Kommentar: Neue Arbeitszeit-Sonderregelung

10.11.2017 | Politik


Seit 1. Oktober 2017 ist eine im Universitätsgesetz normierte Sonderregelung
in Kraft, die es unter Einhaltung des KA-AZG-Regimes ermöglicht, die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit bis Ende 2021 auf bis zu 60 Stunden zu belassen. Von Lukas Stärker*

Ausgangssituation

Im Zuge der Novelle 2014 wurde das KA-AZG dahingehend novelliert, dass die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit grundsätzlich nicht über 48 Stunden betragen darf. Um diese Umstellung auf die neue Rechtslage zu erleichtern, wurde folgende Übergangsregelung normiert:

Die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit konkreter Dienstnehmer darf bis 30.6.2021 nur dann 48 Stunden überschreiten, wenn
1. durch Betriebsvereinbarung länger als 48-stündige wöchentliche Durchschnittsarbeitszeiten zugelassen wurden, wobei in dieser Vereinbarung ein konkretes Stundenausmaß enthalten sein muss, dann darf die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit
• bis zum 31. Dezember 2017 maximal 60 Stunden und
• bis zum 30. Juni 2021 maximal 55 Stunden betragen und wenn zusätzlich
2. die Vertreter der betroffenen Dienstnehmer dieser Vereinbarung zustimmten, das heißt mit ihnen das Einvernehmen hergestellt wurde und wenn zusätzlich
3. dieser einzelne Dienstnehmer
• im Vorhinein
• schriftlich
• zugestimmt haben, pro Woche im Durchschnitt länger als 48 Stunden zu arbeiten, wobei in dieser Vereinbarung ein konkretes Stundenausmaß enthalten sein muss, dass
– bis zum 31. Dezember 2017 maximal 60 Stunden und
– von 1. Jänner 2018 bis zum 30. Juni 2021
maximal 55 Stunden betragen darf.

An den Medizinischen Universitäten hat im vergangenen Jahr eine Diskussion über die Machbarkeit dieser durch die KA-AZG Novelle 2014 vorgegebenen stufenweisen Arbeitszeitreduktion begonnen. So wurde unter anderem argumentiert, das KA-AZG sei für „normale“ Spitäler konzipiert, nicht aber für Medizinische Universitäten, da dort zusätzlich zur Krankenversorgung noch die Verpflichtung zur Forschung und Lehre sowie zur universitätsbezogenen Verwaltung bestehe. Auf Basis dieser Argumentation entschloss sich der Gesetzgeber zur Normierung der im Folgenden dargestellten „Uni-Sonderregelung“:

So kann
• für das wissenschaftliche Personal, auf das das KA-AZG anzuwenden ist und
• abweichend von den im KA-AZG enthaltenen Flexibilisierungsmöglichkeiten:
1. im Einvernehmen mit den gemäß § 34 UG gewählten KA-AZG-ArbeitszeitvertreterInnen und
2. durch Betriebsvereinbarung zugelassen werden,
3. dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 60 Stunden betragen kann,
4. wenn die einzelne Arbeitnehmerin oder der einzelne Arbeitnehmer im Vorhinein einem bestimmten AZ-Erhöhungsausmaß schriftlich zugestimmt hat, und
5. wenn die die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden übersteigenden Zeiten ausschließlich für universitäre Aufgaben in Forschung und Lehre in der Normalarbeitszeit gewidmet werden.

Für eine Anwendbarkeit dieser Sonderregelung müssen sämtliche der genannten fünf Voraussetzungen erfüllt sein. Nur dann ist es möglich, die Obergrenze der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit bis Ende 2021 bei 60 Stunden zu belassen und nicht wie im KA-AZG normiert ab 1. Jänner 2018 auf 55 Stunden und ab 1. Juli 2021 auf 48 Stunden zu reduzieren.

Die Erhöhungsmöglichkeit beträgt somit gegenüber den KA-AZG-Möglichkeiten für dreieinhalb Jahre zusätzliche fünf Stunden und für ein weiteres halbes Jahr zusätzliche zwölf Stunden. Für eine Anwendbarkeit auf einzelne Klinikärzte ist vorab – das heißt vor Anwendbarkeit – schriftlich deren Zustimmung einzuholen. Aufgrund des Erfordernisses einer individuellen Zustimmung jeder einzelnen Person – zusätzlich zu den Erfordernissen Betriebsvereinbarung und Herstellung des Einvernehmens mit den Vertretern der betroffenen Dienstnehmer – ist diese Sonderregelung auch EU-konform. Für die erforderliche schriftliche Zustimmung der einzelnen Klinikärztinnen und Klinikärzte gelten die einschlägigen KA-AZG-Bestimmungen.

Anwendungsbereich

Diese Sonder-Arbeitszeit-Erhöhungsmöglichkeit gilt nicht für sämtliche Universitäten Österreichs sondern – aufgrund ihrer Normierung im UG – nur für die im UG genannten Universitäten – und auch hier nur in jenem Bereich, in dem das KA-AZG anzuwenden ist („klinischer Bereich“). Sie gilt daher konkret für die Medizinische Universität Wien, die Medizinische Universität Graz, die Medizinische Universität Innsbruck und die Medizinische Fakultät der Universität Linz und steht diesen additiv zu den im KA-AZG vorgesehenen Regelungen im klinischen Bereich zur Verfügung.

Inkrafttreten und Geltungsdauer

Diese Neuregelung trat mit 1. Oktober 2017 in Kraft und gilt befristet bis 31. Dezember 2021. Damit wird laut EB „genügend Zeit geschaffen, um auf Bundeseite ausreichend Personal für die qualitativ hochwertige Ausübung von Forschung und Lehre im Klinischen Bereich an Medizinischen Universitäten unter Einhaltung der Bestimmungen des KAAZG zu gewährleisten.“

Fazit

Die im Universitäts-Gesetz enthaltene Arbeitszeit-Sonderregelung ist EU-konform ausgestaltet und entspricht dem KA-AZG-Arbeitszeiterhöhungsmodus, verbunden mit einer verpflichteten zeitlichen Zweckwidmung für Lehre- und Forschung in der Normalarbeitszeit. Sie steht den Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck sowie der Medizinischen Fakultät Linz im klinischen Bereich additiv zu den im KA-AZG vorgesehenen Regelungen zur Verfügung. Im Fall ihrer Voll-Anwendung müssen innerhalb der Normalarbeitszeit mindestens zwölf Stunden der Lehre und Forschung gewidmet sein. Damit wurde ein weiterer Schritt zur Ermöglichung von Forschung und Lehre in der Normalarbeitszeit gesetzt.

Doz.(FH) Dr. Lukas Stärker
ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2017