Tag der Allgemeinmedizin: Begeisterung wecken

25.01.2017 | Politik

Mehr junge Ärzte für die Allgemeinmedizin und den Beruf des Hausarztes zu begeistern – das war das Ziel des „Tages der Allgemeinmedizin“ kürzlich in Wien. Zugleich wurde aber auch die Politik dazu aufgefordert, die Allgemeinmedizin zu fördern und damit wieder attraktiv für Junge zu machen. Von Marion Huber

Warum sollte sich ein junger Arzt heute dazu entscheiden, Allgemeinmediziner zu werden? „Weil es schön, erfüllend und fachlich und menschlich anspruchsvoll ist“, weiß ÖÄKPräsident Artur Wechselberger, der selbst seit 35 Jahren Hausarzt ist. Beim diesjährigen „Tag der Allgemeinmedizin“ im Dezember 2016 in Wien drehte sich alles darum, der jungen Generation den Beruf des Hausarztes näherzubringen, sie zu dafür zu begeistern. „Hausarzt – ein Beruf mit Zukunft“ lautete daher das Motto.

Wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, muss man bereit sein, das Leben mit seinen Patienten zu teilen, gab der ÖÄK-Präsident zu bedenken. Man kennt meist die ganze Familie, die Lebensumstände, die berufliche Situation etc. Aber man muss sich auch abgrenzen können – „das muss einem liegen“, sagte er. Medizinisch muss man ein breites Gebiet abdecken, sein Wissen – wie in jedem anderen Fachgebiet – ständig auffrischen und erweitern. Und man muss eine Ordination führen, Unternehmer sein und auch das Risiko eines Unternehmers tragen.

Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Der Sektionsobmann Allgemeinmedizin Gert Wiegele, kritisierte, dass die hausärztliche Tätigkeit in den letzten Jahren durch viele Verschlechterungen unattraktiv gemacht wurde: mit dem Wegfall vieler Hausapotheken oder der stetigen Zunahme an Administration und Dokumentation zum Beispiel. Der Beruf werde aber auch – ungerechterweise – schlecht geredet; immer wieder höre man von politischer Seite das Argument, dass das „Einzelkämpfertum“ vorbei sei. Dem widerspricht Wiegele: „Der Beruf des Hausarztes ist nicht einfältig, sondern vielfältig“, wie er aus 30-jähriger Erfahrung als Hausarzt weiß. Einzelordinationen und Zusammenarbeitsformen – beides wird man in Zukunft brauchen, glaubt auch Karlheinz Kornhäusl, Obmann der Sektion Turnusärzte der ÖÄK: „Die Zukunft liegt in der Zusammenarbeit, aber auch in der Vielfalt. Das heißt, dass es Einzelpraxis, Job-Sharing, Gruppenpraxen etc. nebeneinander geben muss.“

An den Rahmenbedingungen solle die Entscheidung, Hausarzt zu werden, aber nicht scheitern, appellierte der ehemalige ÖGAM-Präsident Reinhold Glehr, selbst auch Allgemeinmediziner, an die jungen Ärzte im Publikum: „Lassen Sie sich nicht abschrecken, werden Sie aktiv und vertrauen Sie darauf, dass Allgemeinmediziner ein schöner Beruf ist.“ Aber er forderte sie auch auf, „auf gute Rahmenbedingungen und Werte wie eine freie Berufsausübung zu pochen“.

Warum nicht Hausarzt werden? Der Meinungsforscher Peter Hajek vom Institut „Public Opinion Strategies“ hat im Rahmen einer Studie Turnusärzte und Medizinstudenten befragt, warum das Krankenhaus für sie attraktiver ist als die Niederlassung. Die drei meistgenannten Gründe:

  • das Spital bietet mehr Optionen
  • man kann mit und im Team arbeiten
  • eine Anstellung bietet wirtschaftliche Sicherheit

Johanna Zechmeister, Vorsitzende der Hochschülerschaft an der MedUni Wien, kann das nachvollziehen. Sie wollte selbst ursprünglichn Allgemeinmedizinerin werden, tendiert jetzt aber doch in eine andere Richtung. „Die Allgemeinmedizin bekommt leider nicht genug Anerkennung: es gibt kein eigenes Fach, die Leistungsabgeltung und Arbeitsmodelle sind veraltet“, nannte sie einige Gründe. Außerdem trauen es sich viele junge Ärzte nach der Ausbildung einfach noch nicht zu, in einer Ordination auf sich allein gestellt Patienten mit Beschwerden aus den verschiedensten Fachgebieten zu diagnostizieren und zu behandeln.

Deshalb hält Kornhäusl die Lehrpraxis für so wichtig: weil man zusehen, Erfahrung sammeln und Stück für Stück selbstständiger werden kann. „Durch das Arbeiten in der Lehrpraxis traut man sich immer mehr zu und gewinnt an Sicherheit.“ Für ihn gehört das Eins-zu-Eins-Ausbildungsverhältnis zu den „schönsten Dingen für einen jungen Arzt“. Er ist überzeugt: „Am besten lehrt die Lehrpraxis.“ Aber auch die Ausbildung im Spital werde immer besser; das würden auch die Ergebnisse der regelmäßigen Turnusevaluierung zeigen. Hajek gab einen anderen Aspekt zu bedenken: Seine Umfragen hätten ergeben, dass Studenten sich eher in Richtung Allgemeinmedizin orientieren, wenn sie am Land wohnen und der Beruf in der Familie Tradition hat, von Familienmitgliedern ausgeübt wird. Das zeigt: entscheidend ist es, den Arbeitsalltag und die Vielfalt der Tätigkeit zu kennen. „Wer weiß, wie es ist, Hausarzt zu sein, wird eher einer.“ Noch etwas, was für die Lehrpraxis spricht.

Auch wenn mit der Umsetzung der sechsmonatigen Lehrpraxis ein „Meilenstein“ gelungen ist: noch ist nicht alles erreicht. „Die acht Millionen Euro, die wir für die bundesweite Finanzierung der Lehrpraxen brauchen, hat die Politik noch immer nicht auf die Beine gestellt“, kritisierte Kornhäusl. Univ. Prof. Manfred Maier, ehemaliger Vorstand der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin der MedUni Wien, sieht das größte Problem darin, „dass wir die Primärversorgung schon lange vernachlässigen“. Das solle die Qualität der österreichischen Allgemeinmedizin nicht schmälern, denn „sie ist nicht schlecht, sondern schwach aufgestellt“. Die bedeutende Rolle, die die Allgemeinmedizin in der Versorgung einnimmt, müsse auch endlich anerkannt und honoriert werden.

Denn eines zeigt sich in Umfragen auch immer wieder: Das Vertrauen der Patienten in ihre Hausärzte ist ungebrochen groß. Hajek: „Den Patienten ist wichtig, dass sie immer von demselben Arzt behandelt werden, in der Nähe ihres Wohnortes und sie schätzen den menschlichen Kontakt.“ Das sind genau die Werte, die der Hausarzt verkörpert …

Drei Fragen an Gert Wiegele

Um den Beruf des Hausarztes wieder attraktiver zu machen, muss die Politik die Allgemeinmedizin endlich mit Taten fördern und ausbauen – nicht nur verbal und pro forma, wie Gert Wiegele, Obmann der Sektion Allgemeinmedizin der ÖÄK, im Gespräch mit Marion Huber feststellt.

ÖÄZ: Warum soll sich ein junger Arzt dafür entscheiden, Hausarzt zu werden?
Wiegele: Es ist ein spannender, lebenserfüllender Beruf mit vielfältigen, auch persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten, der den ganzen Menschen betrachtet und behandelt, und das sehr oft ein Leben lang.

Was braucht es vonseiten der Politik, um den Beruf wieder attraktiver zu machen und die nötigen Kassenstellen besetzen zu können?
Wiegele: Die Politik muss endlich nicht nur verbal und pro forma die Allgemeinmedizin stützen, fördern und entsprechend ihrer tatsächlichen Bedeutung für der Primärversorgung ausbauen. Es geht einfach darum, dass die Politik die Allgemeinmedizin endlich wertschätzt. Beginnend bei der derzeit nur wenig vorhandenen universitären Ausbildung, bei der Ausbildung im Spital und dann vor allem bei der essentiellen Lehrpraxis und deren Finanzierung. Nicht zuletzt muss die Politik dafür sorgen, dass sich die ärztlichen Arbeitsbedingungen in den Kassen-Ordinationen deutlich verbessern.

Mit der Broschüre ‚Traumberuf: Arzt für Allgemeinmedizin‘ wurde eine umfassende Bestandsaufnahme des Berufsbildes Allgemeinmedizin und seiner gelebten Praxis vorgenommen.
Ja, mit der Broschüre soll die Allgemeinmedizin in einer Gesamtbetrachtung präsentiert werden. Sie soll allen, die Medizin studieren oder studieren wollen und jenen, die in Ausbildung stehen, Information und vor allem Motivation bieten, sich für die Allgemeinmedizin zu entscheiden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2017