Start der ÖÄK Kampagne: Ohne Ärzte geht’s nicht

25.09.2017 | Politik


Unter diesem Motto steht die aktuelle Awareness-Kampagne der ÖÄK, die vor kurzem in Wienpräsentiert wurde. Zentrale Botschaft dabei: Gesundheitsversorgung ohne Ärztinnen und Ärzte funktioniert nicht. Von Agnes M. Mühlgassner

Man wolle damit ein Signal setzen – erklärt der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart. Speziell nach den Ereignissen der letzten Monate rund um den Beschluss des PHC-Gesetzes sehe man sich veranlasst, gerade „in dieser sensiblen Phase des Wahlkampfs“ die Position der Ärztinnen und Ärzte klar zu machen und dementsprechend deren Anliegen auch öffentlich zu machen. „Die Subsummierung unter dem Slogan ‚ohne Ärzte geht’s nicht‘ verdeutlicht eben diese Wertschätzung der Ärzte durch die Bevölkerung und sie macht aber auch klar, dass die Gesundheitsversorgung ohne Ärztinnen und Ärzte nicht funktioniert“, unterstreicht Steinhart.

Als Paradebeispiel dafür nennt er das Mamma-Screening, bei dem von Anfang an alles „ganz schlecht“ gelaufen sei. Der Plan einiger Projektverantwortlichen, sich die Zuweisung von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Gynäkologen zu sparen und lediglich mittels eines Briefs zur Mammographie einzuladen, sei gescheitert. „Daran sieht man aber auch, welchen Stellenwert das beratende Gespräch durch den Arzt hat“, so Steinhart. Seine Conclusio: Gesundheitsplanung ohne diejenigen, die Erfahrung in der täglichen Gesundheitsversorgung haben, kann und wird nicht funktionieren.

Enorme Probleme

Die Probleme, die es zu bewältigen gibt, sind enorm. Durch die anstehende Pensionierungswelle bei den niedergelassenen Allgemeinmedizinern wird sich die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich noch weiter verschärfen. Immerhin gehen in den nächsten zehn Jahren rund 60 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner in Pension. Schon jetzt ist es aufgrund des unattraktiven Honorarsystems oft nicht möglich, selbst in Städten Kassenstellen nach zu besetzen; ein Phänomen, das in ländlichen Regionen schon länger bekannt ist. Die ÖÄK hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass mit einem Hausarztmangel zu rechnen ist. Steinhart dazu: „Und was haben die politisch Verantwortlichen gemacht? – Nichts.“ Und der stellvertretende Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Norbert Meindl, ergänzt: „Es wird eng in unserem Gesundheitssystem.“ Was sich unter anderem daran zeige, dass die Wartezeiten für Untersuchungen und Operationen immer weiter ansteigen. Meindl weiter: „Die niedergelassene Versorgung kommt in Bedrängnis.“ So könnten derzeit österreichweit rund 70 Kassenplanstellen nicht nachbesetzt werden.
 
Um hier gegenzusteuern, müssten die Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärzte insgesamt attraktiver werden, Bund, Länder und Gemeinden die Gründung von Ordinationen fördern und schließlich der schon lange von der ÖÄK geforderte bundesweite Ausbau und die Finanzierung von Lehrpraxen in Angriff genommen werden.

Optimierungsbedarf sieht Steinhart auch beim Primärversorgungs-Gesetz, dem „Anlass“ für diese Kampagne. Nicht nur, dass solche Zentren im Vergleich zu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wesentlich teurer sind – so wird beispielsweise das PHC Mariahilf in Wien jährlich mit 210.000 Euro zusätzlich finanziert –, bringen sie de facto in vielen Fällen nicht die immer so gerne bemühte wohnortnahe Versorgung im niedergelassenen Bereich. Die Forderung der Bundeskurie niedergelassene Ärzte: 1.300 zusätzliche Kassenarztstellen, damit die Spitalsambulanzen wirkungsvoll entlastet werden können und auch einen effizienten Ausbau der ärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen.
 
Was Steinhart angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl außerdem noch wichtig ist: dass Ärztinnen und Ärzte in der Politik und speziell bei gesundheitspolitischen Entscheidungen einbezogen werden. Dabei sollen wieder die Bedürfnisse der Patienten im Mittelpunkt stehen. Dass angesichts der demographischen Entwicklung mehr Geld notwendig sein wird, „das versteht sich wohl von selbst“.

Naghme Kamaleyan-Schmied ist niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Wien Floridsdorf und Leiterin des Referats Primärversorgung und ärztliche Zusammenarbeitsformen der ÖÄK. Sie sieht dasGesundheitssystem insgesamt durch die Demographie, die zunehmende Zahl an älteren Menschen sowie den steigenden Pflegebedarf gefordert. „Für die Aufrechterhaltung der Versorgung braucht es den Facharzt für Allgemeinmedizin, die Vollfinanzierung der Lehrpraxis, weniger Bürokratie und gute Vertretungsmöglichkeiten“, so die Allgemeinmedizinerin.

Kampagne: Die Details

Im laufenden Nationalratswahlkampf soll mit einer groß angelegten Kampagne auf die Anliegen der niedergelassenen Ärzte aufmerksam gemacht werden.
 
Die Fakten & Forderungen:

1) Drohenden Ärztemangel beheben!

• Österreich braucht attraktive und vielfältige Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärzte;
• Förderung von Praxisgründungen durch Bund, Länder und Krankenkassen;
• Bessere Ausbildungsbedingungen, Ausbau und Finanzierung von Lehrpraxen

2) Primärversorgungsgesetz reparieren!

• Echte wohnortnahe Versorgung statt Zentralisierung per Gesetz;
• 1.300 zusätzliche Kassenarzt-Stellen zur Entlastung der Spitäler;
• Wirksamer Ausbau der landärztlichen Angebote

3) Mehr ärztliche Kompetenz in die Politik

• Mehr ärztliche Mitsprache bei gesundheitspolitischen Plänen und Entscheidungen;
• Eine Patienten-orientierte Medizin statt Sparkurs, Bürokratie und Zentralismus;
• Ein höheres Gesundheitsbudget für eine wachsende und älter werdende Gesellschaft.

Dabei gibt es auf der größten Werbefläche Österreichs auf der Wiener Südausfahrt (Höhe Shopping City Süd) das erste Megaboard zu sehen; es folgen Megaboards auf der Wiener Votivkirche mit der Aufforderung an die nächste Regierung „Ändert dieses Primärversorgungsgesetz“. Innerstädtisch wird es in Wien – dem Schwerpunkt der Aktion – Citylights ebenso geben wie Werbung in der Straßenbahn. Parallel dazu wird über die Kampagne in Bezirksblättern und via Social media informiert. Unter www.aerzte-informieren.at sind drei Videoclips zu sehen, in denen das Kampagnenmotto „Ohne Ärzte geht’s nicht“ humorvoll umgesetzt ist. Ergänzt wird sie durch eine Roadshow, die dreimal in Wien (Christian Broda-Platz, Hauptuni-Schottentor und Donau-Zentrum) sowie in Eisenstadt, Kapfenberg und Birkenfeld Station macht. Beendet werden all diese Aktivitäten erst mit dem 15. Oktober, dem Tag der Nationalratswahl.

Tipp: Welche konkreten Vorstellungen die im Parlament vertretenen Parteien über den künftigen Stellenwert von Ärztinnen und Ärzten im Gesundheitssystem sowie über die Gesundheitspolitik insgesamt haben, lesen Sie im Beitrag „Nationalratswahl 2017: Die Ärzte, die Parteien und die Wahl“ auf Seite 12.

Drei Fragen an Johannes Steinhart

zur aktuellen Kampagne


ÖÄZ: Wieso startet die Bundeskurie niedergelassene Ärzte jetzt diese Kampagne?
Steinhart: Sowohl bei den 15a-Vereinbarungen als auch im sogenannten PHC-Gesetz wurden die Vorstellungen der Ärztekammer über weite Strecken ignoriert. Wir wollen jetzt im Wahlkampf ein Zeichen setzen, dass das nicht in Ordnung ist.

Was erwarten Sie sich?
Wir erwarten uns, dass in den Programmen der wahlwerbenden Parteien auf unsere Vorstellungen Rücksicht genommen wird. Wir werden unsere Vorstellungen mit Plakaten, Hintergrundgesprächen und natürlich auch mit politischen Kontakten in dieser sensiblen Phase
des Wahlkampfs positionieren. Diese Kampagne kann aber grundsätzlich auch als Träger für andere Themen und Aspekte der Gesundheitsversorgung dienen.

Faktum ist: Das Primärversorgungsgesetz ist beschlossen. Was erwarten Sie sich konkret von dieser Aktivität?
Wir erleben konkret schon jetzt bei einigen politischen Gesprächen, dass es punktuell Einsicht gibt. Genauso zeigen sich gewisse Fronten nach wie vor verhärtet. Uns geht es darum, aufzuzeigen, welch hohen Stellenwert die ärztliche Tätigkeit in der Gesellschaft hat und es geht auch darum, zu zeigen, dass Gesundheitsplanung ohne Ärzte nicht erfolgreich sein kann. Konkret erwarten wir die Einbindung von uns Ärzten als Experten in die Planung und Entscheidung und die Nachbesserung des Primärversorgungsgesetzes, damit es für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten lebbar ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2017