Schul­ärz­tin­nen und Schul­ärzte: Beharr­li­che Whistleblower

15.12.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Dr. Gud­run Weber, Schul­ärzte-Refe­ren­tin der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer, über einen noch nicht zum Leben erweck­ten Para­gra­fen und die Whist­le­b­lower-Funk­tion ihrer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen.
Andrea Rie­del

Vor etwa einem Jahr wurde das Schul­un­ter­richts­ge­setz (SchUG) um einen Para­gra­fen erwei­tert, über den sich Schul­ärzte-Ver­tre­te­rin­nen und ‑ver­tre­ter sehr gefreut haben.
Weber: Ja, denn der §66a räumt der Vor­sor­ge­me­di­zin einen viel höhe­ren Stel­len­wert ein. Viele Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men, die Schul­ärzte auch jetzt schon set­zen, wer­den dadurch auf ein siche­res recht­li­ches Fun­da­ment gestellt. Allen voran Schulimp­fun­gen: Sie sind expli­zit erwähnt, inklu­sive Erhe­bung des Impf­sta­tus, elek­tro­ni­sche Doku­men­ta­tion und Bera­tung. Und schließ­lich ist jetzt auch das Dau­er­thema elek­tro­ni­sche Doku­men­ta­tion der Rei­hen­un­ter­su­chun­gen außer Streit gestellt.

Wer­den die Schul­ärz­tin­nen und ‑ärzte auch in den Roll­out des e‑Impfpasses ein­ge­bun­den?
Das wür­den wir uns wün­schen, aber die Ver­hand­lun­gen dazu lau­fen noch.

Kommt nun auch die ein­heit­li­che Soft­ware zur Doku­men­ta­tion der Rei­hen­un­ter­su­chun­gen, die Sie schon so lange for­dern?

Ja, aller­dings war­ten wir immer noch auf die Ver­ord­nung der Gesund­heits­mi­nis­te­rin, ohne der §66a nicht umge­setzt wer­den kann.

Wann wird das sein? Und wer­den die Daten dann auch aus­ge­wer­tet?

Das Minis­te­rium wollte sich zeit­lich nicht fest­le­gen. Und ja: Die Daten­aus­wer­tung ist das Um und Auf. Wir hät­ten so erst­mals einen vali­den Über­blick über den Gesund­heits­zu­stand der öster­rei­chi­schen Kin­der und Jugend­li­chen. Bis dato sind wir ja mehr oder weni­ger auf Befra­gun­gen wie die HBSC-Stu­die angewiesen.

Ein wun­der Punkt sind auch die Prä­senz­zei­ten von Schul­ärz­ten, die in Lan­des­schu­len deut­lich kür­zer sind als in Bun­des­schu­len.
Eigent­lich beginnt damit die Zwei-Klas­sen-Medi­zin schon im Schul­al­ter. Eine sol­che Ungleich­be­hand­lung dürfte es nicht geben. Aber dar­auf ging die SchUG-Novelle lei­der nicht ein. Und die Län­der sind ein­fach nicht bereit, in die Aus­wei­tung der schul­ärzt­li­chen Betreu­ung „ihrer“ Schu­len zu investieren.

Apro­pos inves­tie­ren: Immer öfter blei­ben Schul­arzt-Stel­len unbe­setzt. Sind die Tarife so unat­trak­tiv?
Ich fürchte ja, aber teil­weise scheint die Poli­tik schon erkannt zu haben, dass man auf uns nicht ver­zich­ten kann. So hat etwa das Land Salz­burg das ärzt­li­che Stun­den­ho­no­rar in Pflicht­schu­len erhöht. Zu Schul­be­ginn konn­ten dann 27 Schul­arzt-Stel­len nach­be­setzt wer­den, inzwi­schen noch­mals sechs und es gibt noch wei­tere Inter­es­sen­ten. Eine sol­che, auch finan­zi­elle, Auf­wer­tung unse­res Beru­fes würde ich mir für ganz Öster­reich wünschen.

Den Schul­ärzte-Diplom­lehr­gang absol­vie­ren trotz­dem jedes Jahr rund 120 Leute.
Ja, das ist wirk­lich toll. Und ich möchte all diese bes­tens aus­ge­bil­de­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ermu­ti­gen: Springt ins kalte Was­ser, denn Schul­ärzte wer­den gebraucht! Wir erfül­len eine ein­zig­ar­tige „Whistleblower“-Funktion. Oft sind wir die Ers­ten, die eine patho­lo­gi­sche Ver­än­de­rung fest­stel­len und den Eltern sagen, dass ihr Kind wei­tere ärzt­li­che Abklä­rung braucht. Und nur wir kön­nen dran­blei­ben und nach­fra­gen, ob das Kind wirk­lich beim nie­der­ge­las­se­nen Kol­le­gen war. Ganz beson­ders wich­tig ist das bei Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit pro­ble­ma­ti­schem fami­liä­rem Hin­ter­grund, von denen viele nie in die Ordi­na­tion eines Kin­der­arz­tes oder Prak­ti­kers gehen wür­den, wenn wir Schul­ärzte nicht so beharr­lich wären.

Die mit „Aktu­el­les aus der ÖÄK“ gekenn­zeich­ne­ten Sei­ten ste­hen unter der redak­tio­nel­len Ver­ant­wor­tung von Michael Hein­rich, Lei­ter der Öffent­lich­keits­ar­beit der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2018