Medizinische Versorgung: Möglichst wohnortnahe 

10.09.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Drei Viertel der Österreicher fühlen sich gesundheitlich sehr gut bis gut. Am liebsten gehen sie zu ihrem Hausarzt und möchten bei chronischer Erkrankung vom gleichen Arzt betreut werden. Die medizinische und medikamentöse Versorgung muss in der unmittelbaren Wohngegend sein. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen IMAS-Studie zum Eindruck der Patientenversorgung in Österreich.

Andrea Janousek

Wie empfinden Österreicher und Österreicher ihren persönlichen Gesundheitszustand, wie oft und in welcher Form gehen sie zum Arzt? Ist ein medizinischer Ansprechpartner in der Wohngegend wichtig und welche Betreuung wünscht sich die österreichische Bevölkerung bei chronischer Krankheit? Diesen Fragen widmete sich die von der Österreichischen Ärztekammer in Auftrag gegebene Studie. Von Mitte Juni bis Anfang Juli 2018 wurden mehr als 1.000 Österreicherinnen und Österreicher ab 16 Jahren in persönlichen Interviews (face-to-face) zum Eindruck der medizinischen Versorgung in Österreich befragt.

16- bis 49-jährige fühlen sich gesundheitlich wohl

Gesundheit hat für Österreicherinnen und Österreicher einen sehr hohen Stellenwert. Drei Viertel der Befragten ab 16 Jahren geben an, einen sehr guten bis guten Gesundheitszustand zu haben. Je jünger die Personen, desto besser ist die wahrgenommene Gesundheit. Menschen mit höherer Bildung fühlen sich gesünder. Dieser Trend ist seit 2008 kontinuierlich angestiegen. „Es ist anzunehmen, dass bei höherer Bildung das Bewusstsein, für die eigene Gesundheit etwas tun zu wollen, stärker vorhanden ist“, erklärt Studienautor Paul Eiselsberg vom Linzer Meinungsforschungsinstitut IMAS International.

Bedarf an sozialgerechter Gesundheitsversorgung steigt

Unsere Gesellschaft wird älter: Bevölkerungsprognosen der Statistik Austria schätzen, dass im Jahr 2030 fast ein Viertel der österreichischen Bevölkerung 65 Jahre und älter sein wird. Auch chronische Erkrankungen nehmen zu. Wo die Gesundheitsversorgung, die diesem berechenbaren Phänomen gerecht werden soll, künftig stattfindet, ist noch unklar. Denn die Situation in Österreichs Spitälern ist schon jetzt nicht rosig. „Der Alltag in Spitalsambulanzen ist durch Überlastung, Arbeitsverdichtung, Bürokratie und berufsfremde Aufgaben sehr angespannt. Darauf weisen wir seit Jahren nachdrücklich hin“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Die Gründe für die Arbeitsverdichtung in den Spitälern ortet Mayer auch im Andrang auf die Ambulanzen. „Selbstzuweisungen von Patienten mit relativ harmlosen Schnittwunden, Hustenreiz oder leichter Übelkeit sind stark angestiegen. Jeder Patient der in die Ambulanz kommt, wird behandelt, aber wir müssen uns wieder mehr auf die Kernaufgaben der Spitalsambulanzen konzentrieren dürfen.“ Das System müsse aufhören dagegen zu arbeiten. „Wir können die großen Herausforderungen, denen wir uns künftig stellen müssen, nur gemeinsam im Sinne der Patientinnen und Patienten lösen,“ so Mayer.

Die zentralen Aufgaben der Anstaltsambulatorien sind im § 26 des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) geregelt, darunter – verkürzt dargestellt – die Leistung Erster ärztlicher Hilfe als lebensrettende Maßnahme, Behandlung nach Erster ärztlicher Hilfe oder in Fortsetzung einer in der Krankenanstalt erfolgten Pflege, wenn geeignete Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten oder in geeigneter Weise zur Verfügung stehen. Oder über ärztliche Zuweisung.

Ausbau des niedergelassenen Bereiches erforderlich

Um die Arbeitsverdichtung in den Spitälern in den Griff zu bekommen sieht der Vizepräsident die Politik in der Pflicht: „Um die Gesundheitsversorgung künftig nicht zu gefährden, muss die Politik den versprochenen Ausbau des niedergelassenen Bereiches endlich umsetzen. In Zukunft brauchen wir neue Formen der ärztlichen Zusammenarbeit.“ Das könne nur gelingen, wenn, wie von der Ärztekammer seit langem gefordert, die Ambulanzen und der niedergelassene Bereich aus einer Hand finanziert werden. „Für die Patienten bedeutet das auch mehr Qualität, wenn sie nicht mehr den Weg vom niedergelassenen Arzt zur Spitalsambulanz und retour auf sich nehmen müssen“, so Mayer. Zudem seien mehr Information und Aufklärung über strukturierte Versorgungswege, um Patienten am geeignetsten Ort behandeln zu können, notwendig.

Medizinische Versorgung soll wohnortnahe sein

Das der Besuch beim niedergelassenen Arzt von großer Bedeutung für das Empfinden einer sicheren Gesundheitsversorgung ist, zeigen auch die folgenden Ergebnisse:

Die österreichische Bevölkerung will eine kontinuierliche, niederschwellige wohnortnahe medizinische Betreuung. Hausärzte und die wohnortnahe Medikamentenversorgung gelten als besonders wichtig für die Gesundheitsversorgung. Der Facharzt und das Krankenhaus in der unmittelbaren Umgebung spielen für die Hälfte der Befragten eine große Rolle. Zudem möchten 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im Falle einer chronischen Erkrankung vom gleichen Arzt betreut werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen und –mediziner zu immer wichtigeren Ansprechpersonen auch für ihre Fachkollegen werden. „Vielfach ist eine Abklärung und Einleitung einer Therapie durch den Facharzt notwendig. Die Sicherstellung der Therapietreue, die Zusammenschau aller Befunde, der Abgleich mit anderen Behandlungen, das sind Aufgaben, die nur jener Arzt erfüllen kann, der den Patienten und sein soziales Umfeld als Ganzes kennt und damit den Überblick hat“, erklärt Mayer abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2018