Rezidivierender Harnwegsinfekt: Ähnliche Symptome – andere Ursache

10.04.2018 | Medizin


Oft werden bei einem rezidivierenden Harnwegsinfekt wiederholt Antibiotika verordnet – ohne Nachweis für einen bakteriellen Infekt. Es kann sich auch um eine funktionelle Störung handeln, die wie ein Harnwegsinfekt imponiert. Allerdings ist die therapeutische Strategie eine andere.

Tritt ein Harnwegsinfekt mindestens dreimal im Jahr oder zweimal innerhalb von sechs Monaten auf, spricht man von einem rezidivierenden Harnwegsinfekt. Treten die Beschwerden kurz nach Absetzen des Antibiotikums erneut auf, „ist eine weitere Abklärung jedenfalls notwendig“, betont Univ. Doz. Michael Rauchenwald von der Abteilung für Urologie und Andrologie im Sozialmedizinischen Zentrum Ost – Donauspital Wien.

„Ein häufiger Fehler bei der Therapie ist, dass wiederholt Antibiotika verschrieben werden, ohne dass ein bakterieller Infekt überhaupt nachgewiesen wurde. Dabei handelt es sich in vielen dieser Fälle überhaupt nicht um rezidivierende Harnwegsinfekte“, unterstreicht Univ. Prof. Karl Pummer von der Universitätsklinik für Urologie in Graz. So haben etwa Frauen mit einer besonders großen Blase oft eine funktionelle Störung: „Viele Frauen neigen dazu, den Harn zu verhalten, weswegen lange Transitzeiten entstehen. In Kombination mit der Körpertemperatur finden die Keime so ideale Wachstumsbedingungen vor“, erklärt Pummer.

Ist die Glykosaminglykan-Schicht der Blasenschleimhaut durch vorausgegangene Harnwegsinfekte geschädigt, kann auch eine überaktive Blase Ursache für die Beschwerden sein. Harnbestandteile dringen leichter in die Blasenwand ein und reizen die Nervenfasern. Es kommt zu Symptomen wie bei einem Harnwegsinfekt; eine Instillationskur ist erforderlich. Um Blasensteine oder ein Blasenkarzinom auszuschließen, sollte vor allem bei Frauen eine Zystoskopie durchgeführt werden. Zwar ist die Inzidenz von Blasentumoren bei Frauen geringer als bei Männern; jedoch wird der Tumor bei Frauen meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Rauchenwald dazu: „Reizsymptome an der Blase werden bei Frauen oft lange fälschlicherweise als rezidivierende Harnwegsinfekte behandelt.“

Um die Diagnose „rezidivierender Harnwegsinfekt“ abzusichern, sollte die Diagnostik „auf drei Säulen beruhen“, so Pummer.

1) Anamnese im Hinblick auf typische Beschwerden
2) Harnuntersuchung
3) quantitative Harnkultur mit Antibiogramm.

Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Teststreifen für die Harnuntersuchung nur aus gut verschlossenen Verpackungen entnommen werden, da sie andernfalls mit dem Sauerstoff in der Luft reagieren können. Dadurch könnte es zu falsch positiven oder negativen Befunden kommen. Auch der Nitrit-Wert kann aufgrund von bestimmten Medikamenten falsch positiv sein. Rauchenwald weist darauf hin, dass bei Frauen der Urin zusätzlich über einen Katheter abgenommen werden sollte, um das Ergebnis abzusichern. „Denn im Harn der Frau sind immer zusätzliche Verunreinigungen, wenn er nicht direkt aus der Blase entnommen wird“, erklärt der Experte.

Eine weitere Möglichkeit, um Keime und allfällige Resistenzen zu ermitteln, stellt die DNA-Sequenzierung dar. Damit können bereits geringe Keimzahlen festgestellt werden, „allerdings ist die Unterscheidung zwischen lebenden und toten Bakterien nicht möglich“, führt Pummer aus.

Handelt es sich tatsächlich um wiederkehrende bakterielle Infektionen, müssen die Ursachen hinterfragt werden. Bei jungen Frauen treten rezidivierende Harnwegsinfektionen vor allem zu Beginn der sexuellen Aktivität auf. Studien zufolge haben Frauen, die wöchentlich dreimal oder öfter Sex haben, ein fast dreifach erhöhtes Risiko für einen Harnwegsinfekt im Vergleich zu Frauen, die nur einmal pro Woche Sex haben. Bei Frauen nach der Menopause wiederum sollte zusätzlich eine gynäkologische Abklärung stattfinden, da der korrekte pH-Wert des Scheidenmilieus für die Regenerationsfähigkeit von Laktobazillen Ausschlag gebend ist. Die vaginale Applikation von Laktobazillen senke die Rate der Harnwegsinfekte, wie Pummer betont; ebenso könne dies durch eine vaginale Östrogenisierung erzielt werden.

Häufige Ursache: Harn-Reflux

Begünstigt werden Infekte auch durch eine unvollständige Blasenentleerung mit Restharnbildung. Eine häufige Ursache stellt der Harn-Reflux dar, das Zurückfließen des Harns in die Harnleiter, was speziell bei jungen Frauen vorkommt. Als Rezidivprophylaxe empfiehlt Rauchenwald beispielsweise, am Abend Essig in verdünnter Form zu trinken, um den Harn anzusäuern. Medikamentös kann dies durch Methionin und Phytopräparate erfolgen. „Allerdings ist deren Wirkung nicht besonders gut untersucht“, schränkt Pummer ein. Eine der „effektivsten“ (Pummer) Maßnahmen stellt die niedrig dosierte antibiotische Dauer-Prophylaxe mit Trimethoprim, Fosfomycin, Cephalosporinen oder Nitrofurantoin dar. Speziell für Nitrofurantoin lägen kaum Resistenzen vor. Die Dauer der Prophylaxe wird individuell festgelegt; meist liegt sie zwischen zwei und sechs Monaten. Bei der Langzeitprophylaxe handelt es sich laut Pummer „eher um eine ultima ratio“. Rauchenwald ergänzt: „Eine Langzeittherapie sollte jedoch nur dann erfolgen, wenn die vorangegangenen Maßnahmen nicht gegriffen haben.“ MW

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2018