Porträt Chris Lohner – „Die Energie kommt beim Tun“

10.05.2018 | Themen


Multitalent Chris Lohner ist Schirmherrin der Organisation „Licht für die Welt“. Im Dienst der Sache moderiert sie nicht nur Charity-Veranstaltungen, sondern packt auch vor Ort im „Augencamp“ mit an.
Ursula Jungmeier-Scholz

„Helfen und Leute unterhalten“ – so umreißt Schauspielerin, TVModeratorin, Kabarettistin und Autorin Chris Lohner in Kurzform, was sie als Sinn ihres bisherigen Lebens identifiziert hat. Wie erfolgreich sie Menschen unterhalten kann, beweist sie immer wieder aufs Neue mit Kabarettprogrammen wie „Wolllust“ oder „Lohner führt sich auf“, aber auch mit Büchern wie „Wer liegt da unter meinem Bett“ oder „Jung war ich lang genug“. Einem breiten Publikum bekannt wurde das ehemalige Fotomodell mit dem roten Pagenkopf durch Fernsehauftritte als Programm- Ansagerin in Österreich-Bild sowie als Moderatorin von WIR-Sendungen – und nicht zuletzt auch dadurch, dass ihre Stimme auf jedem österreichischen Bahnhof erklingt. Christian Kern soll ihre Stimme einmal als „österreichisches Kulturgut“ bezeichnet haben. Was weniger bekannt ist: Ebendiese erhebt Chris Lohner auch, um Menschen dazu zu motivieren, anderen zu helfen. Seit nunmehr 17 Jahren fungiert sie als Schirmherrin der Hilfsorganisation „Licht für die Welt“, vormals Christoffel Blindenmission, deren Hauptaugenmerk auf Behandlungen des Grauen Stars in Afrika liegt. Ihre Mithilfe zugesagt hat sie nicht aus persönlicher Betroffenheit – obwohl Lohner bereits mit 45 Jahren beidseits wegen Grauen Stars operiert werden musste –, sondern weil sie ihre Bekanntheit und Beliebtheit gerne in den Dienst einer guten Sache stellt. Dafür wurde ihr auch schon der Greineckerpreis für Zivilcourage verliehen.

Als „Ambassador of Goodwill“, wie ihre Funktion bei „Licht für die Welt“ offiziell heißt, beschränkt sie sich keineswegs darauf, Spendenveranstaltungen zu moderieren – auch wenn sie das unter einer Bedingung häufig tut: Pro Abend müssen Spenden in der Höhe von mindestens 3.000 Euro lukriert werden. „Das entspricht den Kosten für 100 Staroperationen in Afrika.“ Durch ihr Engagement hat sie so bereits Tausenden Menschen dabei geholfen, ihr Augenlicht wiederzuerlangen. Mit Übernahme der Schirmherrschaft war für sie jedoch auch klar, vor Ort präsent sein zu wollen, Journalisten auf ihren Reisen zu den „Augencamps“ zu begleiten, und vor allem: direkt zu helfen, wo immer sie selbst Hand anlegen kann. „Ich wollte nicht nur mit einem schwarzen Kind am Arm fotografiert werden.“ Und so bereist Chris Lohner von Äthiopien über Mozambik bis Bolivien jene Länder, in denen Licht für die Welt aktiv ist. Sechsmal hat sie dabei bereits den Erdball umrundet – wenn man ihre Reisekilometer zusammenzählt. Auf eigene Kosten; kein Spendeneuro geht dadurch verloren.

Um direkt vor Ort Hilfe leisten zu können, steht Lohner auch um halb fünf Uhr in der Früh auf, um eine stundenlange nicht gerade komfortable Reise in ein entlegenes Bergdorf anzutreten, wo in einer behelfsmäßig ausgestatteten Baracke ein „Augencamp“ stattfindet. Sozusagen eine Aktionswoche für Star-Operationen. „Ausschlafen kann ich mich daheim“, lautet ihre Devise.

Mit Empathie und Hausverstand

Im Augencamp punktet sie mit Empathie und Hausverstand. „Bei den Operationen ist mir aufgefallen, dass immer ein paar Hände fehlen. Und so habe ich mir angewöhnt, mir auch ein grünes Gewand anzuziehen und mich im OP nützlich zu machen.“ Natürlich nicht als Chirurgin. Manchmal hält sie verängstigten Menschen die Hand, die zum ersten Mal in ihrem Leben einen OP betreten. Dann wieder wärmt sie jemandem die Füße mit dem OP-Hemd des Vordermannes – als Kriegskind hat sie reichlich Erfahrung mit kalten Füßen – oder sie sammelt im Dorf Kerzen, um ein defektes Verödungsgerät erhitzen zu können. Wenn sie am Tag danach beim Eintropfen der Augen assistiert, bekommt sie schon auch einmal ein erstauntes „She is white“ zu hören. Womit die frisch Operierten ihre wiedererlangte Sehfähigkeit unter Beweis gestellt haben…

Beeindruckt berichtet Chris Lohner von der Lebenseinstellung jener Menschen, die oft nach tagelangen Märschen weitere Tage auf ihre OP warten müssen. „Da sitzen 200 Leute im Sand und warten geduldig, bis sie drankommen. Dabei wird gegessen und gesungen … Und wer nicht drangekommen ist, übernachtet bei Freunden oder Fremden in deren Strohhütte und stellt sich am nächsten Tag einfach wieder an. Ohne sich zu beschweren.“

Information durch Mundpropaganda

Verbreitet wird die Information über die Augencamps, bei denen eine Woche lang wie am Fließband Star-Operationen durchgeführt werden, in der Hauptsache durch Mundpropaganda. „Einer im Dorf hat immer ein Radio und erzählt es weiter.“ Dann kann es vorkommen, dass ein Sohn seinen Vater über mehrere Tage auf dem Rücken zu den Ärzten trägt, weil ein Busticket nicht finanzierbar wäre. Besonders berührend war es für Chris Lohner, dabei zu sein, als eine junge Frau nach der OP zum ersten Mal ihr bereits zweijähriges Kind sehen konnte. „In solchen Momenten bekomme ich eine Gänsehaut – und das bei 40 Grad im Schatten.“

„Helfen ist rückbezüglich“, lautet eine von Lohners Überzeugungen. „Die Freude der Menschen zu spüren, freut auch mich.“ Ihre Hilfsbereitschaft wurzelt auch tief in der Herkunftsfamilie: „Mein Vater war ein Altruist.“ Bereits als kleines Kind hat Chris Lohner vor Weihnachten im Altersheim Geschichten vorgelesen und Blockflöte gespielt.

Eigenes Hilfsprojekt

Auf einer ihrer Afrikareisen entstand der Wunsch, ein eigenes Hilfsprojekt auf die Beine zu stellen. Dabei war es ihr ein spezielles Bedürfnis, die Frauen zu stärken. „Ihre Lebensbedingungen sind in manchen Ländern schlechter als jene von Haustieren.“ So hat Chris Lohner begonnen, afrikanischen Frauen ihre bunten Batikstoffe abzukaufen und in Wien von sozial benachteiligten Frauen zu Kaftans verarbeiten zu lassen – im Projekt „caftan – it fits“. Aufgrund des Kriegsgeschehens in Mali stockt derzeit der Stoff-Nachschub, aber so schnell gibt Lohner nicht auf. Optimistisch wie sie ist, hofft sie auf ein Weiterlaufen des Projektes. „Ich habe vom Universum so eine Grundvergnügtheit mitbekommen, mich schreckt nicht so schnell etwas.“

Sogar ihre runden Geburtstage nutzt sie, um für „Licht für die Welt“ Spendengelder zu sammeln. Wie schon zum 60er und 70er wird sie heuer im Juli anlässlich ihres 75. Geburtstags ein großes Fest veranstalten. Teilnahmebedingung für die geladenen Gäste ist die Finanzierung einer Star-Operation. Privat wird sie mit ein paar Freunden in ihrem Garten feiern, einem grünen Refugium am Stadtrand von Wien. Dort schreibt sie auch an ihrem neuen Buch – diesmal über ihre geliebte Cairn Terrier-Hündin Shirley.

Als nächstes privates Ziel nennt sie ihren Jamaica-Urlaub. „Ich bin ein Jetzt-Mensch“, bekennt Lohner. Ihr Vorhaben für die Arbeit bei „Licht für die Welt“ definiert sie ebenso konkret und realistisch: „Ich mache weiter, solange ich kann. Jeder Mensch ist wichtig.“ Woher sie die Kraft dafür nimmt für die unzähligen Abendmoderationen, aber auch die strapaziösen Reisen? „Die Energie kommt beim Tun!“, antwortet sie ohne zu zögern.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2018