Nationalratswahl 2017: Die Ärzte, die Parteien

25.09.2017 | Politik


Praktisch auf allen bundesweiten Kandidatenlisten der Parteien für die Nationalratswahl finden sich Ärzte. Die ÖÄZ hat bei SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS nachgefragt, welchen Stellenwert Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitsthemen insgesamt in ihrer Partei haben. Von Agnes M. Mühlgassner und Wolfgang Wagner

Auf der Bundesliste der SPÖ finden sich insgesamt acht Ärztinnen und Ärzte. Allein sieben Ärzte finden sich auf der Bundesliste der ÖVP; dazu kommen noch die Ärztinnen und Ärzte auf den Landeslisten. Die FPÖ nominiert insgesamt fünf Ärztinnen und Ärzte; ebensoviele die NEOS und die Grünen. Bei GILT kandidiert ein Arzt, bei FLÖ vier, der KPÖ zwei und bei „Die Weissen“ ein Arzt. Der SPÖ sei es wichtig, in der Kandidatenliste „die Vielfalt Österreichs vom Geschlecht, dem Alter, der Herkunft, aber eben auch in Sachen Berufe widerzuspiegeln“, betont Georg Niedermühlbichler, Bundesgeschäftsführer der SPÖ. In den acht nominierten Ärztinnen und Ärzten sieht er einen „guten Mix aus Erfahrung, Erneuerung und Exzellenz“. ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger bezeichnet es angesichts der Breite der Bewegung der Liste Sebastian Kurz als „logisch“ „dass auch erfahrene Ärzte und Experten im Gesundheitsbereich an vorderen Plätzen aufgestellt sind. Dazu zählen etwa der Leiter der klinischen Abteilung für Herzchirurgie am AKH Wien, Univ. Prof. Günther Laufer, und der Bundessektionsobmann Turnusärzte in der ÖÄK, Karlheinz Kornhäusl – er führt in der Steiermark einen Vorzugsstimmenwahlkampf.

Die FPÖ hat mit Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch – sie ist seit 2007 Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Nationalrat – eine erfahrene Politikerin nominiert; Zahnarzt Andreas Karlsböck ist aktuell Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses, dem er schon seit 2008 angehört. „Bei der FPÖ hatten und haben Ärzte immer einen zentralen Stellenwert auf parlamentarischer Ebene“, heißt es dazu auf Anfrage der ÖÄZ im freiheitlichen Parlamentsklub.

Ein etwas anderes Procedere gibt es bei „DIE GRÜNEN“ sowie den NEOS. „Grüne Kandidaten bewerben sich normalerweise um einen Listenplatz nicht aufgrund ihres Berufes, sondern weil sie für politische Inhalte stehen, die sie im Parlament vertreten möchten.“ Deswegen hätten sich „Grüne, die auch Ärzte sind“, um ein Mandat beworben, teilt das Kommunikationsbüro der „GRÜNEN“ mit. NEOS wiederum nominiert keine Kandidaten, sondern erstellt über einen offenen Vorwahlprozess die Bundes- und Landeslisten, „bei dem sich alle Bürger aus allen Lebensbereichen bewerben können“, so die Presseabteilung der NEOS. Nach deren Ansicht sind Gesundheit und Pflege zwei Bereiche, die „in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen werden und einen großen und unmittelbaren Einfluss auf alle Bürger des Landes haben“. Nicht zuletzt deshalb legten NEOS mit ihrer Themensetzung „bewusst“ großen Wert auf den Gesundheitsbereich und „scheuen sich nicht davor, klare Positionen wie jüngst bei der Abschaffung des Pflegeregresses zu beziehen“. Dabei sei es für eine junge Bürgerbewegung wie NEOS „unerlässlich, auf die Expertise von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten zurückgreifen zu können“. Wenn nun eine solch große Zahl an Ärztinnen und Ärzten für den Nationalrat kandidiert, stellt sich unweigerlich die Frage, ob sie künftig mehr Gehör und Gewicht haben, wenn es um gesundheitspolitische Anliegen geht – und zwar nicht nur bei Abstimmungen, sondern auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung wie etwa bei der Planung der künftigen Gesundheitsversorgung.

Den Aussagen von Niedermühlbichler zufolge ist es der SPÖ wichtig, „bei gesundheitspolitischen Entscheidungen alle Stakeholder an einen Tisch zu bringen. Ärztinnen und Ärzte haben durch ihre Vertretung, die Ärztekammer, eine starke Stimme in der Gesundheitspolitik.“ Die Expertise der Ärztinnen und Ärzte sei auch heute schon sehr wertvoll für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung – das werde auch in Zukunft so bleiben, hält der SPÖ-Bundesgeschäftsführer fest.

Dass auch im Gesundheitsbereich in den vergangenen Jahren „viel verschlafen wurde“, stellt ÖVP-Generalsekretärin Köstinger fest und verweist auf das von Sebastian Kurz präsentierte 10-Punkte-Programm für das Gesundheits- und Pflegesystem (siehe dazu auch ÖÄZ 15/16 vom 15. August 2017). Diese Herausforderungen könnten nur unter Einbindung der Betroffenen gelöst werden. Köstinger weiter: „Unsere Ärzte und Ärztinnen wissen sehr gut, wo der Schuh drückt und was wir besser machen können. Nur mit ihrer Expertise und Meinung werden wir unser Gesundheitssystem fitter machen können.“

Die Forderungen der FPÖ

Ärztinnen und Ärzte „hatten und haben immer einen zentralen Stellenwert auf parlamentarischer Ebene“, so die Antwort aus dem freiheitlichen Parlamentsklub. Zu den Forderungen in der Gesundheitspolitik 2017 zählen etwa, dass der freie Berufsstand der Ärzte erhalten bleiben muss; Lehrpraxen entsprechend durch Sozialversicherungen und Gesundheitsministerium gefördert werden müssen; 200 Millionen Euro Förderung für die Übernahme von Arztpraxen und die Errichtung neuer Arztpraxen; kein DDR-System der Primärversorgungszenten unter dem Diktat der rot-schwarzen Sozialversicherungsfunktionäre; leistungsorientierte Kassenverträge für Ärzte; Ärzte müssen Ärzte anstellen dürfen, das heißt Weiterentwicklung der Ärzte-GmbH als KMUs; Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger ideal Drei Säulen Modell, das heißt eine Pensions-, Kranken- und Unfallversicherungsanstalt unter einem Dach sowie Umwandlung von Akutbetten in Pflegebetten – Einsparungspotential 4,75 Milliarden Euro.

„Selbstverständlich sind und bleiben die Ärzte für die Grünen wichtige Partner in der Gesundheitspolitik und bei gesundheitspolitischen Fragestellungen ebenso wie es auch andere Gesundheitsberufe (Pflege, MTD oder Psychotherapeuten) sind“, betont man im Kommunikationsbüro der „GRÜNEN“. Gleichzeitig vertreten sie jedoch den Standpunkt, dass „gesundheitspolitische Entscheidungen verstärkt auf Grundlage von Evidenz und Fakten statt aufgrund von standespolitischem Einfluss oder länderspezifischen Interessen zu treffen sind“.

Für die NEOS „war und ist es selbstverständlich, auf das Know-How von internen und externen Experten zuzugreifen“, sagt deren Sprecher Clemens Gaiger. Dabei orientierten sie sich an den Empfehlungen dieser Experten und ermöglichten es den NEOS, fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. „Somit haben Ärztinnen und Ärzte sowie Experten im Gesundheits- und Pflegebereich stets eine zentrale Rolle bei der Planung und Umsetzung unserer Positionen“, betont Gaiger.

Die alles entscheidende Frage, die sich damit natürlich stellt, ist: Werden Gesundheitsthemen künftig insgesamt stärker präsent sein und thematisiert werden?

Niedermühlbichler dazu: „Gesundheit ist seit den Anfängen unserer Bewegung Kernkompetenz der SPÖ.“ Zentrales Anliegen sei es, dass alle Menschen im Land einen niederschwelligen Zugang zur „besten Gesundheitsversorgung und gleiche Chancen auf Gesundheit haben“. Im internationalen Vergleich sei das österreichische Gesundheitssystem schon jetzt top; aber es gebe auch Verbesserungsbedarf, deswegen „optimieren wir es laufend. Sei es mit der Gesundheitsreform, den neuen regionalen Gesundheitszentren oder zahlreichen anderen Initiativen für die Gesundheit wie zum Beispiel dem kostenfreien Kinderimpfprogramm“.

Im Bereich Gesundheit und Pflege seien laut Köstinger Land und Gesellschaft „besonders gefordert“. Es brauche entschiedenere Schritte und gemeinsame Anstrengungen, um für positive Veränderung zu sorgen. Vor allem in Wien müsse der niedergelassene Bereich gestärkt und die oft überfüllten Spitalsambulanzen entlastet werden. Die ÖVP-Generalsekretärin weiter: „Die Versorgung durch mehr Hausärzte mit längeren Öffnungszeiten muss verbessert sowie Anreize im ländlichen Bereich zum Beispiel durch Landarzt Stipendien gesetzt werden.Darin sieht sie „eine der großen Hauptaufgaben“ der nächsten Regierung.

Von Seiten des freiheitlichen Parlamentsklubs verweist man bei der Beantwortung dieser Frage auf die bereits zuvor präsentierten Forderungen für die Gesundheitspolitik 2017.

Finanzierung und Primärversorgung

Dass einige große gesundheitspolitische Themen zur Debatte anstehen werden, konstatieren die „GRÜNEN“. Dazu zählen etwa die Sicherstellung der Finanzierung der Gesundheitsversorgung, der Ausbau der Primärversorgung oder die Absicherung einer qualitativ hochwertigen kassenfinanzierten Versorgung ohne langen Wartezeiten. „Nicht zuletzt ist es notwendig, dass die bestehende Zwei-Klassen-Medizin zurückgedrängt wird“, heißt es aus dem Kommunikationsbüro der „GRÜNEN“. Dabei handle es sich um „große Themen“, die den Menschen wichtig seien. So sei der gesamte Gesundheitsbereich „ein gesellschaftlich stark umkämpftes Feld. Wir Grünen werden uns für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle – ohne Zuzahlung – einsetzen.“

NEOS: „am System sparen“

Vor allem in der grundlegenden Organisation und Verwaltung sehen die NEOS „starken Aufholbedarf“, um für die Bürgerinnen und Bürger die optimale Versorgung sicherstellen zu können. „NEOS wollen am System sparen statt bei Patienten und Ärzten“, so NEOS-Sprecher Clemens Gaiger. Außerdem wolle man zu einem Umdenken im Bereich der Gesundheitsvorsorge beitragen: „Während der Fokus momentan überwiegend auf der Reparaturmedizin liegt, sehen wir in einer besseren Informationsleistung sowie in Anreizen für die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, die Gesundheitsvorsorge nachhaltig zu stärken.“

SPÖ:
Univ. Doz. Pamela Rendi-Wagner (2.; derzeit nicht in der Ärzteliste – Anm.)
Dr. Miriam Leitner, Wien (96.)
Dr. Josef Schlömicher-Thier, Köstendorf (181.)
Dr. Mario Krammel, Wien (205.)
Dr. Petra Mairinger, St. Florian am Inn (219.)
Dr. Adiet Ngosso, Wien (313.)
Dr. Susanne Karlsböck, Maishofen (437.)
Dr. Reinhard Resch, MSc, Krems/Donau (438.)
Dr. Agate Burger-Rafael, Salzburg (445.)

Die neue Volkspartei:
Prim. Dr. Werner Saxinger, Linz (15.)
Univ. Prof. Dr. Günther Laufer, Wien (25.)
Dr. Karlheinz Kornhäusl, Graz (27.)
Univ. Prof. Dr. Christian Lampl, Katsdorf/OÖ (39.)
Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, Wien (66.)
Dr. Roman Ostermann, Wien (71.)
Dr. Heinz Gyaky, Bad Tatzmannsdorf/Bgld. (75.)

FPÖ:
Dr. Brigitte Povisyl, Linz (33.)
Dr. Andreas Karlsböck, Wien (77.)
Dr. Manfred Fiebinger (174.)
Dr. Kerstin Apfelthaler-Bejvl, St. Florian (218.)
Dr. Reinhart Waneck, Wien (289.)

Die Grünen:
Dr. Helga Ruschka, Lieboch (63.)
Dr. Alexander Trojovsky, Graz (73.)
Dr. Fidelius Krammel, Salzburg (138.)
Dr. Julia Ghahramani, Großstübing (149.)
Dr. Günter Ranftl, Großpetersdorf (173.)

NEOS:
Dr. Sebastian Huber, Salzburg (73.)
Dr. Marion Nolden, Ternitz (248.)
Dr. Anton Pruntsch, Krumpendorf (273.)
Dr. Herbert Vonbank, Lech (325.)
Dr. Bernhard Wurzer, Innsbruck (339.)

G!LT:
Dr. Michael Ehrenberger, Mogersdorf (40.)

FLÖ:
Dr. Karl Schnell, Hinterglemm (2.)
Dr. Hubert Wallner, MBA, Wals (8.)
Dr. Gerfried Lexer, Klagenfurt (10.)
Dr. Gerhard Hirschlehner, Golling (62.)

KPÖ Plus:
Dr. Eva Baumgartner, Wien (33.)
Dr. Rudolf Gabriel, Eisenstadt (94.)

Die Weissen:
Dr. Leopold Spindelberger, Wien (20.)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2017