BKNÄ: Einiges erreicht, einiges noch offen 

25.06.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Licht und Schatten sieht der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart in der ersten Halbjahresbilanz der Bundesregierung. So konnte zwar einiges erreicht werden, allerdings besteht noch Handlungsbedarf.

Herr Vizepräsident Steinhart, die österreichische Bundesregierung ist jetzt rund ein halbes Jahr im Amt, wie zufrieden sind Sie als Ärztevertreter mit dieser Regierung? Es wurde gemeinsam einiges erreicht, langjährige Konzepte und Forderungen der Ärztevertretung konnten umgesetzt werden, und es herrscht ein insgesamt positives und konstruktives Gesprächsklima. Das ist eine sehr erfreuliche Zwischenbilanz. In manchen Perioden der Vergangenheit konnte man sich so etwas kaum vorstellen.

Welche dieser gemeinsamen Erfolge sind aus Ihrer Sicht besonders bedeutsam?
Es gibt Beispiele für das Durchsetzen von positiven Konzepten, und es gibt Beispiele für das Abwenden von Negativem. Fangen wir mit Ersterem an, zum Beispiel mit der Ausbildungsreform. Da ist es nach langjährigen fruchtlosen Verhandlungen mit Vorgängerregierungen endlich gelungen, gemeinsam mit Gesundheitsministerin Mag. Hartinger und Hauptverband-Chef Dr. Biach die Finanzierung der Lehrpraxis durchzusetzen. Das ist Durchbruch bei der Ärzteausbildung und ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ein weiteres Beispiel ist ELGA. Aber da ist die Bilanz durchwachsen, weil das Thema ELGA als Problemzone insgesamt noch immer nicht vom Tisch ist.
Das gilt aber nur für die Befund- ELGA. Es stimmt, dass es für die Befund-ELGA noch immer keine brauchbare Lösung gibt. Zum Beispiel ist die Usability ein Konzept aus dem Mesozoikum der E-Medizin und völlig unbrauchbar, Fragen der Befundvollständigkeit und der Haftung sind zu klären, etc. Bundesministerin Mag. Hartinger hat das erkannt und die völlige Überarbeitung der Befund-ELGA zugesichert. Das ist ein gelungenes Beispiel für das Verhindern von Fehlentwicklungen. Hier erwarten wir letztlich eine gute Lösung …

…die es bei der E-Medikation bereits gibt.
Genau. Denn ELGA ist nicht gleich ELGA. Von e-Medikation, der erste ELGA-Anwendung, erwarten wir uns ein Plus an Sicherheit für Versicherte und einfachere Prozesse für uns Ärztinnen und Ärzte. Wir bekommen damit auf Knopfdruck einen Überblick über die verschriebenen und abgegebenen Medikamente eines Patienten und ersparen uns damit wertvolle Zeit in der Anamnese. Implementiert wird auch das Elektronische Kommunikation Service: kurz e-KOS. Es unterstützt die elektronische Erfassung, Übermittlung und Bearbeitung von Überweisungen, Zuweisungen und Verordnungen und bildet die derzeitigen Papierprozesse elektronisch ab. Und es gibt eine Anschubfinanzierung und Kostenbeteiligung durch die öffentliche Hand. Der im Februar beschlossene Gesamtvertrag zu EDV-Anwendungen in Kassenarzt- Praxen ist wichtiger Schritt in eine digitale Zukunft, da ist uns gemeinsam mit dem Ministerium und dem Hauptverband etwas Richtungsweisendes gelungen.

Weitere Beispiele für Erfolge?
Bundesministerin Hartinger hat uns zugesagt, das unsägliche Mystery Shopping wieder abzuschaffen. Und bei den Gesprächen um den Gesamtvertrag für Primärversorgungs-Einheiten gibt es trotz harten Verhandelns endlich Verständnis für unsere Positionen und nicht mehr die ideologisierte Bestemm-Haltung unserer früheren Verhandlungspartner. Dass es heute ein konstruktiveres Gesprächsklima zwischen uns und insbesondere Nationalratspräsident Mag. Sobotka, der Gesundheitsministerin und dem Hauptverbands- Chef – um drei besonders wichtige gesundheitspolitische Player zu nennen – gibt, ist auch ein Wert an sich. Durch den neuen Stil wurde – zumindest bisher – ein Miteinander im Sinne aller Beteiligten inklusive der Patienten möglich.

Sie haben zum Beispiel in Wien bei den Kassenverhandlungen einen schönen Erfolg eingefahren. Zum Beispiel eine Tariferhöhung von 30 Prozent bei Allgemeinmedizinern und Kinderärzten.
In Wien ist seitens der Kassen und der Stadtregierung das Verständnis für die Versorgungsprobleme und die Bereitschaft, Lösungen zu suchen und diese auch zu finanzieren, vorhanden. Auch hier sehen wir eine sehr positive Entwicklung. Wien zeigt zweierlei: Probleme einer Region sollten in dieser Region gelöst werden, und nicht zentralistisch, weil alle Beteiligten die Situation am besten kennen. Und es ist nötig, dass nicht nur die Kassen, sondern auch die Politik Geld in die Hand nimmt. Das ist in Wien geschehen, und das ist auch für andere Bundesländer wünschenswert.

Nicht zufrieden ist die Ärztekammer allerdings mit der Kassenreform.
Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Kassen und Kammern nicht immer ungetrübt war. Das liegt in der Natur der Sache, wenn es um knappe Mittel und oft gegenläufige Interessen geht. Aber die geplante Kassenreform schießt über’s Ziel. Es besteht das Risiko, dass auf regionale Gegebenheiten künftig viel zu wenig Rücksicht genommen wird. Ein zentralistischer Kassen-Monolith mit Außen-Büros in den Bundesländern wäre ein Rückschritt.

Was konnte die Ärztekammer bei den Verhandlungen zur Kassen-reform bereits erreichen?
Wir hatten und haben in dieser Angelegenheit sehr viele persönliche Gespräche mit Entscheidungsträgern, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Wie es aussieht konnten wir durch nachdrückliches Verhandeln bisher erreichen, dass das Budget und der Stellenplan in den Bundesländern bleiben – das sind zwei ganz wesentliche Punkte. Es geht aber auch darum, dass die angeblich durch die Kassenreform lukrierte Milliarde – von dieser ambitionierten Einsparungsdimension müsste man mich allerdings noch im Detail überzeugen – dem niedergelassenen Ärztebereich zu Gute kommt.

Gibt es von Ihrer Seite Vorschläge, wohin dieses Geld gehen soll?
Das hängt von der letztlich verfügbaren zusätzlichen Geldmenge ab. Potenzielle Einsatzgebiete sind klar: Im niedergelassenen Kassenbereich gibt es noch eine Reihe von Krisenzonen wie Engpässe in der Versorgung – Stichwörter sind hier zu wenig Kassenarztpraxen, Probleme bei der Nachbesetzung, Landarztsterben, Ärztemangel – und bei den Honoraren. Es geht auch um die Aufwertung des Hausarztes und der Allgemeinmedizin generell. Die Lehrpraxis ist hier ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen. Hier geht es um ein Nachziehen bei den Tarifen in ganz Österreich, insgesamt attraktivere Rahmenbedingungen für die haus-ärztliche Tätigkeit, es geht um den Facharzt für Allgemeinmedizin und um Lehrstühle für Allgemeinmedizin.

Welche Themen sind sonst noch auf der Agenda? Neben aktuellen Themen wie dem Gesamtvertrag für PVE oder der Kassenreform geht es auch um Zukunftsthemen. Ein besonders wichtiges ist die Digitalisierung in der Medizin und die Online- Medizin, das ist auch ein Punkt im Regierungsprogramm. Da stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung, die unseren Beruf radikal umzugestalten droht. Hier sehe ich es als Ärztevertreter als unsere Aufgabe, diese Entwicklung mitzugestalten. Dauerthemen sind auch die ärztliche Freiberuflichkeit und das Zurückdrängen des Einflusses der Ökonomie. Die politische Arbeit wird uns also nicht ausgehen.

Zum Abschluss Ihr Wunsch an die Bundesregierung.
Der Ansatz, Entscheidungen gemeinsam mit der Ärztevertretung, und nicht gegen diese zu treffen, hat sich bisher bewährt. Ich wünsche mir, dass die Ärzteschaft strukturiert und als echter Partner in die Entscheidungen der Zielsteuerungskommissionen eingebunden wird. Den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen brächte viele Vorteile, ganz besonders in politisch und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2018