Neurodermitis im Fokus: Juckreiz lindern, Schübe vermeiden

10.09.2018 | Themen


Bis zu 20 Prozent der Kinder und immerhin bis zu zehn Prozent der Erwachsenen leiden an Neurodermitis. Im Vorfeld des Europäischen Neurodermitis-Tages am 14. September informierten Experten bei einer Pressekonferenz in Wien detailliert über die Ursachen, Hintergründe sowie neue therapeutische Optionen bei Neurodermitis.

Eine defekte Hautbarriere und eine erhöhte Bereitschaft zur Entzündung – das sind die beiden entscheidenden Faktoren bei der Entstehung von Neurodermitis. Die atopische Dermatitis, wie die Erkrankung auch genannt wird, tritt familiär gehäuft und in Schüben auf – diese können unterschiedlich lang und von unterschiedlicher Intensität sein. In den letzten Jahrzehnten ist ein deutlicher Anstieg der Zahl an Neurodermitis-Betroffenen zu verzeichnen – veränderte Umweltbedingungen und auch der westliche Lebensstil sind in erster Linie dafür verantwortlich. „Nachdem diese Krankheit immer häufiger wird und eine massive Belastung für die Betroffenen darstellt, und am 14. September der Europäische Neurodermitis-Tag stattfindet, hat sich die ÖÄK bereit erklärt, die Fachgesellschaft zu unterstützen und darauf hinzuweisen“, betonte ÖÄK-Präsident Univ. Prof. Thomas Szekeres im Rahmen der Pressekonferenz.

Das höchste Risiko für die Entstehung einer Neurodermitis hat ein Kind, wenn beide Elternteile davon betroffen sind. Zwar sind Spontanheilungen möglich; dennoch entwickeln mindestens 30 Prozent aller betroffenen Kinder auch als Erwachsene zeitweise Ekzeme. Dazu kommt es vor allem bei frühem Krankheitsbeginn, schwerem Krankheitsverlauf in der Kindheit und wenn in der Familie allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen oder Asthma vorkommen. Bei Neurodermitis handle es sich um eine Blickdiagnose. „Wenn jemand in die Ordination kommt, sieht man als Fachmann gleich die Stigmata“, führte Johannes Neuhofer, Bundesfachgruppenobmann Dermatologie in der ÖÄK weiter aus. Diese sind: eine seitliche Lichtung der Augenbrauen- Partie, eine verstärkte Unterlidfaltung sowie eine verstärkte Furchung der Handflächen. Die einzelnen Krankheitsschübe wiederum können durch unterschiedlichste Trigger ausgelöst werden – etwa Pollen-Allergien, Hausstaub-Allergien oder auch Nahrungsmittelallergene. Häufiges Waschen kann aber ebenso dazu führen wie der Kontakt mit Reinigungsmitteln, Duft- oder Konservierungsstoffe in Kosmetika, extreme Hitze oder Kälte und auch psychische Belastungen und Stress. Die Grundlage jedweder Behandlung stelle die Pflege dar. „Aber auch dass wir neue Medikamente haben, die nicht nur die Symptome unterdrücken, sondern auch die schwersten Fälle gut behandeln können“, verweist der Dermatologe auf aktuelle Entwicklungen auf dem therapeutischen Sektor. Univ. Prof. Matthias Schmuth von der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Medizinischen Universität Innsbruck ergänzt: „In der Zwischenzeit gibt es eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten der Neurodermitis, die für jeden Patienten individuell je nach Ausprägung der Erkrankung zusammengestellt wird.“ Schmuth berichtet von einer aktuellen Studie, die die Wichtigkeit der Basistherapie unterstreicht: Wenn Neugeborene mit einem erhöhten Risiko für Neurodermitis regelmäßig mit rückfettenden Cremen eingecremt wurden, konnte das Auftreten von Neurodermitis bis zu 50 Prozent verhindert werden. Als Lokaltherapie kommen Kortison-haltige Cremen und Salben zum Einsatz; als Alternativen stehen Calcineurin-Inhibitoren zur Verfügung. Schmuth weiter: „Eine Voraussetzung, bevor man zu Tabletten oder Spritzen greift, ist, dass die Lokaltherapie nicht zu einer ausreichenden Verbesserung geführt hat.“ Hier sei ein „beachtliches Repertoire“ verfügbar. Ein zugelassenes Medikament sei Cyclosporin A. „Das zweite kürzlich zugelassene Medikament ist ein Antikörper, der sich gegen einen Botenstoff richtet, führt er aus. Dabei blockiert ein monoklonaler Antikörper einen Abschnitt des Interleukin-4-Rezeptors auf der Oberfläche von Immunzellen. Schmuth weiter: „Und ich glaube, es brechen guten Zeiten für die Neurodermitis-Patienten an, dass mit diesem umfassenden Repertoire eine viel bessere Behandlung durchgeführt werden kann als dies vorher möglich war.“

Bei Neurodermitis haben strukturierte interdisziplinäre Schulungen einen zentralen Stellenwert – geben sie doch praktische und alltagstaugliche Hilfestellung. „In Österreich bieten wir nach deutschem Vorbild seit etwa 2010 Neurodermitis-Schulungen für Patienten an“, erklärte Univ. Prof. Beatrix Volc-Platzer von der Dermatologischen Abteilung am Krankenhaus Donauspital SMZ Ost Wien. Bei der strukturierten Schulung nach „AGNES“ (Arbeits-Gemeinschaft NEurodermitis-Schulung) erfolgt die Betreuung durch ein speziell ausgebildetes Team bestehend aus Dermatologen, Psychologen und Ernährungsberatern. Dabei lernen die Betroffenen Strategien, um weitere Hautirritationen zu verhindern, den starken Juckreiz zu kontrollieren und das Kratzen zu vermeiden – unter anderem durch einfache Entspannungsübungen.

Tipp: www.neurodermitis-schulung.at 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2018