Osteoporotische Frakturen: Sichtbare Folgen

10.10.2018 | Medizin


Bei proximalen Femurfrakturen liegt Österreich im europäischen Vergleich nach Dänemark und Schweden an dritter Stelle: Schätzungsweise eine halbe Million Menschen ist davon betroffen. Mit gravierenden Folgen: So kann es durch Osteoporose zu einer Verringerung der Körpergröße von bis zu 20 Prozent kommen.

Als „konservative Schätzung“ bezeichnet Priv. Doz. Christian Muschitz vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien Zahlen, wonach in Österreich rund 500.000 Menschen von Osteoporose betroffen sind. In der Mehrzahl – rund drei Viertel – sind Frauen davon betroffen. „Es handelt sich dabei also nicht um eine Erkrankung, die ausschließlich Frauen betrifft“, betont Univ. Prof. Elisabeth Preisinger vom Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel in Wien. Die Expertin weiter: „Die Frakturwahrscheinlichkeit in der Altersgruppe 50plus nimmt auch bei Männern bereits zu.“ Die Inzidenz der proximalen Femur-Frakturen liegt in Österreich bei 605 pro 100.000 Frauen und 261 pro 100.000 Männer. „Wir liegen hier europaweit nach Dänemark und Schweden an dritter Stelle“, unterstreicht Preisinger. Laut den Daten aus dem Jahr 2008 wurden auch 8.200 proximale Humerus-Frakturen registriert, wobei 380 auf 100.000 Frauen und 141 auf 100.000 Männer entfielen. Die Inzidenz der Radiusfrakturen lag 2010 bei den über 50-jährigen Österreichern bei 11.600, wobei 607 pro 100.000 Frauen und 162 pro 100.000 Männer verzeichnet wurden.

Frakturrisiko ist individuell

„Der –2,5 T-Score der Knochendichtemessung stellt eine alte Definition der WHO aus 1994 dar. Sie sagt jedoch nichts über das individuelle Knochenbruchrisiko aus“, betont Muschitz. Denn so gebe es immer wieder Menschen, bei denen trotz schlechter Werte in der Knochendichtemessung keine spezielle Therapie erforderlich sei. Andererseits könne es durchaus vorkommen, dass die Knochendichtemessung zufriedenstellende Werte ergebe, Patienten aber dennoch ein höheres Risiko für eine Fraktur aufwiesen. Muschitz dazu: „Wir versuchen aktuell in Österreich diesen früheren Weg zu verlassen und die Knochendichtemessung nicht mehr als alleinige Basis für die Entscheidung, ob eine Behandlung notwendig ist, heran zu ziehen.“

Bei Wirbelfrakturen hat die betroffene Person ein stark mäßiges bis starkes Risiko, ein Pflegefall zu werden. Beispielsweise wurden 2010 bei 1.070 Frauen auf 100.000 sowie bei 570 Männern auf 100.000 Wirbelkörperfrakturen registriert. Problematisch dabei: Wirbelkörperfrakturen werden oft erst spät wahrgenommen, da sie oft chronische Schmerzen verursachen und zwar dann, wenn es schon zu einer Formveränderung des Wirbelkörpers gekommen ist. „Da sehr viele Erkrankungen sekundär eine Osteoporose verursachen, haben wir nach einem Ampelsystem Risikograduierungen herausgearbeitet“, führt Muschitz weiter aus. Gelb beispielsweise bedeutet ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko – etwa bei Geschlecht, nicht-vertebralen Frakturen in der Anamnese, proximalen Femurfrakturen der Eltern, multiplen Stürzen, Immobilität, Rauchen und Alkoholkonsum; rot wiederum ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko – wie zum Beispiel bei prävalenten vertebralen Frakturen oder einem höheren Lebensalter.

Eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine osteoporotische Fraktur besteht bei einer genetischen Disposition, bei niedriger Knochendichte, multiplen Stürzen, Immobilität, Rauchen und zu hohem Alkoholkonsum. Eine Kalziumaufnahme von weniger als 500 Milligramm pro Tag stellt ebenso ein schwaches Risiko dar wie eine zu geringe Aufnahme von Vitamin D. Weiters fördern erhöhte Homozysteinwerte und bariatrische Operationen das Risiko. Zu den Erkrankungen, die mit einem erhöhten Frakturrisiko in Verbindung gebracht werden, zählen unter anderem das Cushing Syndrom, subklinischer Hyperkortisolismus, manifeste und subklinische Hyperthyreose, Diabetes mellitus Typ1, Antiepileptika, Herzinsuffizienz und primärer Hyperparathyreoidismus. Ein mäßiges Risiko liegt vor bei rheumatoider Arthritis, Spondylitis ankylosans und Hypogonadismus. COPD stellt ebenso ein mäßiges Risiko dar, was oft durch eine Kortisontherapie verstärkt wird. Weiters werden Asthma, zystische Fibrose, monoklonale Gammopathie, Zöliakie und Wachstumshormonmangel bei Hypophyseninsuffizienz mit einem Risiko für osteoporotische Frakturen in Zusammenhang gebracht.

Risikofaktoren abklären

Neben Labor, Vitamin D-Spiegel, Röntgen, Knochendichtemessung und Ernährungsstatus ist unbedingt abzuklären, ob eine andere Erkrankung beziehungsweise irgendein Risikofaktor vorliegt. Preisinger: „Da Immobilität und Inaktivität als Risikofaktoren gelten, sollte es ein vorrangiges Ziel sein, Patienten sowohl postoperativ als auch nach Frakturen möglichst rasch zu remobilisieren.“ Da speziell Wirbeleinbrüche mit heftigen Schmerzen einhergehen, werden die Betroffenen zwangsläufig in die Inaktivität gedrängt. Ein besonderes Augenmerk müsse nach Wirbeleinbrüchen auf die Haltung gelegt werden, um eine fortschreitende Kyphosierung zu vermeiden. So müsse speziell auf die Stärkung der Muskulatur geachtet werden. Denn im Extremfall könne es sogar zu einem schmerzhaften Kontakt von Crista iliaca und dem Rippenbogen kommen, was durch die Einschränkung des Abdomens zu Sekundärproblemen führen könne wie zum Beispiel Verdauungsproblemen, Obstipation bis hin zur Einschränkung der Lungenkapazität.

Adäquate Sturzprävention

„An zweiter Stelle steht die Sturzprävention“, unterstreicht Preisinger. Die Fehlhaltung und die Größenabnahme, die bei den Patienten oft bis über zwanzig Prozent ausmacht, führen zu einer Verlagerung des Schwerpunkts und beeinträchtigen die Wirbelsäule. Zu einer adäquaten Sturzprävention zählt daher ein entsprechendes Koordinations- und Balancetraining mit Muskelaufbau der unteren Extremitäten. Darüber hinaus erhalten die Patienten auch ein Übungsprogramm, mit dem die weitere Kyphosierung der Wirbelsäule hintan gehalten werden soll. Hier bewähren sich aktive Orthesen, die – stundenweise getragen – den Patienten daran erinnern sollten, aufrecht zu gehen. Aktuell strebe man von Seiten der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel eine bessere Zusammenarbeit mit Unfallchirurgen und Orthopäden an, berichtet Preisinger über die derzeitigen Aktivitäten. Denn „auf diesen Stationen liegen die Betroffenen oft nach Wirbelkörpereinbrüchen“. Hier ortet die Expertin nach wie vor Defizite: Demnach gäbe es immer noch „zu viele“ Patienten, die nicht unmittelbar nach einem solchen Ereignis eine Behandlung erhalten.

Betroffene sollten nach einer Fraktur auch weiterhin trainieren und – je nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung – auch präventiv ein entsprechendes Krafttraining absolvieren. Beide Experten betonen die Wichtigkeit der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Sportwissenschaftern und Fitnesstrainern, um hier auch langfristig Erfolge erzielen zu können. Muschitz weist auf die besondere Bedeutung von osteoporotischen Frakturen hin: „Es handelt sich dabei um ein riesengroßes Problem. Und wenn es bei einem Patienten durch ein Minimaltrauma zu einer Fraktur kommt, muss die Osteoporose unbedingt behandelt werden.“ Dafür seien in Österreich „sehr gute“ Medikamente zugelassen. Und Muschitz verweist auf die von einer Expertengruppe im Rahmen der Initiative „Arznei & Vernunft“ erst kürzlich erstellte Leitlinie zum Thema Osteoporose. „Darin haben wird erstmals eine Schwelle für eine entsprechende Prophylaxe eingezogen. Die wird von allen im Gesundheitssystem Tätigen auch mitgetragen“, sagt Muschitz. CS 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2018