Regierungsprogramm 2017 – 2022: Die Gesundheit

25.01.2018 | Politik


Die freiheitliche Gesundheitsmanagerin Beate Hartinger erhält als Ministerin für Soziales, Gesundheit und Arbeit ein riesiges Ressort, in dem erstmals seit Ende der 1990er Jahre die Sozial- und Gesundheitsagenden zusammengelegt sind. Die Vorhaben im Gesundheitsbereich sind ambitioniert – und umfassen insgesamt fünf der 182 Seiten des Regierungsprogramms für die Jahre 2017 bis 2022.

In dem fünf Kapitel umfassenden Programm – Staat und Europa, Ordnung und Sicherheit, Zukunft und Gesellschaft, Standort und Nachhaltigkeit sowie Fairness und Gerechtigkeit – finden sich die Pläne zur Gesundheit im letztgenannten Kapitel. Auf insgesamt fünf Seiten wird klargelegt, wo die Prioritäten gesetzt werden. So heißt es gleich zu Beginn: Die Sicherung und der weitere Ausbau des hochwertigen Gesundheitssystems erforderten Initiativen, die „den Bedarf und die Bedürfnisse der Patienten, die Qualität der Versorgung sowie die Effizienz und Effektivität der Verwaltung in den Mittelpunkt des Handelns stellen“.

Bei der Zieldefinition wird auf fünf Schwerpunkte fokussiert:

1) Prävention und Gesundheitsförderung

Als Maßnahmen werden hier genannt:
• Betriebliche Gesundheitsförderung weiter forcieren
• Anbieter-unabhängige Selbsthilfeorganisationen in Österreich weiter stärken
• Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung stärken (Bewegung, Ernährung, schädliche Substanzen, Spielsucht)
• Forcieren von Impfungen vor allem für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich
• Stärkung der Patientenrechte durch ein nationales Gesundheitsportal
• Vorsorgeuntersuchung in Verbindung mit Anreizen
• Zahnprophylaxe für Kinder und Jugendliche als Kassenleistung
• Mukipa: Weiterentwicklung bis zum 18. Lebensjahr

2) Kundenorientierung im Gesundheitssystem

Hier heißt es: „Unter einer modernen Kundenorientierung im Gesundheitssystem ist eine umfassende Patientenorientierung zu verstehen.“ Deswegen müsse ein Gesundheitssystem die ärztlichen und pflegerischen Leistungen auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abstellen.

Konkret angeführt sind:
• Stärkere Berücksichtigung der Gendermedizin und konkrete Umsetzungsmaßnahmen
• Schwerpunktsetzung in der Kindermedizin und Stärkung entlang der Versorgungskette
• Besondere Berücksichtigung von seltenen Erkrankungen bei Kindern
• Stärkung der integrierten Versorgung bei chronischen Krankheiten
• Überarbeitung des Erstattungskodex und des Heilmittelkataloges
• Stärkung des Hausarztes und der Gesundheitsversorgung vor Ort
• Attraktivierung der Gesundheitsberufe
• Etablierung der Primärversorgung und Entwicklung eines Ausrollplanes: Entlastung der spitalsambulanten Bereichs bei gleichzeitiger Anpassung der Finanzierungsströme (Geld folgt Leistung; ambulante und niedergelassene Finanzierung)
• Novelle des PHC-Gesetzes in Richtung Flexibilisierung für Ärzte
• Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten
• §2-Kassenverträge sollen auch in Spitälern möglich werden
• Mehr Kassenärzte durch Attraktivierung und flexible Vertragsstrukturen vor allem im ländlichen Raum
• Einführung von Landarzt-Stipendien
• Finanzierung von Lehrpraxen sicherstellen
• Rahmenbedingungen für Hausärzte attraktiver gestalten
• Prüfung der Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin
• Schaffung von Hausärzteverbänden mit Unterstützung von geschultem Pflegepersonal
• Schaffung von mehr Transparenz über die Qualität
• Entlastung der Spitalsambulanzen als Ziel: Schaffung eines effizienten Systems zur Steuerung der Patientenströme, klare Gesundheitspfade vor allem für chronische Krankheiten festlegen und Prozessverantwortliche definieren
• Evaluierung aller bestehenden Selbstbehalte im Gesundheitswesen mit Untersuchung auf Lenkungswirkung und Neukonzipierung von ökonomischen Anreizen im Gesundheitswesen
• Verbesserungen der Rahmenbedingungen, um Wartezeiten auf Operationen, Behandlungen und Untersuchungen transparent zu machen und zu reduzieren
• Ausbau der ambulanten Rehabilitation, die die stationäre Rehabilitation entlastet und begleitenden Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützt
• Über die Therapie entscheidet ausschließlich der Arzt mit dem Patienten.

3) Reform der Sozialversicherungen

Hier wird als Ziel formuliert, für die schon jetzt eingehobenen, gleichen Beiträge der Menschen auch österreichweit die gleichen Leistungen anbieten zu können. Dabei ist die Errichtung einer Österreichischen Krankenkasse (ÖKK) vorgesehen.
Folgende Punkte sind u.a. angeführt:

Allgemein:
• Reduktion der Sozialversicherungsträger (maximal fünf Träger)
• Gemeinsamer Prozess mit den Bundesländern
• Berücksichtigung von länderspezifischen Versorgungsinteressen
• Berücksichtigung von speziellen Anforderungen der Berufsgruppen
• Wahrung der partizipativen Selbstverwaltung
• Schaffung eines Verwaltungsrates inklusive Bundesvertreter
• Vertretung des Bundes im Verwaltungsrat
• Abschaffung der Mehrfachversicherung
• Gleiche Beiträge – gleiche Leistungen
• Beibehaltung des Leistungsniveaus
• Gesundheitsbonus
• Senkung der Verwaltungskosten
• Optimierungspotential heben

Für die Österreichische Krankenkasse (ÖKK)
• Aufgabenbündelung in der ÖKK
• Verhandlung eines österreichweiten Ärzte-Gesamtvertrages
• Regionale Zu- und Abschläge
• Regionale Planung inklusive Stellenplanung (RSG)
• Bestehende Gesamtverträge bleiben bis 2020 aufrecht
• Gesetzlich festgelegte länderweise Budgetautonomie
• Rücklagen verbleiben zur Zielsteuerung bei Ländern

Für die AUVA
• Senkung der Lohnnebenkosten um 500 Millionen Euro (Absenkung des Unfallversicherungsbeitrags auf 0,8 Prozent)
• Aufgabenüberprüfung, Synergiepotentiale, Strukturanalyse
• Kooperation mit bestehenden Gesundheitseinrichtungen
• Bis Ende 2018: Gesamtkonzept und ersten Erfolg darstellen; bei Nicht-Erfolg Überführung der AUVA in bestehende Sozialversicherungsträger
• Erhalt des Versicherungsschutzes
• Gewährleistung des Haftungsausschlusses

4) Ausbau von Digitalisierung und Telemedizin

Die Aufgabe von Digitalisierung und Telemedizin sei es, die Erbringung von Dienstleistungen im Gesundheitswesen unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu unterstützen, heißt es im Regierungsprogramm. Und weiter: Ziel einer modernen Gesundheitspolitik müsse es sein, hier praxis- und kundenorientierte Lösungen zu entwickeln und anzubieten.

Genannt werden u.a. folgende Punkte:
• Praxisorientierte Anwendung von ELGA. Besonders der eBefund soll evaluiert und neu aufgesetzt werden, um nutzerfreundlicher zu werden. Das Opting out wird für die Bürger möglichst unbürokratisch gestaltet.
• Transparenz und Qualität medizinischer Angebote erhöhen
• Weiterentwicklung der E-Card als Schlüssel für papierlose Prozesse: eRezept, eBefund, eMedikation, eTransportschein; E-Card am Handy forcieren
• Verstärkter Einsatz von künstlicher Intelligenz (Content Analytic), um die Verwaltung und Wissenschaft sowie die Versicherten noch besser zu unterstützen
• Telefon- und Web-basierte Erstversorgung flächendeckend ausbauen
• Entwicklung eines umfassenden eImpfpasses

5) Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem verbessern

Für die Weiterentwicklung des Versorgungssystems müssten die einzelnen Dienstleister im Gesundheitswesen ideale Rahmenbedingungen erhalten.

Angeführt sind u.a. folgende Punkte:
• Maßnahmenpaket zur Polypharmazie
• Gestaltung eines modernen und flexiblen Vertragspartnerrechts
• Reduktion der Überregulierung für private Gesundheitsanbieter
• Weitere Vereinheitlichungen im Krankenanstaltenbereich
• Überarbeitung der Berufsrechte der verschiedenen Gesundheitsberufe (Stärkung der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe nach internationalem Vorbild)
• Rahmenbedingungen für private Gesundheitsdiensteanbieter (finanzielle Weiterentwicklung des PRIKRAF)
• Diskussion der Reform des Krankenanstalten-Finanzierungssystems
• Adaptierung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes
• Einführung eines gesetzlichen Verwaltungskostendeckels und Monitoring durch das BMF
• Kostendeckel und weitere Vereinheitlichung der IT
• Erleichterung bei der Weiterverordnung von Medikamenten (zum Beispiel Dauermedikation)
• Evaluierung der chefärztlichen Genehmigungspflichten
• Prüfung einer einmaligen Aussetzung der Rezeptgebühren-Indexierung; dafür mehr Transparenz bei den Ausnahmen
• Bekämpfung von Sozialmissbrauch (beispielsweise Abgabenmengen bei Medikamenten, E-Card-Missbrauch etc.)
• Zusätzliche Anreize für die Verschreibung von Generika

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2018