Pati­en­ten­si­cher­heit: Zum Reden ermutigen

25.11.2017 | Politik


Man­gel­hafte Kom­mu­ni­ka­tion ist die Ursa­che für 70 Pro­zent aller Pati­en­ten­be­schwer­den. Tipps dafür, wie man Mit­ar­bei­ter im Gesund­heits­we­sen ermu­ti­gen kann, Vor­fälle zu mel­den, gab es bei einer Tagung der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit in Wien. Von Mar­lene Weinzierl

Kom­mu­ni­ka­tion ist ein gro­ßer Risi­ko­fak­tor im Gesund­heits- und Pfle­ge­be­reich, erklärte Maria Klete­cka-Pul­ker von der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit kürz­lich bei der Tagung „Speak up! Wenn Schwei­gen gefähr­lich ist“ in Wien. Bei der von der Platt­form in Zusam­men­ar­beit mit dem Insti­tut für Ethik und Recht in der Medi­zin und der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien orga­ni­sier­ten Ver­an­stal­tung stand die Bedeu­tung von pro­fes­sio­nel­ler Kom­mu­ni­ka­tion in Krisenfällen,aber auch bei Beschwer­den von Sei­ten der Pati­en­ten oder Mit­ar­bei­ter im Mit­tel­punkt. 70 Pro­zent der Pati­en­ten geben bei der Schlich­tungs­stelle an, dass sie ihre Behand­lung wegen „man­geln­der Kom­mu­ni­ka­tion“ über­prü­fen las­sen wol­len, weiß Marko Koce­ver von der Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit Recht und Risi­ko­ma­nage­ment der stei­ri­schen KAGes.

Die Pro­blem­fel­der

Typi­sche Pro­blem­fel­der in Zusam­men­hang mit Kom­mu­ni­ka­ti­ons­feh­lern sind – wie Aus­wer­tun­gen von CIRS-Mel­dun­gen zei­gen – die Befund­über­mitt­lung (über­se­hene Befunde), Schnitt­stel­len, Seitenverwechslung/​Verwechslung von Pati­en­ten, Demenz, Über­ga­ben bei inte­r­und intra­hos­pi­ta­len Trans­por­ten von Pati­en­ten sowie fremd­spra­chige Patienten.

Auch bei der Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Ärz­ten, Pfle­gern und Ange­hö­ri­gen von medi­zi­nisch-tech­ni­schen Fach­diens­ten müsse opti­miert wer­den, denn „an den Schnitt­stel­len der unter­schied­li­chen Berufs­grup­pen gehen die meis­ten Infor­ma­tio­nen ver­lo­ren“, so Koce­ver. Bri­gitte Ettl, Prä­si­den­tin der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit und ärzt­li­che Direk­to­rin des Kran­ken­hau­ses Hiet­zing in Wien, ergänzte: „Der Arzt sollte auch jün­gere Kol­le­gen oder Mit­ar­bei­ter ande­rer Dis­zi­pli­nen dazu ermun­tern, ihre Mei­nung zu äußern und den ‚guten exter­nen Blick‘ von neu zum Team gesto­ße­nen Kol­le­gen nut­zen.“ Aus Angst vor Repres­sa­lien oder recht­li­chen Kon­se­quen­zen über Pro­bleme hin­weg zu schwei­gen bezeich­nete Ettl als den „größ­ten Feh­ler“. Und wei­ter: „Es ist nicht auto­ma­tisch ein Schuld­ein­ge­ständ­nis, wenn man ein Pro­blem meldet.“

Um hier die Hemm­schwelle mög­lichst nied­rig zu hal­ten, müsse aller­dings für ein Klima der Sicher­heit gesorgt wer­den. Für den Kri­sen­fall rät sie, einen genauen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ab­lauf fest­zu­le­gen; ebenso auch, wel­che Ansprech­per­son wel­che The­men mit den Pati­en­ten oder Ange­hö­ri­gen bespricht. „Diese Per­son muss für die Betrof­fe­nen immer zur Ver­fü­gung ste­hen. Das för­dert Ver­trauen“, betonte Ettl.

Ergän­zend zu bereits exis­tie­ren­den Mel­de­sys­te­men hat die Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit im Vor­jahr das Pro­jekt „Safety Line“ ins Leben geru­fen. Dabei­han­delt es sich um eine Ombuds­stelle für Mit­ar­bei­ter im Gesund­heits­we­sen. Ziel ist es, deren Mel­de­be­reit­schaft zu erhö­hen, Belas­tun­gen zu redu­zie­ren und Burn­out vor­zu­beu­gen. Klete­cka-Pul­ker hofft, dass in Zukunft immer mehr Insti­tu­tio­nen daran Inter­esse zei­gen, denn „nur sichere Mit­ar­bei­ter kön­nen für Pati­en­ten­si­cher­heit sorgen“.

Eine Mög­lich­keit, die Resi­li­enz von Mit­ar­bei­tern im Gesund­heits­we­sen zu stär­ken, sei bei­spiels­weise der „Peer Sup­port“, berich­tete Caro­line Kunz, All­ge­mein­me­di­zi­ne­rin und Psy­cho­the­ra­peu­tin und eben­falls von der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit. Regel­mä­ßige Nach­be­spre­chun­gen mit gleich­ge­stell­ten Kol­le­gen, hel­fen nach uner­wünsch­ten Ereig­nis­sen, die Erleb­nisse zu verarbeiten.

Im Rah­men der Tagung wur­den auch die Aus­trian Pati­ent Safety Awards – heuer bereits zum drit­ten Mal – für inno­va­tive Leis­tun­gen zur Erhö­hung von Pati­en­ten­si­cher­heit und Qua­li­tät in Gesund­heits­ein­rich­tun­gen verliehen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2017