BKNÄ Kassenmedizin: Viel Luft nach Oben

15.08.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Im niedergelassenen kassenärztlichen Bereich hat sich in den vergangenen Monaten viel getan und Vieles ist noch offen. Derzeit soll ein umfangreiches Hausarztpaket geschnürt werden, Verbesserungen bei den niedergelassenen Fachärzten werden verhandelt und auch die Wahlärzte werden im Fokus behalten.
Michael Heinrich

Wir haben viel erreicht, das wird aber mit Sicherheit nicht alles gewesen sein“, sagt Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer. Steinhart ruft einige wichtige Optimierungen des vergangenen halben Jahres in Erinnerung. Gemeinsam mit Gesundheitsministerin Mag. Hartinger-Klein und Hauptverbandschef Dr. Biach ist es nach jahrelangen Verhandlungen mit deren Vorgängern endlich möglich gewesen, die Finanzierung der Lehrpraxis sicherzustellen.

Als weitere positive Entwicklungen nennt Steinhart die e-Medikation – nicht zu verwechseln mit der noch immer nicht ausgereiften Befund-ELGA: „Von der e-Medikation versprechen wir uns mehr Sicherheit für die Patienten und einfachere Abläufe für uns Ärzte. Wir bekommen per Knopfdruck übersichtliche Informationen über die verschriebenen und abgegebenen Medikamente eines Patienten.“ Das ab Herbst dieses Jahres beginnende Projekt e-KOS unterstützt die Erfassung, Übermittlung und Bearbeitung von Überweisungen, Zuweisungen und Verordnungen auf elektronischem Weg. Steinhart: „Erfreulich und ein großer Erfolg ist hier, dass es endlich eine Kostenbeteiligung durch die öffentliche Hand gibt.“

Als nächster Schritt sollte im Sinne des Bürokratieabbaus die Abschaffung des unnötigen und zeitraubenden Arzneimittelbewilligungssystems (ABS) folgen und die Zusage der Ministerin, „das unzumutbare Mystery Shopping endlich abzuschaffen“ festgeschrieben werden. Nicht zuletzt gab es Fortschritte bei der Anstellung von Ärzten bei Ärzten. „Unser Ziel ist nicht nur mehr Rechtssicherheit bei Vertretungen, sondern auch eine breite Palette von flexiblen Kooperationsmöglichkeiten von Ärzten mit Ärzten, die eine Abstimmung auf die individuellen beruflichen Vorstellungen erleichtert.“ In Wien wird künftig unter anderem die Vertretung des Jobsharing-Partners ermöglicht und dieser kann auch eine Wahlärzteordination an einem anderen Standort betreiben. Auch die Regelungen für Ordinationszeiten und Vertretungen in Gruppenpraxen wurden liberalisiert, die bisher geforderte „tunlichst gegenseitige Vertretung“ wurde gestrichen. Trotz solcher erfreulichen Fortschritte, so Steinhart, gebe es noch viel zu tun, schließlich sei der niedergelassene ärztliche Bereich über viele Jahre von der Politik ausgetrocknet worden. Ein Ziel ist, dass die Allgemeinmediziner-Honorare gegenüber den Fachärzten flächendeckend aufschließen. Eine weitere Forderung der Ärztekammer ist ein deutliches Plus bei der Anzahl der Kassenarztpraxen: „Wir brauchen österreichweit etwa 1.400 zusätzliche Kassenarztpraxen, damit die Spitäler wirksam entlastet werden können.“

Die Ärztekammer werde außerdem Ärzte in ländlichen Regionen massiv dabei unterstützen, ihre Hausapotheken zu behalten. Steinhart: „Das ist nicht nur wichtig für die Arzneimittelversorgung in entlegenen Gegenden, sondern auch unverzichtbarer Einkommensbestandteil für viele Landärzte, die ihr Geld oft unter sehr schwierigen Bedingungen verdienen.“ Auch bei den Fachärzten geht es darum, deren berufliche Situation durch geeignete Maßnahmen zu optimieren. „In der Politik war in den vergangenen Jahren sehr viel von der Primärversorgung die Rede, die Sekundärversorgung wurde vernachlässigt“, sagt Steinhart. „Diese Strukturen müssen konsequent gestärkt werden, um eine echte Auslagerung von Spitalsleistung in den niedergelassenen Bereich zu ermöglichen.“

Und schließlich müsse die Situation der Wahlärzte im Auge behalten werden. Steinhart: „In den letzten Jahren wurde in der Politik mehrfach laut über einer Streichung der Refundierung und sogar eine Abschaffung der Wahlärzte nachgedacht. Das würde die Ärztevertretung nicht einfach hinnehmen.“ Die durch die Kassenreform freiwerdende Euro-Milliarde soll Optimierungen finanzieren. Steinhart: „Diese Milliarde muss natürlich in den Ausbau des niedergelassenen ärztlichen Bereichs investiert werden.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2018