KA-AZG – What’s Up, Doc?

25.04.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Novellierung des Krankenanstalten- Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) brachte nicht nur die von der EU geforderte Verkürzung der Arbeitszeit, sondern auch viele Veränderungen in den Organisationsmodellen mit sich. Ein Stimmungsbild über die aktuelle Situation in Österreichs Spitälern.
Bosko Skoko

Das vor drei Jahren novellierte KA-AZG (siehe Kasten) wird sowohl von der Politik als auch der Ärzteschaft als wichtiger Schritt gewertet. Zu viele Nachtdienste, die physische und psychische Belastung vieler Ärzte sowie die damit einhergehende mangelnde Gewährleistung der Patientensicherheit hatten zu einem enormen Druck geführt, der durch die neuen Regelungen abgefedert werden konnte. Gleichzeitig brachte die Kürzung der Arbeitszeit eine noch stärkere Arbeitsverdichtung mit sich. Dazu Harald Mayer, Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte: „Wir bekommen von unseren Kollegen das Feedback, dass sich seit der Gesetzesnovelle sehr viel zum Positiven gewandelt hat. Es kann aber nicht angehen, dass Arbeitgeber sich jetzt hinter der viel zu spät umgesetzten Arbeitszeitrichtlinie verschanzen und sie als Ausrede dafür benutzen, dass es zu wenig Personal gibt.“ Die Übergangsbestimmungen bis 2021, die es der Spitalsärzteschaft erlauben, mehr als die gesetzlich vorgesehenen 48 Stunden zu arbeiten, müssten nur sinnvoll genutzt werden. Wo das nicht möglich sei, müsse man über neue Organisationsmodelle nachdenken, so Mayer.

Wiener Umfrage zeigt Lücken auf

Das KA-AZG sowie die seitdem immer wieder auftretenden Mängel in der Patientenversorgung sorgen sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten für Unmut. Das ist das Ergebnis einer von der Wiener Ärztekammer in Auftrag gegebenen Umfrage unter knapp 1500 Vertretern der Ärzteschaft. Die Ärztekammer wollte wissen, wie ihre Mitglieder die Situation seit den Spitalsärztedemonstrationen von 2016 einschätzen, ob mittlerweile die gesetzlichen Arbeitsbestimmungen eingehalten werden und wie es um die Qualität der Ausbildung in den Spitälern steht. Das Ergebnis der Umfrage zeigt eklatante Lücken in der Personalausstattung der Spitalsträger, insbesondere im KAV, auf. Die Ärztekammer fordert daher die rasche Aufstockung des ärztlichen Personals. Organisationskultur und Mitarbeiterführung in den Spitälern zeigen nach wie vor große Schwächen auf. Bereits zugesagte Reformen werden zu langsam umgesetzt.

Salzburger Situationsbericht

Eine weitere Studie der Salzburger Ärztekammer befasst sich mit der aktuellen Situation der Salzburger Spitalsärzte und zeigt, dass aktuell beinahe 60 Prozent der Befragten mehr als 48 Wochenstunden arbeiten. Zwei Drittel versehen drei bis fünf Nachtdienste pro Monat. 50 Prozent der angestellten Ärzte nutzen das Opt-Out und können somit länger als 48 Wochenstunden zum Dienst eingeteilt werden. Als Grund, sich für das Opt-Out zu entscheiden, gaben vor allem die über 50-Jährigen organisatorische Gründe an, damit zum Beispiel Diensträder aufrechterhalten werden können. Mehr als zwei Drittel der Spitalsärzte haben sich laut Studie allerdings bereits entschieden, über 2021 hinaus nicht länger als 48 Wochenstunden zu arbeiten.

Flexible Arbeitszeitmodelle gefordert

Kurienobmann Mayer fasst die Studien und ähnliche Situationsberichte aus anderen Bundesländern zusammen: „Insgesamt zeigt das aktuelle Stimmungsbild, dass Spitalsträger bessere Arbeitsbedingungen bieten müssen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Unterm Strich muss der Arbeitsplatz Krankenhaus wieder attraktiver werden.“ Dazu zählen laut Mayer eine hohe Ausbildungsqualität, die Zuzug von Jungärzten garantiere, sowie eine Umsetzung der Lehrpraxis laut Ausbildungsordnung. Darüber hinaus gehe es um flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Sicherstellung der Kinderbetreuung. Auch die individuellen Lebensphasen und die damit verknüpften spezifischen Bedürfnisse der Spitalsärzteschaft sind zu berücksichtigen. Dazu Mayer: „Ein junger Turnusarzt hat andere Ansprüche und Erwartungen an seinen Beruf als ein über 50-jähriger Oberarzt.“ Entscheidend werde sein, dass verschiedene Arbeitszeitmodelle geschaffen würden, zwischen denen die Ärzteschaft frei wählen könne.

Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz

Im Herbst 2014 wurde auf Druck der EU-Kommission und um einem Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, eine weitere Novelle des Krankenanstalten- Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) beschlossen. Ziel des Gesetzes ist die Schaffung einheitlicher und praktikabler Arbeitszeitregelungen für alle Krankenanstalten und damit die Festlegung gesetzlicher Höchstarbeitszeitgrenzen. Die geltenden Arbeitszeithöchstgrenzen und Pflichtruhezeiten dienen nicht nur der Verhinderung einer übermäßigen Beanspruchung der Dienstnehmer von Krankenanstalten, sondern auch der Patientensicherheit. Die Novelle trat mit Jahresbeginn 2015 in Kraft, bis 30.06.2021 geltende Übergangsregelungen federn die Umstellung ab.

Der österreichische Gesetzgeber könnte zwar auf nationaler Ebene das KA-AZG ändern, nicht jedoch die Grundregeln des EU-Arbeitszeitrechtes. Die EUArbeitszeitrichtlinie sieht ausdrücklich vor, dass eine individuelle Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich ist, damit über 48 Stunden hinaus gearbeitet werden kann (Art. 22 EU-Arbeitszeitrichtlinie).

Was ist das Opt-out?

Das ist die individuelle Zustimmung des Spitalsarztes grundsätzlich über 48 Stunden hinaus im Wochenschnitt arbeiten zu können. Die Zustimmung des Einzelnen ist aber nur eine der notwendigen Bedingungen für ein Arbeiten über 48 Stunden im Wochenschnitt hinaus. Die zweite Bedingung ist eine für das jeweilige Krankenhaus abzuschließende Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung im Einvernehmen mit dem Ärztevertreter.

Durchschnittliche Wochenarbeitszeit:

> Mit Betriebsvereinbarung und individueller Opt-out-Erklärung
• 60 Stunden bis 31.12.2017
• 55 Stunden von 01.01.2018 bis 30.06.2021
• 48 Stunden ab 01.07.2021

> Ohne Opt-out-Erklärung
• 48 Stunden seit 01.01.2015

Verlängerte Dienste (Nachtdienste):

> Mit Betriebsvereinbarung
• 32 bzw. 49 Stunden bis 31.12.2017
• Generell 29 Stunden von 01.01.2018 bis 31.12.2020
• Generell 25 Stunden ab 2021

> Ohne Betriebsvereinbarung
• Verlängerte Dienste nicht zulässig.


KOMMENTAR

Work-Life-Balance & Arbeitsverdichtung

Von Karlheinz Kornhäusl*

Gerade der jungen Generation an Ärztinnen und Ärzten sind familienfreundliche Arbeitsbedingungen und eine gesunde Work-Life-Balance wichtig. Aus der Sicht der Bundeskurie Angestellte Ärzte müssen wir dafür an mehreren Schrauben drehen:

• Die Einführung des KA-AZG und die damit einhergehende Arbeitsverdichtung macht es notwendig, ein erfolgreiches Zeitmanagement zu etablieren. Dazu zählt unter anderem die Möglichkeit, Ruhezeiten einhalten zu können und zum Beispiel klare Regelungen für die Abgabe des Diensttelefons zu finden.

• Gerade jungen Ärztinnen und Ärzten sollte mehr Zeit für eine ausbildungsrelevante theoretische Wissenserweiterung in Form von Fortbildungen auch während der Normalarbeitszeit ermöglicht werden.

• Flexible Dienstzeitmodelle (z.B. Gleitzeit mit einem akkordierten Arbeitsbeginn um 8.30/9.00 Uhr oder erst nachmittags mit einer Kernarbeitszeit) sind zu finden.

• Teilzeit sollte bereits ab dem Ausbildungsbeginn in einem vom Mitarbeiter gewünschten Stundenausmaß möglich sein. Für andere sollte es die Chance einer immer fixen Dienstplanung geben.

• Um eine geregelte Kinderbetreuung garantieren zu können, sollte es künftig keine Überstundenverpflichtung mehr geben. Dienstverträge sollten während der Schwangerschaft bzw. während des Mutterschutzes nicht auslaufen dürfen.

• Es wird ein Ausbau der Betriebskindergärten sowie eines Nanny-Supports für Nachtdienste gefordert. Während der Ferienzeit sollte es eine eigene Betreuung geben.

• Kolleginnen und Kollegen mit Kindern darf durch ihre Elternrolle kein Nachteil erwachsen.

• Der wahrscheinlich wichtigste Punkt: Wir müssen den Arztberuf wieder attraktiv machen und unseren Kolleginnen und Kollegen die nötige Wertschätzung entgegenbringen, den sie durch ihren täglichen Einsatz auch verdienen.

*) Dr. Karlheinz Kornhäusl
ist Turnusärzte-Vertreter


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2018