Interview Johannes Steinhart: Was Ärztevertreter beschäftigt

15.07.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, über aktuelle und bevorstehende Herausforderungen in der ärztlichen Standespolitik.

Welche standespolitischen Themen werden Sie durch den Sommer begleiten? Für mich ist derzeit die Kassenreform das prioritäre Thema, weil damit die Weichen für die Zukunft des niedergelassenen kassenärztlichen Bereichs gestellt werden. Unter anderem ist wesentlich, dass auch in Zukunft regionale Versorgungsgegebenheiten ausreichend berücksichtigt werden.

Welche Erwartungen haben Sie sonst noch in die Kassenreform? Dass möglichst bald mehr Klarheit besteht. Derzeit wissen wir, dass aus neun GKK die Österreichische Gesundheitskasse entstehen soll, dass die Versicherung der gewerblichen Wirtschaft und der Bauern ebenso fusionieren soll wie die der Eisenbahner und der Beamten. Die PVA soll bestehen bleiben, die Zukunft der AUVA und der VA Notariat ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Man wüsste gerne, welche Kasse in welcher Kasse aufgehen wird. Hier wünsche ich mir, dass die jeweils kleinere in die jeweils größere Kasse fusioniert. Für Kassenärzte und -ärztinnen bringt es zweifellos administrative Vorteile, dass wir dann mit weniger Kassen abrechnen müssen.

Und die finanzielle Seite?
Jede Harmonisierung der Honorare muss natürlich von einer Aufwärtsbewegung gekennzeichnet sein, die Anpassung muss stets nach oben erfolgen. Nur so kann man den kassenärztlichen Bereich aufwerten. Eine Anpassung nach unten wäre ja ein Bekenntnis zu einer Mangelversorgung, das verträgt unser Gesundheitssystem nicht. Die Euro-Milliarde, die durch die Kassenreform frei werden soll, muss natürlich in den Ausbau des niedergelassenen ärztlichen Bereichs investiert werden.

Was erwarten Sie vom Gesamtvertrag zu den Primärversorgungseinheiten? Der wird gegenwärtig verhandelt. Primärversorgungseinheiten sind nicht billig, da muss frisches Geld ins System. Aber für konkrete Rechenbeispiele ist es noch zu früh.

Und wie sieht die Zukunft der ELGA aus? Hier muss man bei der Begrifflichkeit sehr präzise sein. Die Befund-ELGA muss neu aufgesetzt werden, sie ist aus mehreren Gründen unbrauchbar. Von e-Medikation hingegen, der im Jänner beschlossenen ersten ELGA-Anwendung, erwarten wir uns mehr Sicherheit für Versicherte und einfachere Prozesse für Ärzte. Wir bekommen damit auf Knopfdruck einen Überblick über die verschriebenen und abgegebenen Medikamente eines Patienten. Das erspart uns wertvolle Zeit in der Anamnese. Und das Elektronische Kommunikation Service, kurz e-KOS, unterstützt die elektronische Erfassung, Übermittlung und Bearbeitung von Überweisungen, Zuweisungen und Verordnungen, es bildet die derzeitigen Papierprozesse elektronisch ab. Es ist jetzt gesichert, dass wir Ärzte bei Erfüllung der Kriterien für die Integration von e-Medikation und e-KOS sowohl eine Anschubfinanzierung als auch laufende Zuschüsse für die Wartungskosten erhalten. Diese Prozesse müssen wir im Auge behalten und begleiten.

Ein Krisenthema ist noch das Hausarztsterben und der ausbleibende Nachwuchs in der Allgemeinmedizin.
Das ist natürlich primär ein Thema der Gesundheits- und Bildungspolitik, die hier seit vielen Jahren gefordert wäre. Im Sinne der Versorgung und der Zukunft der Ärzteschaft weist die Ärztekammer konsequent auf diese Defizite hin, und wir engagieren uns für bessere Rahmenbedingungen für Allgemeinmediziner. Die Themenpalette reicht hier von den Studieninhalten bis hin zur Landarztpraxis. Mit der jetzigen Regierung ist es endlich gelungen, die Finanzierung der Lehrpraxis zu sichern, und es wurde dankenswerterweise das schändliche Mystery-Shopping wieder abgestellt, das den engagiertesten Jungmediziner davon abhalten könnte, Kassenarzt zu werden. Das kann aber nicht alles gewesen sein. Gegenwärtig erarbeiten wir ein umfängliches Hausarzt-Paket, das wir im zweiten Halbjahr vorstellen werden. Sie sehen, es gibt auch im Sommer viel zu tun.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2018