Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Darf Verknappung ein Reformziel sein?

25.01.2017 | Standpunkt

© Zeitler

Der medizinische Fortschritt kostet Geld. Das ist unbestritten. Die finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen sind nur in beschränktem Ausmaß vorhanden. Auch das ist unbestritten. Doch mit den nun beschlossenen 15a-Vereinbarungen wird es in den nächsten Jahren zu weiteren geplanten Kostendämpfungen im Gesundheitsbereich kommen, was zur Folge hat, dass künftig die medizinischen Leistungen zwangsläufig weniger werden (müssen).

Schon jetzt ist der Arbeitsalltag in den Spitälern geprägt von Administration, Dokumentation, stetig steigender Arbeitsverdichtung und überlaufenen Ambulanzen. Durch die sogenannte „Gesundheitsreform“ sind weitere Verschlechterungen im spitalsärztlichen Bereich zu befürchten, die Herabsetzung von Mindeststandards in der Versorgung, Auswirkungen auf die Abteilungsstruktur, völlige Intransparenz und Willkür. In Wahrheit geht es nämlich nicht um eine Reform, die diesen Namen tatsächlich verdient, sondern es wird zu einer Verknappung im Gesundheitsbereich kommen. Auf diesen Umstand hat die ÖÄK in den letzten Wochen im Zuge ihrer Kampagne „Weniger ist NICHT mehr“ immer wieder hingewiesen.

Schaut man sich etwa den Entwurf des Österreichischen Strukturplans Gesundheit an – passender wäre die Bezeichnung Österreichischer Sparplan Gesundheit – eröffnen sich bedrohliche Szenarien. Dort sollen beispielsweise die Erreichbarkeitskriterien willkürlich erhöht werden: Wenn etwa künftig eine chirurgische Abteilung nicht mehr binnen 30 Minuten, sondern innerhalb von 45 Minuten erreichbar sein muss, kann man sich leicht ausrechnen, was das für einen Patienten bedeutet. Abgesehen davon können im Zuge dessen natürlich auch Schließungen von Abteilungen und Spitälern die Folge sein. Der Bevölkerung verkauft man das vollmundig als Verbesserung der Versorgung. In Wirklichkeit hat man damit aber die Möglichkeit geschaffen, die Versorgung in der Peripherie auszudünnen.

Ein anderer Punkt sind die Arbeitszeiten: So soll das KA-AZG im nächsten Jahr evaluiert werden. Offensichtlich will die Politik die Opt out-Frist verlängern. Ich muss an dieser Stelle nicht extra betonen, wie langwierig und mühsam es war, hier für alle Spitalsärztinnen und Spitalsärzte in Österreich eine EU-konforme Regelung zu erzielen. Mit dem jetzt gültigen KA-AZG ist es uns gelungen, die Patientensicherheit zu erhöhen und auch die Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte, die vor Inkrafttreten der neuen Regelung oftmals inakzeptabel waren, im Sinn der Gesundheit der Ärzte zu verbessern.

Die Lösung für die wirklich brennenden Probleme der Spitalsärzte bleibt die Politik schuldig: Es gibt keine Vorschläge, wie die völlig überlaufenen Spitalsambulanzen entlastet werden können, es gibt keinerlei Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen verbessert werden können, damit der Beruf des Spitalsarztes wieder an Attraktivität gewinnt oder auch wie das Gesundheitswesen insgesamt zukunftsfit weiterentwickelt werden kann anstatt nur den Sparstift anzusetzen.

Die Politik wird sich damit auseinandersetzen müssen, wie die medizinische Versorgung in Zukunft aussehen soll. Die Ärzte aus der Planung auszuschließen, wird das System weder besser noch günstiger machen für den Patienten. Und in der Zweiklassenmedizin, auf die wir mit Meilenschritten zugehen, wird es vermutlich für die Ärzte nicht schlechter werden, im Gegenteil: Die Patienten werden diejenigen sein, für die ein solches System rasch und nachhaltig Verschlechterungen in der medizinischen Versorgung bringen wird – siehe Großbritannien.

Wir Spitalsärzte haben Konzepte – wie etwa das Konzept Spital 2025. Und ohne die Expertise von uns Spitalsärzten werden strukturellen Reformen nur schwer möglich sein.

Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2017