konn­ten, lag an den teils sehr nied­ri­gen Impf­ra­ten im libe­ra­len Kali­for­nien, sind sich Exper­ten einig. 70 Pro­zent der kali­for­ni­schen Kin­der leb­ten einem New York Times-Bericht zufolge in Gemein­den, in denen die Impf­quote unter den für eine Her­den­im­mu­ni­tät erfor­der­li­chen 95 Pro­zent liegt. An ein­zel­nen Schu­len hät­ten die Impf­ra­ten gerade ein­mal knapp über zehn Pro­zent gele­gen. Ana­heim liegt im Bezirk Orange County – einem Gebiet, in dem viele Impf­geg­ner leben, wie der TV-Sen­der CNN kürz­lich berich­tete. Viele Eltern mach­ten von der Mög­lich­keit Gebrauch, ihre Kin­der aus per­sön­li­chen Beden­ken nicht imp­fen zu lassen.

Impf­ver­wei­ge­rung nur aus medi­zi­ni­schen Gründen

Doch Kali­for­nien hat die Kon­se­quen­zen gezo­gen: 2015 wurde ein lan­des­wei­tes Gesetz auf den Weg gebracht, das Aus­nah­men vom Imp­fen nur noch aus medi­zi­ni­schen Grün­den gestat­tet. Per­sön­li­che Gründe zäh­len nun nicht mehr. Kali­for­nien wan­delte sich damit von einem der Bun­des­staa­ten mit rela­tiv laxen Impf­vor­ga­ben hin zu einem Akteur, der nun USA-weit mit die strik­testen Vor­schrif­ten macht. Eine Schule, der bei der Auf­nahme eines Kin­des kein voll­stän­di­ger Impf­be­richt von den Eltern vor­ge­legt wird, darf ein Kind nicht mehr auf­neh­men. Die Folge: Zwi­schen 2016 und 2017 waren bei der Auf­nahme in die Schule so wenige Kin­der nicht geimpft wie nie zuvor. Diese Zah­len sind des­we­gen so detail­liert ver­füg­bar, weil Kali­for­nien den Impf­sta­tus der Kin­der von allen öffent­li­chen und pri­va­ten Ein­rich­tun­gen per Report erfas­sen lässt. Mit dem kon­se­quen­ten Auf­tre­ten gegen­über Impf­geg­nern gilt Kali­for­nien in den USA inzwi­schen als Vor­bild. Doch Nach­ah­mer hat der Bun­des­staat bis­lang kaum gefun­den. Ledig­lich Ver­mont zog nach und machte eine Ableh­nung des Imp­fens bei Ein­schu­lung aus phi­lo­so­phi­schen Grün­den unmög­lich. Das klare Durch­grei­fen des West­küs­ten­staa­tes hat viel­mehr in ande­ren Lan­des­tei­len sogar das Gegen­teil bewirkt: Vie­ler­orts lau­fen poli­ti­sche Debat­ten, in denen ver­sucht wird, sicher­zu­stel­len, dass Eltern wei­ter­hin die Frei­heit haben wer­den, über das Imp­fen selbst zu ent­schei­den. Fakt ist: In nahezu allen US-ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staa­ten kön­nen Eltern das Imp­fen ihrer Kin­der wei­ter­hin ver­hin­dern, wenn sie medi­zi­ni­sche, reli­giöse oder phi­lo­so­phi­sche Gründe vor­brin­gen. Nur drei Bun­des­staa­ten haben strikte Impf­stan­dards. Dabei: Bei dem Aus­bruch in Kali­for­nien han­delt es sich um kei­nen Ein­zel­fall in den USA. Min­ne­sota erlebte im ver­gan­ge­nen Jahr den mas­sivs­ten Masern­aus­bruch der letz­ten 30 Jahre. Ver­ant­wort­lich dafür ist die hohe Zahl der Impf­ver­wei­ge­rer. InTe­xas, einem der Bun­des­staa­ten, in dem es beson­ders leicht ist, die Imp­fung abzu­leh­nen, steigt die Zahl der Impf­geg­ner ste­tig. Mehr als 50.000 Schul­kin­der jähr­lich sind dort zum Schul­be­ginn unge­impft. Die Folge: In den Jah­ren 2013 und 2018 kämpfte der Bun­des­staat bereits mit Masern­aus­brü­chen. Masern­aus­brü­che kom­men in den USA wie­der häu­fi­ger vor – so lau­tet das Ergeb­nis einer Stu­die, die kürz­lich im Jour­nal der Ame­ri­can Medi­cal Asso­cia­tion (JAMA) ver­öf­fent­licht wurde. Betrach­tet man die USA im Gesam­ten, fällt in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit das Jahr 2014 nega­tiv auf: Damals kam es lan­des­weit zu 23 Aus­brü­chen von Masern. Es gab 667 doku­men­tierte Fälle, ein Wert so hoch wie seit Jah­ren nicht. Dabei hat­ten die USA die Krank­heit eigent­lich längst im Griff: Im Jahr 2000 hat­ten die USA erklärt, masern­frei zu sein.

Doch nicht nur in den USA kommt es immer wie­der zu Masern-Aus­brü­chen: Laut WHO sind Masern auch in Europa wie­der auf dem Vor­marsch. Dem­nach hat sich zwi­schen 2016 und 2017 die Zahl der gemel­de­ten Masern­fälle ver­vier­facht. Die über­wie­gende Zahl der mehr als 21.000 Fälle im Vor­jahr wurde in Rumä­nien und Ita­lien regis­triert. Kali­for­nien kämpft der­weil an der nächs­ten Front: Kali­for­ni­sche Eltern fin­den zuneh­mend Wege, sich den neuen Impf­stan­dards den­noch zu ent­zie­hen. Sie argu­men­tie­ren nun, ihr Kind könne aus medi­zi­ni­schen Grün­den nicht geimpft werden.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2018