Nie­der­ös­ter­reich: Anlauf für 14 Gesundheitszentren

10.04.2018 | Themen


Nach jah­re­lan­gen har­ten Dis­kus­sio­nen will man nun auch in Nie­der­ös­ter­reich den Weg zu Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­hei­ten beschrei­ten. Nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer und GKK sowie der nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Gesund­heits- und Sozi­al­fonds (NÖGUS) haben sich prin­zi­pi­ell geei­nigt. Zunächst sol­len zwei Pilot­pro­jekte ver­wirk­licht wer­den.
Wolf­gang Wagner

Wir in der Ärz­te­kam­mer, der nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Gesund­heits- und Sozi­al­fonds und die Gebiets­kran­ken­kasse sind jetzt am Sich­ten, was an Bewer­bun­gen her­ein­ge­kom­men ist. Wir müs­sen erst sehen, was prin­zi­pi­ell geeig­net ist und was man nicht rea­li­sie­ren kann. Wenn zum Bei­spiel ein ein­zel­ner Arzt eine Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­heit schaf­fen will, wird das nicht gehen“, berich­tet der Prä­si­dent der Ärz­te­kam­mer Nie­der­ös­ter­reich, Chris­toph Reis­ner, im Gespräch mit der ÖÄZ. Über­haupt befinde man sich in einer frü­hen Phase. 14 sol­cher Gesund­heits­zen­tren soll es bis 2021 in Nie­der­ös­ter­reich geben. Man wolle aber zunächst ein­mal zwei Pilot­pro­jekte in den kom­men­den Mona­ten auf den Weg bringen. 

Ärzte-Netz­werke wie bei­spiels­weise „Styriamed.net“ in der Stei­er­mark oder „Pannoniamed.net“ im Bur­gen­land gibt es im flä­chen­größ­ten öster­rei­chi­schen Bun­des­land noch nicht. „Zunächst waren die Gesund­heits­zen­tren als Ein­rich­tun­gen mit jeweils einem Stand­ort gedacht. Wir haben aber auch Netz­werke unter den Bewer­bun­gen“, berich­tet Reis­ner. Dass man ursprüng­lich bei der PVE-Struk­tur für Nie­der­ös­ter­reich Netz­werke nicht anpeilte, führt Reis­ner auf zunächst vor­han­dene Infor­ma­tio­nen aus dem Haupt­ver­band der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger zurück: „Man hat dort gesagt, das wäre nur mög­lich, wenn die betei­lig­ten Ordi­na­tio­nen eine ein­heit­li­che Pra­xis­soft­ware hät­ten. Das ist natür­lich bei Ein­zel-Ordi­na­tio­nen nicht mög­lich. Aber da wir bei den Bewer­bun­gen jetzt auch Netz­werke dabei haben, wer­den wir uns auch diese ansehen.“ 

Prin­zi­pi­ell sind die PVEs in Nie­der­ös­ter­reich für jeweils min­des­tens drei All­ge­mein­me­di­zi­ner vor­ge­se­hen. Dazu sol­len – je nach Stand­ort – noch Logo­pä­die, Phy­sio­the­ra­pie, Psy­cho­the­ra­pie, Sozi­al­ar­beit oder Diät­be­ra­tung hin­zu­kom­men. Auch die Ein­be­zie­hung von Fach­ärz­ten für Kin­der- und Jugend­heil­kunde sowie von mobi­len Diens­ten und Heb­am­men soll mög­lich wer­den. Wie Reis­ner betont, sei man ins­ge­samt erst in der Pro­jek­tie­rungs­phase. Ob zum Bei­spiel ein Psy­cho­the­ra­peut oder eine Psy­cho­the­ra­peu­tin etc. in einem sol­chen Gesund­heits­zen­trum über eine direkte Hono­rie­rung der dort erbrach­ten Leis­tun­gen an den The­ra­peu­ten durch die Kran­ken­kasse oder über eine Anstel­lung im Rah­men des PVE erfol­gen werde, sei noch nicht geklärt. 

Die ers­ten Pilot­pro­jekte von Bewer­bern in Nie­der­ös­ter­reich wer­den am ehes­ten in Angriff genom­men wer­den, wenn das erfor­der­li­che Per­so­nal teil­weise oder schon ganz vor­han­den ist. Auch Grup­pen­pra­xen konn­ten sich bewer­ben und dar­auf hof­fen, bei ent­spre­chen­dem Aus­bau des Leis­tungs­spek­trums an die Reihe zu kom­men. Ein sol­ches Gesund­heits­zen­trum wird jeden­falls auch einen höhe­ren Orga­ni­sa­ti­ons­grad als eine Ein­zelor­di­na­tion oder eine kleine Grup­pen­pra­xis auf­wei­sen müssen. 

Zen­tren in klei­nen bis mitt­le­ren Städten 

Nach Ansicht des nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer-Prä­si­den­ten wer­den die Gesund­heits­zen­tren am ehes­ten in klei­nen bis mitt­le­ren Städ­ten „wahr­schein­lich sinn­voll sein“. Für die Ver­sor­gung von länd­li­chen Regio­nen mit klei­nen Gemein­den werde sich das wegen der zu gerin­gen Pati­en­ten­zahl nicht aus­ge­hen. Auch um die Nach­be­set­zungs­pro­bleme von Kas­sen­pra­xen im länd­li­chen Raum zu lösen, stell­ten die Pri­mär­ver­sor­gungs-ein­hei­ten keine Lösung dar. Der­zeit sind rund 20 Kas­sen­stel­len für Ein­zelor­di­na­tio­nen in Nie­der­ös­ter­reich ausgeschrieben. 

Was die PVEs auch in Nie­der­ös­ter­reich aus­zeich­nen wird: Öff­nungs­zei­ten von Mon­tag bis Frei­tag von mor­gens bis in den Abend und keine Urlaubs-bedingte Schlie­ßung. „Aller­dings mit einer Mit­tags­pause, wäh­rend der eine ärzt­li­che Ruf­be­reit­schaft gege­ben ist. Sonst schafft man das mit drei Ärz­ten nicht“, betont Reisner. 

Ein wesent­li­ches Manko gibt es aller­dings noch für all diese Pläne: Es gibt noch kei­nen Gesamt­ver­trag für PVEs. Das sorgt für Unsi­cher­heit auch bei Ärz­ten – spe­zi­ell im Hin­blick auf künf­tige Abrech­nungs­mo­delle. Reis­ner dazu: „Es ist noch nicht klar, ob län­der­spe­zi­fi­sche Modelle noch mög­lich sein wer­den oder ein­heit­li­che Rege­lun­gen für ganz Öster­reich getrof­fen werden.“ 

Ob die 14 für Nie­der­ös­ter­reich geplan­ten Gesund­heits­zen­tren eine Kon­kur­renz zu bestehen­den Kas­sen­or­di­na­tio­nen sein wer­den? „Auch da wird die Situa­tion unter­schied­lich sein“, so die Ein­schät­zung von Reis­ner. Wenn bei­spiels­weise in einer klei­nen Stadt drei bereits exis­tente Haus­ärzte sich zusam­men­schlie­ßen, wird sich ver­mut­lich nicht viel ändern. Wenn sich aber wie bei­spiels­weise in Wie­ner Neu­stadt vier von 18 Ärz­ten zusam­men­tun, könnte das schon zu geän­der­ten Pati­en­ten­strö­men füh­ren. Aber das müsse man sich eben erst alles ansehen. 

Sich selbst bezeich­net Reis­ner als Ver­fech­ter von Koope­ra­ti­ons­mo­del­len. „Ich arbeite als Kas­sen­or­tho­päde in einer Grup­pen­pra­xis mit drei ande­ren Kol­le­gen. Die Grup­pen­pra­xis ist gut für uns und unsere Pati­en­ten. Die wis­sen näm­lich, dass sie immer eine Ver­sor­gung fin­den wer­den. Das ist auch für mich beruhigend.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 7 /​10.04.2018