Arznei und Vernunft: Neue Leitlinie Antiinfektiva

25.11.2018 | Themen


In komplett neu überarbeiteter Form liegt die von der Initiative „Arznei & Vernunft“ erstellte Leitlinie zum Thema „Antiinfektiva“ vor.

Auf die Gefahr der Antibiotikaresistenzen hat die WHO schon 1998 hingewiesen; 2015 wurde auch ein globaler Aktionsplan beschlossen, dem viele nationale gefolgt sind. In Österreich haben die vier Partner der Initiative „Arznei & Vernunft“ eine gänzlich aktualisierte Leitlinie zu Antiinfektiva herausgegeben. Diese haben kürzlich Vertreter der Österreichischen Ärztekammer, der Apothekerkammer, des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs) in Wien präsentiert.

Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen Antiinfektiva- Resistenzen besteht laut ÖÄK-Präsident Univ. Prof. Thomas Szekeres in der Vorbeugung. „Es muss darum gehen, Infektionen keinen Nährboden zu bieten und diese erst gar nicht ausbrechen zu lassen.“ Ein besonderer Stellenwert käme in diesem Zusammenhang Impfungen zu – höhere Durchimpfungsraten führten dazu, dass es insgesamt zu weniger Infektionen komme, weswegen auch weniger antibiotische oder antivirale Medikamente eingesetzt werden müssten. Um Resistenzen eindämmen zu können, unterstrich Szekeres die Wichtigkeit der korrekten Antibiotika- Einnahme. In der neuen Antiinfektiva-Leitlinie sieht er eine optimale Unterstützung speziell für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Denn 70 Prozent – und somit der größte Teil der Antibiotika-Verordnungen – erfolgen im niedergelassenen Bereich.

Eine bessere Vernetzung mit dem Spitalsbereich erachtet Pharmig- Präsident Martin Munte als „zentral“. Denn das Thema Antibiotika-Resistenzen lasse sich nur „gemeinsam managen“. Als extrem aufwändig und risikoreich bezeichnet er die Erforschung neuer Antibiotika; nicht einmal ein Prozent aller Forschungsansätze erreicht Marktreife. Große Hoffnung legt er daher in die zehn Antibiotika, die sich weltweit aktuell in späten Phasen der klinischen Forschung befinden. Weitere Ansätze: die Forschung an 13 klinischen bakteriellen Impfstoffkandidaten, an 18 Diagnostika, um eine eventuell bereits vorhandene Antibiotikaresistenz zu diagnostizieren und auch die Forschung an präventiven Therapien. Munte weiter: „Es ist unabdinglich, zu überlegen, wie wir Krankheiten und in weiterer Folge multiresistenten Keimen durch Impfungen proaktiv vorbeugen können“, erklärte er. Auch sei beispielsweise Hepatitis C inklusive der medikamentösen Therapieoptionen erstmals Teil der neuen Leitlinie. Diese solle darüber hinaus auch ganz besonders ein „politischer Aufruf an Europa sein“, um mehr Awareness für das Thema Resistenzen zu schaffen.

Die Gesamtmenge an verbrauchten Antibiotika pro Einwohner in Österreich ist im europäischen Vergleich „wohldosiert bis sehr niedrig“, erklärte Alexander Biach, Vorsitzender des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger. Dennoch seien saisonale Schwankungen zu beobachten. So werden Antibiotika hierzulande während der Wintermonate überdurchschnittlich häufig verschrieben. In Schweden, Dänemark oder Norwegen sind solche saisonalen Schwankungen in der Verschreibung nicht zu registrieren. So lag beispielsweise im Jahr 2017 in Österreich die Verordnungszahl im ersten Quartal um 16 Prozent über dem Gesamt-Jahresdurchschnitt der letzten drei Jahre; im dritten Quartal jedoch um 19 Prozent darunter. Besonders stark waren diese Unterschiede bei Kindern bis zu 14 Jahren: Hier lag die Verordnungszahl im ersten Quartal 2017 um 23 Prozent über dem Durchschnitt, im dritten Quartal um 37 Prozent darunter.

Den besonderen Stellenwert einer einheitlichen Kommunikation und Informationsvermittlung betonte die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr. Das sei vor allem deswegen wichtig, „um den Patienten Kompetenz und Sicherheit im Umgang mit Medikamenten zu vermitteln.“ Die neue Antiinfektiva-Leitlinie leiste hier einen essentiellen Beitrag. (lt/am)

Tipp: Unter www.arzneiundvernuft.at stehen die Leitlinie und auch der Patientenfolder zum Download zur Verfügung. 

Antibiotika-Resistenz in Österreich

Bei AURES handelt es sich um den jährlich erstellten offiziellen Bericht des Gesundheitsministeriums zur aktuellen Situation der Antibiotikaresistenz in Österreich. Ziel von AURES ist es, nachhaltige, vergleichbare und repräsentative Daten verfügbar zu machen.

Die wichtigsten Ergebnisse für 2016:
  
Humanpathogene, invasive bakterielle Erreger
  

• Streptococcus pneumoniae: Fünf invasive Isolate waren gegenüber Penicillin resistent. Bei Makroliden ist die Resistenzrate im Vergleich zu 2015 praktisch unverändert.

• Staphylococcus aureus: Die MRSA-Rate lag bei 7,1 Prozent. Im Jahr 2016 wurde bei keinem invasiven S. aureus-Isolat eine Resistenz gegenüber Vancomycin bestätigterweise detektiert.

• Escherichia coli: Die Resistenzrate bei Aminopenicillinen (50 Prozent) ist seit 2012 im Wesentlichen stabil geblieben. Im Vergleich zu 2015 ist es zu einem leichten Rückgang der Resistenzrate bei Fluorchinolonen (von 20 auf 19,8 Prozent) sowie zu einem Anstieg der Resistenzraten bei Chephalosporinen der 3. Generation (von 9,7 auf zehn Prozent) sowie bei Aminoglykosiden (von sieben auf 7,8 Prozent) gekommen.

• Enterokokken: Die Resistenzrate gegenüber Aminopenicillin und Aminoglykosiden ist im Vergleich zu den Vorjahren unverändert.

• Klebsiella pneumoniae: Von 2015 auf 2016 ist es zu einem Anstieg der Resistenzraten bei Chephalosporinen der 3. Generation von 8,4 auf 9,6 Prozent sowie zu einem Rückgang der Resistenzrate bei Fluorchinolonen von 11,7 auf 9,8 Prozent gekommen. Die Resistenzrate bei Aminoglykosiden ist bei 4,8 Prozent stabil geblieben.

• Pseudomonas aeruginosa: Die Resistenzraten gegenüber Carbapenem stiegen auf 12,9 Prozent (+0,7 Prozent), gegenüber Piperacillin/Tazobactam auf 13,8 Prozent (+1,9 Prozent) und gegenüber Ceftazidim auf 11,3 Prozent (+1,4 Prozent).

Humanpathogene, nicht-invasive bakterielle Erreger
  

Die folgenden Daten geben österreichweit die Situation im niedergelassenen Bereich im Vergleich zu Krankenhäusern zwischen 2012 und 2016 wider.

1. Respirationstrakt: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A zeigen sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Krankenhausbereich eine deutlich niedrigere Makrolid- Resistenz als Pneumokokken (6,0 Prozent beziehungsweise 8,4 Prozent bei Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A versus 13,8 Prozent beziehungsweise 13,8 Prozent bei Pneumokokken). Die Resistenzraten bei H. influenzae für den Krankenhausbereich und den niedergelassenen Bereich stellen sich wie folgt dar: Aminopenicilline 27,3 Prozent und 25,5 Prozent; Betalaktamaseinhibitoren 9,0 Prozent und 6,8 Prozent sowie Fluorchinolone 0,6 Prozent und 0,5 Prozent.

2. Die Resistenzrate für ESBL-bildende E. coli im Harn beträgt 8,2 Prozent im niedergelassenen Bereich und 6,9 Prozent im Krankenhausbereich. Die höchsten Resistenzraten sowohl bei E. coli-gesamt als auch nur bei ESBL-bildenden E. coli gibt es bei Fluorochinolonen mit rund 16,2 Prozent beziehungsweise 73,5 Prozent sowie bei Sulfamethoxazol/Trimethoprim mit 23,2 Prozent beziehungsweise 63,0 Prozent.

3. Klebsiella pneumoniae im Harn: Die Ceph 3 Resistenz liegt 2016 bei 7,7 Prozent, die Penem-Resistenz bei 0,7 Prozent.

4. Staphylococcus aureus/MRSA: Die MRSA-Rate liegt im Krankenhausbereich bei 8,2 Prozent; im niedergelassenen Bereich bei 4,8 Prozent. Es gibt keinen Hinweis auf Linezolid-Resistenz oder Vancomycin-Resistenz; die Daptomycin-Resistenz bei MSSA liegt bei 0,5 Prozent.

5. Pseudomonas aeruginosa: Im Trachealsekret wird ein hohes Resistenzplateau aller Indikatorsubstanzen festgestellt vor allem gegenüber Piperacillin/Tazobactam (22,2 Prozent). Die Penem- Resistenz liegt aktuell bei 17,2 Prozent; die Ceftazidim-Resistenz bei 19,5 Prozent. Bei Ohrabstrichen liegt eine Resistenzrate von 3,7 Prozent gegenüber Aminoglykosiden vor.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2018