Süd­ti­rol: Auch hier feh­len Ärzte

25.10.2017 | Politik


Süd­ti­rol hat das glei­che Pro­blem wie Öster­reich, Deutsch­land, die Schweiz und andere euro­päi­sche Staa­ten: Aus­rei­chend Nach­wuchs an Ärz­ten fehlt. Eine bis dahin ein­zig­ar­tige Aktion für die Anwer­bung von 100 Ärz­ten für den „Süd­ti­ro­ler Sani­täts­be­trieb“ war im ver­gan­ge­nen Jahr erfolg­reich. Von Wolf­gang Wagner

Der Ärz­te­man­gel ließ im April 2016 die Auto­nome Pro­vinz Süd­ti­rol buch­stäb­lich auf die Pauke hauen. „Es ist eine euro­pa­weit ein­ma­lige Aktion. Es ist die größte zeit­gli­che Aus­schrei­bung, die wir für den Sani­täts­be­trieb je machen durf­ten und eine höchst inter­es­sante Gele­gen­heit für Ärz­tin­nen und Ärzte. Hun­dert Stel­len, das ent­spricht dem Stamm­per­so­nal eines mitt­le­ren Kran­ken­hau­ses. Wir haben also Wochen vor uns, die weg­wei­send sind und das Süd­ti­ro­ler Gesund­heits­we­sen neu auf Schiene brin­gen“, sagte der Gene­ral­di­rek­tor des „Süd­ti­ro­ler Sanitätsbetriebs“,Thomas Schael, zum Start der Ärzte-Anwer­be­ak­tion. Die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung sprach mit ihm über den Ver­lauf der Kam­pa­gne und die Erfah­run­gen, die man damit gemacht hat.

Der Hin­ter­grund: Der „Süd­ti­ro­ler Sani­täts­be­trieb“ (1,3 Mil­li­ar­den Euro Jah­res­um­satz; 28.000 Beschäf­tigte) ist der Ver­bund von sie­ben Kran­ken­häu­sern, 20 Gesund­heits­spren­geln und 14 Spren­gelstütz­punk­ten in der ita­lie­ni­schen Pro­vinz. Im Gegen­satz zu Öster­reich mit dem Spi­tals­sek­tor und dem Bereich der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte ist das Gesund­heits­sys­tem in Bozen und Umge­bung als Gesamt­ver­bund in der Hand der Pro­vinz orga­ni­siert. „Das reicht von der Gesund­heits­er­zie­hung über alle Dienst­leis­tun­gen für die phy­si­sche und psy­chi­sche Gesund­heit mit all­ge­mein­me­di­zi­ni­scher und fach­ärzt­li­cher Ver­sor­gung, Kran­ken­haus und Reha­bi­li­ta­tion sowie Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung bis hin zur Pflege“, sagt Schael.

Auch Süd­ti­rol hat ein Problem

Dabei hat Süd­ti­rol ebenso wie Öster­reich, Deutsch­land, die Schweiz und andere euro­päi­sche Staa­ten das glei­che Pro­blem: Aus­rei­chend Nach­wuchs an Ärz­ten fehlt. „Bei uns kommt noch dazu, dass jeder Arzt mit einer unbe­fris­te­ten Anstel­lung zwei­spra­chig sein muss. Und da gerät man bald in Schwie­rig­kei­ten“, erklärte der Sani­täts­be­trieb-Gene­ral­di­rek­tor. Was 2016 noch dazu gekom­men ist: Auch in Süd­ti­rol musste natür­lich die neue Ärzte- Arbeits­zeit nach EU-Recht umge­setzt wer­den. Das war der Anlass für Schael und seine Mit­ar­bei­ter für die gemein­same Aus­schrei­bung von 100 unbe­fris­te­ten Ärz­te­stel­len in 39 Fach­ge­bie­ten im April des Vorjahres.

Für die „Stel­len­aus­schrei­bung der 100“ (alpha­be­tisch von All­ge­mein­chir­ur­gen bis zu Uro­lo­gen) wurde eine eigene Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie mit Part­nern­und Inter­net-Platt­form eta­bliert, um vor allem in Öster­reich, Deutsch­land und der Schweiz über­sied­lungs­wil­lige Ärzte anzu­spre­chen. „Das hat geklappt. Wir arbei­ten mit Lin­ke­dIn und neu­er­dings auch mit Xing. Dane­ben inse­rie­ren wir natür­lich in Ärz­te­zeit­schrif­ten etc. In unse­rem Bereich für Per­so­nalan­wer­bung wur­den zusätz­li­che Stel­len geschaf­fen“, sagte der Sanitätsbetrieb-Generaldirektor.

Sprach­aus­bil­dung für ein­spra­chige Ärzte

Gemein­sam mit der Lan­des­re­gie­rung gelang es in jüngs­ter Ver­gan­gen­heit auch, eine Mög­lich­keit zu schaf­fen, ein­spra­chi­gen Ärz­ten befris­tete Ver­träge zu geben – zusam­men mit dem Ange­bot für eine Sprach­aus­bil­dung in Deutsch oder Ita­lie­nisch. Die Sache hat sich aus­ge­zahlt. „Wir haben alle 100 aus­ge­schrie­be­nen Stel­len beset­zen kön­nen. Etwa 30 davon waren Haus­ärzte. Jetzt schrei­ben wir noch ein­mal 50 Stel­len aus“, erklärte Schael. Beim „Süd­ti­ro­ler Sani­täts­be­trieb“ will man die Vor­züge des Sys­tems mit den unbe­fris­te­ten Ver­trä­gen in der Wer­bung für neue Ärzte als wich­ti­gen Vor­teil dar­stel­len. „Wir haben ein sehr gutes Gesund­heits­sys­tem. Mit Auf­wen­dun­gen von sechs Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­duk­tes für Gesund­heit errei­chen wir Spit­zen-Out­come-Werte im inter­na­tio­na­len Ver­gleich. In Ita­lien lie­gen wir in der Gesund­heits­sta­tis­tik an ers­ter Stelle. Das Sys­tem wird aus Steu­er­mit­teln finan­ziert. Für die Ärzte bie­ten wir sehr gute Arbeits­be­din­gun­gen“, betonte der Gene­ral­di­rek­tor. Kein Wun­der, dass Schael im Ver­gleich zur öster­rei­chi­schen Gesund­heits­po­li­tik – auf­grund des völ­lig ande­ren Ver­sor­gungs­sys­tems in Süd­ti­rol und Ita­lien – auch ganz anders argu­men­tiert. „Wir haben kei­nen Leis­tungs­druck. Ich sage den Ärz­ten zum Bei­spiel ‚Wenn Ihr nicht ope­riert, bekommt Ihr trotz­dem Euer Gehalt‘.“ Die Quasi-Rund-Um-Ver­sor­gung­von der Prä­ven­tion bis zur Reha­bi­li­ta­tion Abläufe ermög­li­chen.

Her­aus­for­de­rung: Primararzt-Posten

Nicht zu bestrei­ten sind trotz­dem die gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen, vor denen man auch in Süd­ti­rol bei der Beset­zung von Ärz­te­pos­ten steht. „Wir haben in den nächs­ten Jah­ren zum Bei­spiel 23 Pri­mar­arzt-Pos­ten zu beset­zen. Wir ver­su­chen natür­lich, beson­ders junge Ärzte anzu­spre­chen, haben aber auch Pos­ten in Lei­tungs­funk­tio­nen für erfah­rene Ärzte“, sagte der Sani­täts­be­trieb-Gene­ral­di­rek­tor. Schmun­zelnd fügte er hinzu: „Und dann haben wir in Süd­ti­rol auch noch 300 Son­nen­tage im Jahr …“ 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2017