Standpunkt Vize-Präs. Johannes Steinhart: Zentralismus ist keine Lösung

25.04.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Dass sich die österreichische Gesundheitspolitik mitunter von ausgeprägten Macht- und Kontrollbedürfnissen leiten lässt, das wissen wir Ärztinnen und Ärzte nur allzu gut. Um Macht und Kontrolle geht es wohl auch jetzt wieder einmal: Bei der „Kassenreform“ mit dem erklärten Ziel, die Anzahl der Kassen auf fünf zu verringern.

Natürlich wird wohl kaum jemand bestreiten, dass es im Bereich der Sozialversicherungen Reorganisations-Potenziale ohne Qualitätseinbußen gibt. Doch die geplante „Kassenreform“ hat das Potenzial, die regionale Versorgung, die solidarische Finanzierung und die soziale Medizin zu gefährden. Staatlicher Zentralismus statt Selbstverwaltung kann keine gute Lösung sein.

Wohl nicht zuletzt deshalb gab es bei der „Salzburger Deklaration“ vom 30. April einen Schulterschluss der Landesärztekammern mit den Gebietskrankenkassen – als Reaktion auf ein Reform-Papier, das der Ärzteschaft von Politikern zugespielt wurde. Eine Kernaussage: „Die Gesundheitsversorgung ist regional, muss sich an den Menschen orientieren und daher möglichst wohnortnahe sein … Eine optimale Organisation der Versorgung setzt voraus, dass Probleme im Detail bekannt sind, um flexible, den regionalen Gegebenheiten angepasste Lösungen zu finden.“ Geschieht das nicht oder nicht ausreichend, dann gehen die Angebote der Kassen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, und die müssen auf bestimmte Leistungen ganz verzichten oder auf Angebote der Privatmedizin zurückgreifen.

Zum Beispiel arbeiten Allgemeinmediziner in Sölden, Unterpullendorf und Wien Favoriten in drei unterschiedlichen Welten. Man wird also im Leistungskatalog solche Unterschiede berücksichtigen müssen und Vertragsvarianten benötigen. Das wird in der jeweiligen Region aktiven Vertragspartnern besser gelingen als jemandem in einer fernab gelegenen Zentrale eines staatlich kontrollierten Krankenkassen-Molochs. Diese Zentrale soll klare bundesweite Rahmenvorgaben liefern, und ansonsten möglichst viel der regionalen Selbstorganisation überlassen.

Durch die regionale Präsenz von Gebietskrankenkassen und Landesärztekammern hat sich ein nicht immer friktionsfreies, aber insgesamt bewährtes föderales System mit solidarischer Finanzierung etabliert, das die Bürger und Patienten in den Fokus rückt und das nicht zerstört werden darf. Prinzipiell glaube ich an einen evolutionären Ansatz und an die Selbstorganisation von Systemen, und ganz und gar nicht an „Revolutionen von Oben“ – auch nicht bei der „Kassenreform“.

Dr. Johannes Steinhart
2. Vizepräsident der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2018