Standpunkt Thomas Szekeres: Krise als Chance?

25.11.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Krise als Chance? 

© Stefan Selig

Gut, dass die neue E-Card kommt: Mit Foto zur besseren Identifizierung und damit auch mehr Schutz vor Missbrauch. Vielleicht wird man sie sukzessive mit anderen Funktionen anreichern. Damit ersparen wir uns allerdings weder viel Geld, noch lösen wir drängende Probleme.

Unsere akute Notlage im Gesundheitssystem braucht weder Ideologie, Polemik, Ignoranz oder rassistische Rülpser, sondern gemeinsame Entscheidungen und rasches Handeln. Der Fachkräfte- und Ärztemangel schreit zum Himmel. Auch in den Nachbarländern. Aber der „Markt“ ist leergefegt, Nachwuchs in absehbarer Zeit nicht vorhanden.

Nur mit organisatorischen und politischen Reformen und Gesetzesnovellen wird man dem Grundproblem nicht Herr, sondern lenkt nur ab und entfacht emotionale Nebenschauplätze – siehe nur die jüngste Diskussion um Komplementärmedizin. Bis Ausbildungsoffensiven – zum Beispiel im Pflegebereich – greifen, dauert es Jahre. Bis Medizinstudenten, die heute ihr Studium beginnen, praktizieren können, vergehen zehn Jahre.

Jetzt auch noch auf Wahlärzte hinzuhauen und zu drohen, den Patienten den Kostenanteil nicht mehr zurückzuerstatten, ist kontraproduktiv. Ebenso wie die Krankenkassenzusammenlegung, bei der sich immer stärker herausstellt, dass viele Punkte nicht durchdacht sind. Überhastet angekündigt und scheibchenweise zurückgenommen – wer kennt sich da noch aus? Was jetzt getan werden muss, ist einen Krisenplan zu erstellen: Wie können wir in den nächsten drei Jahren sicherstellen, dass das Niveau der Gesundheitsversorgung nicht absinkt und, dass Patienten zeitgerecht und bestmöglich behandelt werden.

Wie wir auf der In-Fusion 2018 diskutiert haben, wird auch die Digitalisierung nicht alles lösen. Denn damit z. B. Telemedizin funktioniert braucht es Ärzte. Die Kollegen für den Nachtdienst sitzen dann halt kostenhalber in Australien! Wir müssen die Digitalisierung zum Vorteil der Patienten und zur Unterstützung der Ärzte nutzen und nicht wie bisher, um die Verwaltung und Kontrolle zu erleichtern. Was nützen uns Zentren oder Telemedizin, wenn es keine Ärzte dafür gibt?

Wenn wir endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir in der Krise stecken, wird klar, das können wir nur im Verbund mit allen Beteiligten bewältigen: Ärzte, Sozialpartner, Regierung. Sonst kommen wieder nur Streit und Machtkampf heraus. Die nächste Grippewelle ist im Anrollen. Das mag harmlos klingen, aber es reicht derzeit aus um das System zu überfordern.

a.o. Univ.-Prof. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2018