Imp­fun­gen bei Kin­dern: Früh geschützt

10.10.2018 | Medizin


Wel­che Bedeu­tung frü­her Impf­schutz hat, zeigt sich bei­spiel­haft nach der abge­lau­fe­nen Influ­enz­a­sai­son: 35 Pro­zent aller Pro­ben, in denen Influ­enza-Viren nach­ge­wie­sen wer­den konn­ten, stam­men von Kin­dern im Alter zwi­schen 0 und 14 Jah­ren. Auch bei Masern, Menin­go­kok­ken und Pneu­mo­kok­ken ist die Situa­tion kritisch.

Imp­fun­gen sind wahn­sin­nig sicher, Impf­schä­den wahn­sin­nig sel­ten“, sagt Univ. Prof. Wer­ner Zenz von der Kli­ni­schen Abtei­lung für all­ge­meine Päd­ia­trie an der Med­Uni Graz. Und wei­ter: „Dazu gibt es eine pla­ka­tive Zahl: ein Impf­scha­den auf eine Mil­lion Geimpfte.“ Ver­glei­che man außer­dem das Risiko mit dem Nut­zen, spre­che das ganz klar für Impfungen. 

Der­zeit wer­den im Rah­men des kos­ten­lo­sen Kin­der-Impf­pro­gramms fol­gende Imp­fun­gen ange­bo­ten:
• Diph­the­rie
• Hae­mo­phi­lus influ­en­zae Typ B
• Hepa­ti­tis B
• HPV – Humane Papil­lo­ma­vi­ren
• Masern, Mumps, Röteln
• Menin­go­kok­ken der Grup­pen A,C,W135 und Y (MEC‑4)
• Per­tus­sis (Keuch­hus­ten)
• Pneu­mo­kok­ken
• Polio­mye­li­tis
• Rota­vi­rus-Brech­durch­fall
• Teta­nus

Das von der dama­li­gen Gesund­heits­mi­nis­te­rin Eleo­nore Hostasch im Jahr 1997 ins Leben geru­fene Impf­kon­zept hatte das Ziel, allen in Öster­reich leben­den Kin­dern diese Imp­fun­gen kos­ten­los zu ermög­li­chen. Die Gesamt­kos­ten des Kin­der­impf­pro­gramms tei­len sich Bund (zwei Drit­tel), Län­der (ein Sechs­tel) sowie Sozi­al­ver­si­che­run­gen (ein Sechstel). 

Im Vor­feld der Imp­fung nimmt die Bera­tung der Eltern – wobei es in ers­ter Linie darum geht, kri­ti­sche Fra­gen zu beant­wor­ten und Beden­ken aus­zu­räu­men – einen Groß­teil der Zeit ein. Spe­zi­ell Eltern von Kin­dern, die durch umfas­sende Imp­fun­gen im Kin­des­al­ter geschützt haben, ste­hen den dies­be­züg­li­chen Emp­feh­lun­gen sehr viel kri­ti­scher gegen­über als dies etwa bei der Ein­füh­rung des Impf­kon­zepts in den 1990er Jah­ren der Fall war. Diese Ent­wick­lung hat dazu geführt, dass Exper­ten ange­sichts der Impf­mü­dig­keit mitt­ler­weile vor den immer grö­ßer wer­den­den Impflü­cken in Öster­reich war­nen. Auf dem Vor­marsch sind bei­spiels­weise Masern, Mumps und Röteln. 

Auch Öster­reich hat sich gegen­über der WHO ver­pflich­tet, das Ziel der welt­wei­ten Aus­rot­tung der Masern zu ver­fol­gen. Dazu bedarf es aller­dings eini­ger Anstren­gun­gen – ange­sichts von 66 Masern­fäl­len heuer (Stand: 24. August). Zehn Fälle davon waren asso­zi­iert mit dem Gesund­heits­we­sen: also ent­we­der Mit­ar­bei­ter im Gesund­heits­we­sen oder noso­ko­mial erwor­bene Fälle, heißt es im „Kurz­be­richt Masern“, der vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit, Sozia­les, Gesund­heit und Kon­su­men­ten­schutz erstellt wurde. 

Zwei­ge­teilte Entwicklung 

Was die Durch­imp­fungs­rate bei Masern anlangt, konnte in der Alters­gruppe der Zwei- bis Fünf­jäh­ri­gen bei der ers­ten Masern- Imp­fung eine 95-pro­zen­tige Durch­imp­fungs­rate erreicht wer­den; bei der zwei­ten Masern-Imp­fung eine Durch­imp­fungs­rate von 81 Pro­zent, heißt es im Bericht wei­ter. Bei den Sechs- bis Neun­jäh­ri­gen wie­derum liegt die Durch­imp­fungs­rate bei der ers­ten Imp­fung über 95 Pro­zent; bei der zwei­ten Imp­fung bei 89 Prozent. 

Die Zahl der Masern­fälle stellt jedoch nicht nur in Öster­reich, son­dern euro­pa­weit ein Pro­blem dar. So wur­den 2017 ins­ge­samt 14.600 Masern-Fälle regis­triert. Die meis­ten Mel­dun­gen kamen aus Rumä­nien (5.608), Ita­lien (5.098), Grie­chen­land (967), Deutsch­land (929) und Frank­reich (518). Seit Anfang die­ses Jah­res wer­den große Masern-Aus­brü­che aus Grie­chen­land (1.131), Rumä­nien (757), Frank­reich (429), Ita­lien (168) und Por­tu­gal (145) gemeldet. 

Wie aus dem Jah­res­be­richt 2017 her­vor­geht, hat die Natio­nale Refe­renz­zen­trale für Menin­go­kok­ken im Jahr 2017 ins­ge­samt 20 labor­be­stä­tigte Fälle von inva­si­ven Menin­go­kok­ken-Erkran­kun­gen regis­triert. Zwar ist die Jah­res­in­zi­denz mit 0,23 Fäl­len auf 100.000 Per­so­nen gesun­ken (2016: 0,43 Fälle auf 100.000; 2015: 0,31 Fälle auf 100.000); jedoch ist die Leta­li­tät auf 25 Pro­zent gestie­gen (2015: elf Pro­zent; 2016: acht Pro­zent). Bis auf einen Fall konnte eine Sero­grup­pen­be­stim­mung erfol­gen: Sero­gruppe B (63,2 Pro­zent), Sero­gruppe C (15,8 Pro­zent), Sero­gruppe Y (10,5 Pro­zent) und Sero­gruppe W (5,3 Pro­zent). Die höchste Inzi­denz wurde bei den unter Ein­jäh­ri­gen mit sechs Fäl­len regis­triert; bei den Ein- bis Vier­jäh­ri­gen gab es zwei Fälle. Bei den unter Ein­jäh­ri­gen wie­derum gab es je einen Fall im Alter von fünf, acht und zehn Mona­ten sowie zwei Fälle bei sechs Monate alten Kin­dern. Die meis­ten Fälle gab es in Wien (neun Betrof­fene), gefolgt von Salz­burg und Ober­ös­ter­reich mit je drei Fäl­len; je zwei Fälle gab es in Nie­der­ös­ter­reich und der Steiermark. 

Pro­ble­ma­tisch sind inva­sive Menin­go­kok­ken-Infek­tio­nen vor allem des­we­gen, weil sich das Krank­heits­bild zu Beginn nicht von einer nor­ma­len Grippe unter­schei­det und auch das Labor zunächst unauf­fäl­lig ist. Wer­ner Zenz dazu: „Hin­ter jedem Fie­ber kann sich theo­re­tisch eine Menin­go­kok­ken-Sep­sis ver­ber­gen. Wäre es also mög­lich, diese Erkran­kung zurück­zu­drän­gen, würde die Kin­der­heil­kunde um eini­ges siche­rer wer­den. Man könnte sich viel mehr auf die Labor­werte ver­las­sen, da die ande­ren For­men der bak­te­ri­el­len Sep­sis viel lang­sa­mer ver­lau­fen.“ Die Wir­kung die­ser Imp­fun­gen „hat sich klar gezeigt“, betont der Experte. Dem­nach konnte bei­spiels­weise in Groß­bri­tan­nien die Zahl der Menin­go­kok­ken Erkran­kun­gen mit Erre­gern der Sero­grup­pen B und C durch flä­chen­de­ckende Imp­fun­gen um rund 85 Pro­zent ver­hin­dert wer­den. Zenz: „Als Fach­ärzte für Kin­der­heil­kunde bemü­hen wir uns, dass die Menin­go­kok­ken-Imp­fung in das kos­ten­lose Impf­pro­gramm auf­ge­nom­men wird, weil Säug­linge noch immer die größte Risi­ko­gruppe für diese Erkran­kung darstellen.“

Pneu­mo­kok­ken: 33 Fälle bei unter Zehnjährigen 

Bei Pneu­mo­kok­ken wie­derum hat die Natio­nale Refe­renz­zen­trale im Jahr 2017 ins­ge­samt 545 inva­sive Erkran­kun­gen regis­triert; 34 ver­lie­fen letal. Das bedeu­tet eine Inzi­denz von 6,2 auf 100.000 Per­so­nen mit einer Mor­ta­li­tät von 0,4 auf 100.000 Per­so­nen, heißt es im aktu­el­len Bericht. Bei knapp 90 Pro­zent konnte der Sero­typ bestimmt wer­den; am häu­figs­ten wurde Sero­typ 3 mit 23,5 Pro­zent regis­triert. Ins­ge­samt wur­den 40 ver­schie­dene Sero­ty­pen regis­triert. Die höchste Inzi­denz mit 24,7 Fäl­len auf 100.000 Per­so­nen wurde bei den über 80-Jäh­ri­gen regis­triert. Bei den unter Zehn-Jäh­ri­gen gab es ins­ge­samt 33 Fälle; davon sie­ben bei den unter Ein­jäh­ri­gen, acht bei Ein­jäh­ri­gen, 13 Fälle bei den Zwei- bis Vier­jäh­ri­gen sowie fünf Fälle bei den Fünf- bis Neun­jäh­ri­gen. Sieht man sich die Krank­heits­bil­der an, han­delte es sich bei den Ein­jäh­ri­gen vor­wie­gend um Pneu­mo­nie und Sep­sis. Nach Bun­des­län­dern betrach­tet gab es in Wien die höchste Inzi­denz mit 9,3 Fäl­len auf 100.000 Per­so­nen; in Salz­burg waren es 7,1 auf 100.000, in der Stei­er­mark 6,2 auf 100.000. Unter dem öster­rei­chi­schen Durch­schnitt von 6,2 auf 100.000 Per­so­nen lagen die Inzi­den­zen in Ober­ös­ter­reich, Tirol, Nie­der­ös­ter­reich, Vor­arl­berg, Kärn­ten und dem Burgenland. 

Die starke Betrof­fen­heit der Kin­der durch Influ­enza-Virus­in­fek­tio­nen sei eine der „Beson­der­hei­ten“ die­ser Sai­son gewe­sen, schrei­ben Priv. Doz. Monika Redl­ber­ger-Fritz und Univ. Prof. The­re­sia Popow-Kraupp in der Virus­epi­de­mio­lo­gi­schen Infor­ma­tion (09/​18). So stamm­ten 35 Pro­zent aller Pro­ben, in denen Influ­enza-Viren nach­ge­wie­sen wer­den konn­ten, von Kin­dern im Alter zwi­schen 0 und 14 Jah­ren, wobei „zu beach­ten ist, dass diese Alters­gruppe nur 14 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung dar­stellt“, heißt es darin wei­ter. Dies ver­deut­li­che die über­pro­por­tio­nale Betrof­fen­heit von Kin­dern in die­ser Sai­son – sowohl im Hin­blick auf die Häu­fig­keit der Erkran­kung als auch auf den Schwe­re­grad. Noch dazu hätte es sich um eine „außer­ge­wöhn­lich lange dau­ernde Influ­enz­a­sai­son“ gehan­delt, resü­mie­ren Redl­ber­ger-Fritz und Popow-Kraupp. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2018