Interview Ingrid Kiefer: „Dichtes Netz von Kontrollen“

10.06.2018 | Medizin


Mykotoxine sind nicht immer mit bloßem Auge erkennbar und lassen sich oft nur im Labor nachweisen. In Österreich sorgt ein dichtes Netz von Kontrollen – 2016 wurden mehr als 26.800 Proben untersucht – für die Lebensmittelsicherheit, erklärt Univ. Doz. Ingrid Kiefer, Leiterin des Fachbereichs Risikokommunikation in der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im Gespräch mit
Brigitte Scholz.

Darf beispielsweise Schimmelpilz auf Brot weggeschnitten werden? Mit sichtbarem Schimmelpilz belastete Lebensmittel müssen vollständig entsorgt werden. Leider kommt es immer wieder vor, dass nur befallene Stellen entfernt werden. Große Anteile eines Schimmelpilzes sind aber oft unsichtbar. Die einzelnen fadenförmigen Zellen des Pilzes sind mit freiem Auge nicht erkennbar, können sich aber durch das gesamte Lebensmittel ziehen. Mykotoxine rufen meist auch keine akuten Beschwerden hervor. Langfristig können sie aber das Erbgut, Magen, Leber oder Niere schädigen. Bei angefaultem Kernobst beispielsweise bildet sich das Mykotoxin Patulin, das im menschlichen Organismus einerseits Leberschädigend und anderseits hämorrhagisch wirkt.

Kann Patulin durch Erhitzen unschädlich gemacht werden? Mykotoxine bleiben auch gegenüber Erhitzen stabil. Pasteurisieren hilft da nicht. Man muss sorgsam darauf achten, dass etwa bei der Zubereitung von Saft, Mus oder Püree kein fauliges Obst verwendet wird.

Welche Anzeichen gibt es für Mykotoxine in Lebensmitteln? Einmal den für jeden erkennbaren Befall mit Schimmelpilz oder Fäulnis. Wenn zum Beispiel ein Lebensmittel ranzig schmeckt, eine Geruchs- oder Geschmacksänderung zu bemerken ist, soll es vollständig entsorgt werden. Bemerkt man im Müsli oder in Haferflocken Klumpen oder Fäden, gehören sie nicht mehr auf den Frühstückstisch. Mykotoxine sind aber nicht immer mit bloßem Auge erkennbar, zu riechen oder zu schmecken. Oft lässt sich Schimmelbefall nur im Labor aufspüren.

In der Lebensmittelerzeugung gibt es aber Kontrollen?
Ja, genau deshalb haben wir in Österreich einen derart hohen Qualitätsstandard. Die AGES untersucht und begutachtet unter anderem Lebensmittel und Waren gemäß Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz sowie gemäß den geltenden europäischen Vorschriften. Wir analysieren und bewerten die ganze Lebensmittelkette, ausgehend vom Futtermittel bis zum Lebensmittel im Regal. Dabei gehen wir nach den Grundsätzen der Risikoanalyse vor: Risiken bewerten und darauf hinweisen. Wir geben Empfehlungen ab und betreiben Risikomanagement im behördlichen Bereich.

Wie sicher sind Lebensmittel in Österreich?
Ein dichtes Netz von Kontrollen sorgt für die Lebensmittelsicherheit in Österreich. Das beginnt bei den Erzeugern und endet bei EU-weiten Überwachungsprogrammen. Unternehmen wie Einzelhandel oder Gastronomie unterliegen der Kontrolle durch die Lebensmittelaufsicht der Bundesländer. Jedes Jahr werden in Österreich zigtausend Proben gezogen und begutachtet. 2016 wurden von der AGES und den Lebensmitteluntersuchungsanstalten mehr als 26.800 Proben untersucht. Bei 83,1 Prozent gab es keine Beanstandung, bei den restlichen waren Kennzeichnungsmängel und irreführende Angaben die häufigsten Beanstandungsgründe.

Worin liegt die Bedeutung der AGES im Hinblick auf Mykotoxine in Österreich?
In der Analyse und Bewertung der gesamten Lebensmittelkette zur Erhaltung unseres hohen Standards. Aber auch in der Herstellung eines Problembewusstseins in der Öffentlichkeit, dass Konsumenten und Konsumentinnen ihre Gesundheit gefährden, wenn sie Lebensmittel mit erkennbarem Schimmelbefall verwenden, dass beispielsweise Gewürze und Nüsse trocken gelagert werden müssen, dass mögliche Toxine hitzestabil sind, das heißt durch Kochen und Backen nicht zerstört werden.

Wo liegen die Herausforderungen für die nächsten Jahre?
Für den Bereich der Lebensmittel wird der ‚Täuschungsschutz‘ immer mehr zum Thema werden. Woher kommt das Produkt? Ist auch das drin, was außen drauf steht? Speziell bei zusammengesetzten fertig verpackten Lebensmitteln gilt es, die genaue Produktbezeichnung, das Zutatenverzeichnis sowie die Mengen der Zutaten zu beachten. Darüber hinaus wird uns die immer weiter voranschreitende Digitalisierung dabei helfen, Warenstränge besser analysieren zu können.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2018