Standpunkt – Präs. Thomas Szekeres: In die falsche Richtung

25.10.2017 | Standpunkt

© Bernhard Noll

Auch nach der Nationalratswahl ist für uns Ärztinnen und Ärzte die Gesundheitspolitik ein spannendes Thema. Konkrete Einschätzungen dazu erhebt ein Meinungsforschungsinstitut regelmäßig unter 1.000 Österreicherinnen und Österreichern ab 16 Jahren. Zusätzlich wurde bei der jüngsten Befragung im September dieses Jahres auch die Meinung der Wiener niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte eingeholt.

Der Grundtenor der aktuellen Befragung: Das Gesundheitssystem bewegt sich in die falsche Richtung – sagt jeder zweite Befragte; bei den Ärzten sind es sogar knapp drei Viertel, die dieser Ansicht sind.

Eindeutig fällt auch die Antwort auf die Frage aus, ob das Gesundheitssystem ein Zwei-Klassen-System ist: ,Sehr‛ – sagen 51 Prozent der Österreicher; bei den Ärzten sind es sogar 56 Prozent. Rechnet man in dieser Fragestellung auch noch diejenigen hinzu, die der Meinung sind, das Gesundheitssystem ist ‚eher‘ ein Zwei-Klassen-System, liegen wir gleich bei Prozentsätzen von 82 Prozent innerhalb der österreichischen Bevölkerung und 79 Prozent bei den Ärzten.

Was für uns aus Sicht der Ärztekammer bei dieser Befragung natürlich ganz wichtig ist: die Einschätzung darüber, welche Wichtigkeit bestimmte Aufgaben im Gesundheitsbereich in der nächsten Legislaturperiode haben. Jeder zweite Befragte vertritt die Ansicht, dass es im niedergelassenen Bereich die von der Ärztekammer schon lange geforderten zusätzlichen 1.300 Kassenstellen braucht, damit die Spitäler entlastet werden. Auch bei den Maßnahmegegen den Ärztemangel geben die Befragten eine klare Antwort: 53 Prozent sprechen sich für mehr österreichische Medizinstudenten und Uni-Absolventen aus, um hier gegenzusteuern.

Nahezu die Hälfte der Befragten spricht sich für bessere Honorare aus, damit wieder mehr Ärzte einen Kassenvertrag annehmen. Ähnlich die Einschätzung beim Thema Lehrpraxis: Auch hier spricht sich die Hälfte der befragten Ärzte für eine einjährige Lehrpraxis für alle angehenden Ärzte bei Allgemeinmedizinern aus.

Man muss diese Ergebnisse auch angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vergegenwärtigen: Die Stadt Wien etwa wächst jährlich um rund 40.000 Menschen. Nur: Das Gesundheitswesen hat bei dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Mit den Folgen sind wir als Ärztinnen und Ärzte und vor allem auch die Patientinnen und Patienten tagtäglich konfrontiert: lange Wartezeiten da wie dort auf Facharzttermine, Spezialuntersuchungen und Operationen und übervolle Spitalsambulanzen.

Und eines ist mir in diesem Zusammenhang schon auch noch wichtig zu betonen: Die Logik, die Ausgaben für Gesundheit an die Wirtschaftsleistung zu koppeln, verstehe ich überhaupt nicht. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass man die Ausgaben für den Tunnelbau an die Wirtschaftsleistung koppelt?

Das zentrale Ergebnis dieses Gesundheitsbarometers, dass sich das Gesundheitssystem in die falsche Richtung bewegt, sollte jeden künftig in der Regierung vertretenen Politiker, ganz besonders aber den künftigen Gesundheitsminister aktiv werden lassen. Wir Ärztinnen und Ärzte merken schon lange, dass im Gesundheitssystem etwas schief läuft. Das ist auch der Grund dafür, wieso wir vor den Wahlen in unserer Kampagne „Ohne Ärzte geht’s nicht“ und aktuell auch jetzt wieder auf diese Entwicklung hinweisen.

a.o. Univ.-Prof. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2017