Europäischer Kardiologenkongress (ESC) 2018: Europäischer Kardiologenkongress (ESC) 2018

25.09.2018 | Medizin


Knapp 33.000 Experten aus aller Welt haben von 25. bis 29. August 2018 am Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in München teilgenommen.

Hypertonie: neue Leitlinien

So wie bisher sehen auch die neuen europäischen Leitlinien zur Behandlung von Hypertonie weiterhin einen Grenzwert von 140/90 mmHg vor. Um vor allem bei älteren Patienten unerwünschte Nebenwirkungen einer zu intensiven medikamentösen Therapie zu vermeiden, werden jedoch teilweise bis zu 160 mmHg toleriert. Nur im Fall eines erhöhten Herz- Kreislaufrisikos aufgrund einer kardiovaskulären Vorerkrankung soll bereits im oberen Normalbereich (130-139/85-89 mmHg) medikamentös behandelt werden. Behandlungsziel ist – wie bisher – eine Senkung auf unter 140/90 mmHg. Wird die Therapie gut vertragen, sollten 130 mmHg angestrebt werden; für Patienten unter 65 Jahren sind 120 bis 129 mmHg systolisch Zielwert. Abgesehen davon sehen die neuen Blutdruck-Leitlinien eine Behandlungsempfehlung mittels Kombinationspräparaten bereits bei Therapiebeginn vor, um die Therapietreue zu erhöhen. Ebenfalls neu: Bei einer onkologischen Therapie sollte das temporäre Aussetzen bei sehr hohen Blutdruckwerten, die nicht mit Kombinationspräparaten in den Griff zu bekommen sind, erwogen werden.

Hyperlipidämie wirkt lebensverlängernd

Bei Patienten mit einem Herzschrittmacher verlängert Hyperlipidämie das Leben, fand das Team um Martin Riesenhuber von der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Wien im Rahmen einer Studie heraus. Die Wissenschafter analysierten die Schrittmacherdaten von 2.939 Patienten der Kardiologie des AKH Wien, die zwischen 2000 und 2005 mindestens eine Schrittmacherkontrolle in der Ambulanz hatten. Männliches Geschlecht, höheres Alter bei der Schrittmacherimplantation, Herzschwäche und Diabetes mellitus gingen dabei als unabhängige Risikofaktoren für die Mortalität hervor. Der lebensverlängernde Einfluss einer Hyperlipidämie hingegen liegt vermutlich in der regelmäßigen ärztlichen Betreuung (häufige Nachkontrollen, niederschwelligere Überweisung an Spezialisten und aggressivere Therapie von vorhandenen Risikofaktoren) und somit intensiven Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen begründet.

Mehr Myokardinfarkte durch Temperaturschwankungen

Temperaturschwankungen von mehr als 17,7 Grad innerhalb von 24 Stunden führen zu einer erheblichen Zunahme von Myokardinfarkten und instabiler Angina pectoris; vor allem Männer sind betroffen. Das haben Dirk Lewinski und Klemens Ablasser von der Medizinischen Universität Graz im Rahmen einer achtjährigen Studie herausgefunden. Sie haben die Daten von insgesamt 18.075 Patienten aus Teilen der Steiermark und des Burgenlandes mit akutem Koronarsyndrom ausgewertet, die zur Behandlung in einem Herzkatheter-Zentrum waren. Das Durchschnittsalter lag bei 67 Jahren; 74 Prozent der Teilnehmenden waren Männer. Entgegen der ursprünglichen Annahmen zeigte sich, dass körperliche Belastung im Freien bei niedrigen Temperaturen (unter dem Gefrierpunkt) kein signifikantes Risiko für ein akutes Koronarsyndrom nach sich zieht. Selbst an Tagen nach Schneefall, an denen man am ehesten von körperlicher Anstrengung beim Schnee schaufeln ausgehen muss, zeigte sich das nicht.

Synkope: Warnsignal bei Aortenstenose

Patienten mit einer Aortenstenose, bei denen es vor der Operation zu einer Synkope gekommen ist, hatten ein doppelt so hohes Risiko, im Nachbeobachtungszeitraum zu versterben wie Patienten mit Angina pectoris oder Atemnot. Das berichtete Georg Goliasch von der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Wien. Untersucht wurden insgesamt 625 Patienten mit isolierter schwerer Aortenstenose und geplantem Aortenklappenersatz über einen Zeitraum von zehn Jahren. Außerdem wiesen Patienten mit Synkope höhergradig verengte Herzklappen und kleinere Herzhöhlen auf. Ob das Auftreten dieser Symptome mit dem Langzeitüberleben der Patienten nach einem Herzklappenersatz in Zusammenhang steht, muss erst im Rahmen weiterer Untersuchungen eruiert werden.

Aspirin-Prophylaxe bei Diabetikern: kein Benefit

Im Zuge der ASCEND-Studie (A Study of Cardiovascular Events in Diabetes) konnten Experten nachweisen, dass Aspirin bei Diabetikern ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung Myokardinfarkte und Insulte verringern kann; allerdings kann es zu starken Blutungen kommen. Konkret wurden für die Studie zwischen 2005 und 2011 insgesamt 15.480 Patienten mit Diabetes mellitus ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung untersucht. Sie erhielten täglich entweder 100 mg Aspirin oder ein Placebo. In den folgenden Jahren erlitten 8,5 Prozent der Patienten aus der Aspirin-Gruppe ein kardiovaskuläres Ereignis (Myokardinfarkt, Insult oder TIA); in der Placebo- Gruppe waren es 9,6 Prozent, was einer relativen Risikoreduktion von zwölf Prozent entspricht. Bei 4,1 Prozent der Teilnehmer in der Aspirin-Gruppe traten schwere Blutungen auf; in der Placebo-Gruppe bei 3,2 Prozent. Das wiederum entspricht einer relativen Risikozunahme von 29 Prozent. Risiko und Nutzen halten sich demnach die Waage, so die Schlussfolgerung der Wissenschafter.


„Low Carb“-Trend birgt Risiken

Eine einseitige, kohlenhydratarme Ernährung birgt ein vorzeitiges Mortalitätsrisiko. Das haben Wissenschafter der US National Health and Nutrition Examination Survey an 24.825 Teilnehmern untersucht. Dabei wurde der Zusammenhang zwischen Diäten mit einem niedrigen Kohlenhydrate-Anteil, der Gesamtsterblichkeit, Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Krebs untersucht. Im Beobachtungszeitraum von 6,4 Jahren wiesen Teilnehmer mit dem niedrigsten Kohlenhydrate-Konsum im Vergleich zu jenen mit dem höchsten eine um 32 Prozent erhöhte Gesamtsterblichkeit auf. Das Risiko für einen Tod aufgrund einer Herzkrankheit war bei ihnen um 51 Prozent erhöht, jenes für eine zerebrovaskuläre Krankheit inklusive Insult um 50 Prozent und das für eine Krebserkrankung um 35 Prozent. Ursächlich dafür könnte die niedrigere Einnahme von Ballaststoffen und Früchten sowie der erhöhte Konsum von tierischen Proteinen, Cholesterin und gesättigten Fettsäuren sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2018