Imp­fen: Gret­chen­frage Impfen?

10.11.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Dr. Rudolf Schmitz­ber­ger, Lei­ter des ÖÄK-Impf­re­fe­rats, zum Pro­blem unge­nü­gen­der Durch­imp­fungs­ra­ten im Gesund­heits­be­reich.
Andrea Riedel

Herr Dr. Schmitz­ber­ger, Sie füh­ren eine Kas­sen­pra­xis für Kin­der­heil­kunde, Sie sind stan­des­po­li­tisch aktiv – wann hat­ten Sie zuletzt Zeit, Ihren Impf­sta­tus zu kon­trol­lie­ren? Das ist für mich als Arzt keine Zeit‑, son­dern eine Prin­zipfrage. Ein auf­rech­ter Impf­schutz ist selbstverständlich. 

Trotz­dem fin­den impf­skep­ti­sche Ärzte eine mediale Bühne – Ein­zel­phä­no­men oder Spitze des Eis­bergs? Es gibt nur ganz wenige echte Impf­geg­ner unter Ärz­ten, wie auch in der Gesell­schaft gene­rell. Aber gerade weil sol­che Ärzte so klar das Lege-artis- Prin­zip ver­let­zen, sind sie für Medien ein „Fres­sen“: Das Unge­wöhn­li­che bringt die Quote. 

Wie kann es sein, dass im Vor­jahr 19 Pro­zent der Masern­fälle im Gesund­heits­per­so­nal auf­tra­ten? Das Pro­blem ist viel­schich­tig. Daher befasst sich die ÖÄK seit Jah­res­be­ginn gemein­sam mit der Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Vak­zi­no­lo­gie unter Füh­rung von Prof. Wie­der­mann-Schmidt und der Öster­rei­chi­schen Apo­the­ker­kam­mer inten­siv mit Impf­hin­der­nis­sen und Lösungs­vor­schlä­gen, die wir in einem Memo­ran­dum zusam­men­ge­fasst haben. 

Was haben Sie zur Impf­mü­dig­keit von „Health Care Workers“ her­aus­ge­fun­den? Meist hal­ten banale Gründe diese Gruppe, die es zwei­fel­los bes­ser wis­sen müsste, vom Imp­fen ab. Zu ent­schul­di­gen ist das nicht: Alle, die mit vul­ner­ablen Per­so­nen zu tun haben, aber auch Päd­ago­gen, sind ethisch-mora­lisch ver­pflich­tet, nicht zur Gefahr für die Men­schen zu wer­den, die sich ihnen anver­trauen oder anver­traut wer­den. Hier schließt sich die ÖÄK ohne Wenn und Aber der Hal­tung der Bio­ethik­kom­mis­sion an. 

Wel­che „bana­len“ Gründe sind das? Oft fehlt’s im All­tag ein­fach an Zeit. Mit mehr Impf-Anlauf­stel­len könn­ten wir gene­rell mehr Leute errei­chen, nicht nur die im Gesund­heits­we­sen Täti­gen. Daher for­dert die Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte schon seit Lan­gem, dass alle zur selbst­stän­di­gen Berufs­aus­übung berech­tig­ten Ärzte imp­fen dür­fen. Es wäre abso­lut sinn­voll, wenn alle Schul- und Betriebs­ärzte einen gene­rel­len Impf­auf­trag hät­ten oder dass etwa Eltern, die ihre Kin­der beim Kin­der­arzt imp­fen las­sen, dort auch gleich selbst geimpft wer­den könnten. 

Was bräuchte es noch? Wir müs­sen die Kol­le­gen an ihre Eigen­ver­ant­wor­tung erin­nern und an ihre Vor­bild­funk­tion: Letzt­lich steht die Ver­trau­ens­wür­dig­keit gegen­über den Pati­en­ten auf dem Spiel. Kon­kret wird abzu­wä­gen sein zwi­schen einem ver­pflich­tend nach­zu­wei­sen­den kon­ti­nu­ier­li­chen Impf­schutz mit oder ohne Opt-out-Rege­lung und „sof­te­ren“ Lösun­gen wie etwa das rou­ti­ne­mä­ßige Anbie­ten von Impf­pass-Kon­trol­len und kos­ten­lo­sen Imp­fun­gen in medi­zi­ni­schen Ein­rich­tun­gen. Und es braucht ver­bind­li­che, bun­des­weit ein­heit­li­che Impf­re­geln. Viele Spi­tä­ler haben sehr gute, aber völ­lig unter­schied­li­che Vorgaben. 

Abschlie­ßend noch eine Frage zur anlau­fen­den Influ­enza- Sai­son: Wie argu­men­tie­ren Sie pro Imp­fung, wo doch die Schutz­wir­kung des jewei­li­gen Serums kaum vor­her­seh­bar ist? Auch hier ist die Ant­wort im Grunde ganz klar und ganz sim­pel: Die Imp­fung ist immer ein Vor­teil. Selbst wenn man als Geimpf­ter an Influ­enza erkrankt, ist der Ver­lauf mil­der und kür­zer. Es gibt weni­ger Kom­pli­ka­tio­nen und das Risiko einer Hos­pi­ta­li­sie­rung ist deut­lich gerin­ger. Das gilt auch für Immun­sup­p­ri­mierte oder Men­schen mit geschwäch­tem Immun­sys­tem, für die es einen Tot­impf­stoff gibt. Und Eltern soll­ten beden­ken: Auch wenn Todes­fälle bei Kin­dern mit nach­ge­wie­se­ner Influ­enza gene­rell eher sel­ten sind, so star­ben daran letzte Sai­son doch mehr Kin­der als an eit­ri­ger Menin­gi­tis, Meningo- und Pneu­mo­kok­ken zusammen. 

aerztekammer.at > Ärz­tIn­nen >
Infor­ma­tio­nen für Ärz­tIn­nen > Imp­fen
• Memo­ran­dum 2018 der Initia­tive gegen Impf­hin­der­nisse in Öster­reich
• Emp­feh­lung Influ­enza-Imp­fung Sai­son 2018/​2019 des Natio­na­len Impf­gre­mi­ums Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Vak­zi­no­lo­gie > www.oegvak.at

Die mit „Aktu­el­les aus der ÖÄK“ gekenn­zeich­ne­ten Sei­ten ste­hen unter der redak­tio­nel­len Ver­ant­wor­tung von Michael Hein­rich, Lei­ter der Öffent­lich­keits­ar­beit der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2018