Kommentar: RoboDoc – der bessere Arzt?

25.05.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK

Von Michael Heinrich*

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Digitalisierung wird vieles besser und schneller machen; sie wird auch zu maßgeblichen Veränderungen des Berufsbildes „Arzt“ führen; aber eines kann sie nicht: das persönliche Gespräch, die körperliche Untersuchung, die Kenntnisse des psychosozialen Umfeldes des Patienten ersetzen. Nicht umsonst steckt im Wort Behandlung die „Hand“.

Dennoch erzählen uns Zukunftsforscher und Berater, dass sowohl der Arzt als auch der Apotheker zu den 5 gefährdetsten Berufen der Zukunft zählen. Beispiel Telemedizin: ursprünglich ein Segen für menschenarme Regionen von Skandinavien bis Australien und für Soldaten im Kriegseinsatz gedacht, macht man nun aus der Not eine Tugend. Telemedizin ist auch in dicht besiedelten Gebieten auf dem Vormarsch. In der Schweiz kann man durch seine Krankenversicherung sogar verpflichtet werden, zuerst bei der Telemedizin vorstellig zu werden, – also eine Verpflichtung zur Fernbehandlung durch Ärzte, die vielleicht meine Akte, aber nicht mich kennen. In Deutschland ist das Fernbehandlungsverbot in Baden-Württemberg mit vorsichtiger Zustimmung der Ärztekammer – „aber nur für dieses Pilotprojekt…“ – bereits aufgeweicht, und der Druck durch die Anbieter wächst bundesweit.

Die Österreichische Ärztekammer hat dazu klar Stellung bezogen!

„Die Österreichische Ärzteschaft setzt sich derzeit intensiv mit den Themen der Digitalisierung und vor allem der Telemedizin auseinander. Eine reine Fernbehandlung schließt das Gesetz aus, und das ist gut so, da nur in einem persönlichen Gespräch der Arzt mit allen 5 Sinnen und der Erfahrung als „6. Sinn“ arbeiten kann. Das persönliche Gespräch und die körperliche Untersuchung sind daher unersetzlich. Die Möglichkeiten der Telemedizin müssen den Prozess Arzt – Patient unterstützen und dürfen ihn keinesfalls ersetzen wollen. Das Fernbehandlungsverbot ist im Ärztegesetz verankert, das den Arzt zur unmittelbaren Berufsausübung verpflichtet. Ausnahmen sind sehr genau definiert.“ Selbstverständlich wird es sinnvoll sein, chronisch kranke Menschen – wie zum Beispiel Diabetiker – mit digitalem Monitoring und Online-Gesprächen zu unterstützen. Aber in diesen Fällen ist der Patient und sein bio-psychosoziales Umfeld den Ärztinnen und Ärzten vertraut. Solche Pilotversuche laufen und werden selbstverständlich als Zusatzleistung auch honoriert. Auf den Punkt gebracht: digitale Unterstützung ja, Fernbehandlung nein.

Die Phantasie der e-Health Anbieter scheint grenzenlos zu sein. Künstliche Intelligenz, Deep Learning, Big Data, Quantencomputer, Robotik und Co. sollen die Probleme einer stark wachsenden Weltbevölkerung mit zu wenigen Ärzten lösen.

Stimmt, das geht sich nicht mehr lange aus. Aber wer bestimmt die Regeln? Hier dürfen wir die multinationalen IT-Giganten nicht alleine lassen. Und wir dürfen auch die Menschen in unserem Land nicht alleine lassen: Wir raten einerseits zu einem Ausstieg aus ELGA, und gleichzeitig senden die Menschen ganz freiwillig ihre Herzfrequenz, Schlafgewohnheiten und ihren Fitness- Status an Google & Co.? Gesundheitsdaten sind die kostbarsten am globalen Markt.

Österreich ist mit seiner medizinischen, ethischen und kulturellen Tradition ein guter Platz, diese Diskussion anzustoßen und zu führen. Ende Oktober dieses Jahres planen wir in enger Kooperation mit dem AK Telemedizin und der ÖÄZ eine Auftakt- Veranstaltung mit dem Arbeitstitel: „Chancen und Risiken der Heilkunst im digitalen Wandel“. Dabei soll es aber nicht nur um Details der Medizin 5.0 (oder haben wir schon 6.0…?) gehen, sondern vor allem darum, wie die Ärzteschaft mit dieser Herausforderung umgeht. Ärzte sind nämlich meines Wissens immer noch Version 1.0!

Führende Experten auf ihrem Gebiet haben schon zugesagt. Von IBMs Watson über den führenden Schweizer „Telemediziner“ bis hin zum Philosophen Konrad Paul Liessmann. Sie werden Impulse geben und mit Ärztinnen und Ärzten diskutieren. Da wir gerne eine bundesweite Diskussion führen wollen, werden wir diese Abendveranstaltung in einem Live Stream übertragen – und wir laden Sie zum digitalen Mitdiskutieren ein. Weitere Details demnächst in Ihrer ÖÄZ.

*) Michael Heinrich
ist Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der ÖÄK


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2018