Eisenmangel: Therapieerfolg kontrollieren

15.07.2018 | Medizin


Weltweit sind mehr als zwei Milliarden Menschen von Eisenmangel betroffen. Selbst wenn rasch die Therapie eingeleitet wird, muss die Ursache ermittelt werden. Ebenso ist die Überprüfung des funktionellen Erfolgs der Behandlung notwendig, auch wenn sich die Betroffenen nach der Substitution rasch besser fühlen.
Irene Mlekusch

Vor allem prämenopausale Frauen, Schwangere, Kinder und Jugendliche, sowie Einwohner in Entwicklungsländern gehören zu den Risikogruppen. Ebenso ist Eisenmangel der häufigste Mangelzustand bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Die Hauptursachen für Eisenmangel sind zu geringe Eisenzufuhr durch Mangelernährung in Entwicklungsländern oder Diäten in Industrieländern, verminderte Resorption oder erhöhter Eisenbedarf sowie Eisenverlust durch Blutungen. In den Entwicklungsländern spielen auch parasitäre Infektionen eine Rolle, andererseits kann auch häufiges Blutspenden zu Eisenmangel führen. Der Wiener Internist Univ. Prof. Christoph Gasche bedauert die in den Industrieländern klassisch falsche Ernährung, welche bewusst auf das Essen von rotem Fleisch verzichtet und dagegen eine Eisen-arme Ernährung auf der Basis von weißem Fleisch anstrebt. „Vor allem Semi- Vegetarier, die nur Putenfleisch zu sich nehmen, sind gefährdet. Besonders dann, wenn es sich um Frauen mit starker Menstruationsblutung handelt“, warnt Gasche.

Eisenmangel und in weiterer Folge Eisenmangel-Anämie entwickeln sich normalerweise langsam – je nach individuellem Eisenspeicher, Alter, Geschlecht und der Ursache. In den Industrieländern stellt der Blutverlust die Hauptursache für Eisenmangel dar. Während bei prämenopausalen Frauen eine Menorrhagie verantwortlich sein kann, stehen bei den Männern Blutungen aus dem Gastrointestinaltrakt im Vordergrund. Andere mögliche Blutungsquellen können Traumata, Operationen, Hämoptyse, Hämaturie oder eine Entbindung sein. „Viele Anämien haben multiple Ursachen, vor allem bei onkologischen und nephrologischen Patienten“, gibt Gasche zu bedenken. Auch die längerfristige Einnahme von NSAR und Antikoagulantien kann zu einem Blut- und somit Eisenverlust über den Magen-Darmtrakt führen. Seltenere Ursachen sind die idiopathische pulmonale Hämosiderose, die hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie oder die Gruppe der hereditären Eisenmangelanämien durch eine TMPRSS6-Mutation, auch ironrefractory iron deficiency anemia (IRIDA) genannt.

Kognitive Defizite bei Kindern

Erhöhter Eisenbedarf, der zu Eisenmangel führen kann, besteht bei Ausdauersportlern, Patienten, die EPO oder andere Erythropoese stimulierende Faktoren einnehmen, Schwangeren ab der zwölften Schwangerschaftswoche sowie bei Kindern und Jugendlichen. Vor allem heranwachsende Mädchen sind ab dem Beginn ihrer Menstruation potentiell gefährdet, einen Eisenmangel zu bekommen, Mangelernährung oder Übergewicht, rasches Wachstum, chronische Erkrankungen, Diäten oder Ausdauertraining gelten als zusätzliche Risikofaktoren. Univ. Prof. Heinz Zoller vom hepatologischen Labor der Universitätsklinik für Innere Medizin I/Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie in Innsbruck verweist darauf, dass Kinder und Jugendliche mit Eisenmangel unter kognitiven Defiziten leiden: „Die Kinder holen zwar mit einem Supplement auf, erreichen aber nie dasselbe Niveau wie gleichaltrige Kinder ohne Eisenmangel.“ Unter diesem Gesichtspunkt ist eine eisenreiche Ernährung während der Schwangerschaft nicht nur für die Mutter von Bedeutung. Man geht auch in Industrieländern davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Kleinkinder und Schwangeren einen Eisenmangel aufweisen. Eine beeinträchtigte psychomotorische und geistige Entwicklung wurde bei Kindern mit Eisenmangelanämie zwar beschrieben, trotzdem wird für Schwangere kein generelles Screening empfohlen. „Mögliche Zusammenhänge zwischen Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft und Autismus bei Kindern sind ebenfalls Grundlage für Diskussionen“, merkt Zoller an.

Die häufigsten klinisch relevanten Erkrankungen, die zu Eisenresorptionsstörungen und Eisenmangel führen, sind Zöliakie, Autoimmungastritis, Infektion mit Helicobacter pylori, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder nach bariatrischen Operationen. Zumindest 30 Prozent der Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung weisen eine Eisenmangelanämie auf, welche einerseits durch Malabsorption, andererseits durch Blutverlust aus dem Darmtrakt entsteht. Gleichzeitig finden sich bei diesen Patienten oft auch andere Ursachen einer Anämie – wie zum Beispiel Vitaminmangel, Nebenwirkungen von Medikamenten oder angeborene genetische Defekte. „Die Autoimmungastritis ist die häufigste assoziierte Erkrankung bei Eisenmangel“, sagt Gasche und macht darauf aufmerksam, dass die Erkrankung vor allem bei Frauen unterdiagnostiziert ist.

Klinisch macht sich ein Eisenmangel – je nach Schweregrad – durch Müdigkeit, Leistungsminderung, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Haarausfall, brüchige oder längsgerillte Fingernägel, Mundwinkelrhagaden, Restless Legs-Syndrom, Konzentrationsstörungen, Pica-Syndrom, Beeturie, Blässe, Glossitis oder in schweren Fällen in Form einer Tachykardie bemerkbar. Bei Verdacht auf Eisenmangel beziehungsweise bei Risikopatienten wird die Diagnose im Normalfall einfach durch Veränderungen des Eisenstoffwechsels im Blut bestätigt. „Die vorhandenen Parameter in der Diagnostik sind sehr gut“, bestätigt Gasche. Liegt der Ferritinwert unter 30 mcg/l kann mit hoher Sicherheit von einem Eisenmangel ausgegangen werden. Bei Patienten mit entzündlichen Erkrankungen sollte zusätzlich CRP und die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhoben werden, um den Grad der systemischen Entzündung abzuklären. Je länger der Mangel besteht, umso mehr sinkt auch die Transferrinsättigung, wobei Werte unter 16 Prozent als Indiz für einen Eisenmangel gelten, des Weiteren ist der lösliche Transferrin-Rezeptor (sTfR) erhöht.

Liegt eine Eisenmangelanämie vor, sind MCV und MCH erniedrigt, die Anämie präsentiert sich somit hypochrom und mikrozytär. Liegen zusätzlich ein Vitamin B12- oder Folsäuremangel vor, sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren. Gasche rät dazu, einen Vitaminmangel im Rahmen der Untersuchung des Eisenstatus nicht vorrangig abzuklären, da ein Mangel an Vitamin B12 eher im Alter und bei Autoimmungastritis zu finden ist, während ein Folsäuremangel mit der Medikamentengabe wie Salazosulfapyridin oder Methotrexat in Zusammenhang steht. Die IRIDA unterscheidet sich häufig durch extrem niedrige Transferrinsättigung bei annährend normalem oder nur gering erniedrigtem Serum- Ferritin. Dafür sind die Hepcidin-Spiegel im Serum abnorm erhöht. Allerdings ist Hepcidin kein Routine-parameter, wie Gasche betont, und ist daher zur Zeit nur für Studien relevant.

Abklärung und Substitution simultan

Beide Experten empfehlen, bei bestätigtem Eisenmangel oder Eisenmangelanämie gleich mit der Eisensubstitution zu beginnen und simultan eine Ursachenabklärung in die Wege zu leiten. Lediglich bei akuten systemischen Infektionen wird von einer Eisentherapie aufgrund einer möglichen Verstärkung der Infektion abgeraten. Auch bei Patienten mit Lymphomen oder Leukämien rät Gasche zu einer vorsichtigen therapeutischen Vorgangsweise. „Behandlungsintensität und Verabreichungsform der Eisensubstitution sind individuell abgestimmt“, ergänzt Zoller.

Die Abklärung der Ursache umfasst eine sorgfältige Anamnese in Bezug auf die Risikofaktoren, Ernährung, Sport, Familienanamnese, Medikamenteneinnahme und mögliche bekannte Ursachen für einen Blutverlust wie Entbindung, Operationen oder Menorrhagie. „Bei einem Eisenmangel liefern nicht-invasive Tests auf gastrointestinale Störungen wie Antikörper-Tests für Zöliakie und Autoimmungastritis, Hämoccult oder Untersuchungen auf Helicobacter pylori wichtige Hinweise“, so Gasche. Auch andere Ursachen für Anämien müssen in Betracht gezogen werden, vor allem zur Differenzierung von anderen mikrozytären Anämien wie Thalassämie oder sideroblastische Anämie, sind weiterführende Untersuchungen notwendig.

Bei Erwachsenen: Endoskopie

Da bei Männern und postmenopausalen Frauen über 50 Jahren gastrointestinale Ursachen im Vordergrund stehen, überweist Gasche diese Personen mit einem Eisenmangel zur Endoskopie; vor allem dann, wenn Tumorerkrankungen in der Familienanamnese genannt wurden oder aus anderen Gründen ein erhöhtes Risiko besteht. „Ein Hämoglobinwert unter zehn g/dl erhöht bei Frauen die Wahrscheinlichkeit für eine Pathologie im Gastrointestinaltrakt, weshalb ebenfalls eine endoskopische Abklärung erfolgen sollte“, mahnt Gasche. Je niedriger das Hämoglobin, umso größer ist das Risiko für eine schwerwiegende, meist aber nicht neoplastische Pathologie.

Welche Form der Eisensubstitution für jemanden gewählt wird, hängt von der zugrundeliegenden Erkrankung ab – sofern diese bekannt ist. „Das anhaltende Ansprechen auf die Therapie ist entscheidend“, verdeutlicht Zoller. Die orale Eisentherapie kann bei milder Anämie eingeleitet werden, wobei die Präparate am besten morgens auf nüchternen Magen mit einem Glas Orangensaft, das als Vitamin C-Lieferant die Resorption steigern kann, eingenommen werden. Die Dosierung erfolgt in Abhängigkeit vom Alter des Patienten, dem Schweregrad des Eisenmangels, der Dauer in der der Mangel behoben werden soll und möglichen Nebenwirkungen. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Eisenresorption verbessert werden kann, wenn die Präparate nur jeden zweiten Tag eingenommen werden.

Immer wieder kommt es im Rahmen der oralen Eisensubstitution zu gastrointestinalen Nebenwirkungen, die eine Umstellung auf eine intravenöse Eisentherapie notwendig machen. Aus diesem Grund müssen die Verträglichkeit und das Ansprechen auf eine orale Eisentherapie kurzfristig kontrolliert werden. Zoller rät diesbezüglich zu einer ersten Kontrolle nach drei Wochen Behandlung. Die Normalisierung des Hämoglobin- Levels kann bis zu drei Monate dauern. Da das Auffüllen der Eisenspeicher aber länger dauert, wird geraten, die Behandlung drei weitere Monate fortzusetzen. Abgesehen von einer Unverträglichkeit der oralen Eisensubstitution ist die parenterale Gabe bei schwerer Anämie, Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder Magenbypass, chronischer Nierenerkrankung oder chronischen Blutungen angezeigt. „Bei der parenteralen Eisengabe reicht unter Umständen eine Infusion, um die Eisenspeicher aufzufüllen. Die Anämie an sich ist deshalb nicht unbedingt weg“, betont Zoller. Die Kontrolle von Ferritin ist bei intravenöser Eisensubstitution nach etwa acht Wochen sinnvoll, ebenso auch weitere regelmäßige Kontrollen, um notfalls eine Erhaltungstherapie zu veranlassen. „Auch wenn sich die Patienten nach einer Substitution oft rasch besser fühlen, gilt es, den funktionellen Erfolg der Behandlung zu überprüfen“, fasst Gasche zusammen. 



© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2018