Natio­nal­rats­wahl 2017: Die ers­ten Wahlversprechen

15.08.2017 | Politik

Kurz vor der Som­mer­pause hat die öster­rei­chi­sche Innen­po­li­tik noch ein Finale Furioso hin­ge­legt: Es gab die ers­ten Wahl­ver­spre­chen. So legte der nun­meh­rige ÖVP-Chef Sebas­tian Kurz „10 Vor­stel­lun­gen“ zu Gesund­heit und Pflege vor. Den öster­rei­chi­schen Ärz­ten bleibt rund um die Natio­nal­rats­wahl 2018 zu hof­fen: Vor der Wahl Gesag­tes gilt auch nach der Wahl.
Von Wolf­gang Wagner

Sebas­tian Kurz prä­sen­tierte seine Ideen zu Tei­len des öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sens unmit­tel­bar nach dem Beginn der Dis­kus­sion über die Abschaf­fung des Pfle­ge­re­gres­ses. „Limits für War­te­zei­ten. Mehr Haus­ärzte gegen über­füllte Ambu­lan­zen und Zwei-Klas­sen-Medi­zin. Sicher­heit schaf­fen bei Demenz­er­kran­kun­gen sowie in der Hos­piz- und Pal­lia­tiv­ver­sor­gung. Tele-Medi­zin bezie­hungs­weise bei E‑Health. Miss­brauchs­be­kämp­fung. Büro­kra­tie abbauen. Bonus für Vor­sorge“ – so lau­ten die Über­schrif­ten in Sachen Gesundheit. 

Dazu kamen die Finan­zie­rung der Pfle­ge­kos­ten aus dem Bud­get (Kurz: „Jemand, der ein Pfle­ge­fall wird, soll nicht anders behan­delt wer­den als jemand, der an Krebs erkrankt. Bei bei­den Lebens­ri­si­ken, die jeden tref­fen kön­nen, muss die Gesell­schaft soli­da­risch unter­stüt­zen. – Das bedeu­tet auch das Aus für den Pfle­ge­re­gress.“) und die Ent­las­tung von Ange­hö­ri­gen, die pfle­gen. Kurz: „Die Ange­hö­ri­gen sind der größte Pfle­ge­dienst des Lan­des und ver­die­nen unsere volle Unter­stüt­zung. Der Staat hat die Auf­gabe best­mög­lich zu unter­stüt­zen. Ein ser­vice­ori­en­tier­ter Staat darf die pfle­gen­den Ange­hö­ri­gen nicht wie Bitt­stel­ler behandeln.“

Ambu­lante Ver­sor­gung

Wäh­rend sich die öffent­li­che Debatte schnell auf die Frage kon­zen­trierte, ob nun die E‑Card mit einem Foto des Ver­si­cher­ten ver­se­hen wer­den sollte oder nicht, könn­ten für die Pati­en­ten und die Ärz­te­schaft vor allem die Ideen in Sachen der ambu­lan­ten Ver­sor­gung außer­halb der Spi­tä­ler wich­tig wer­den. „Der nie­der­ge­las­sene Bereich muss gestärkt und die Spi­tä­ler und die teil­weise über­füll­ten Spi­tals­am­bu­lan­zen ent­las­tet wer­den. Ver­sor­gung durch mehr Haus­ärzte mit län­ge­ren Öff­nungs­zei­ten ver­bes­sern und Anreize im länd­li­chen Bereich zum Bei­spiel durch Land­arzt-Sti­pen­dien set­zen“, meinte der nun­meh­rige ÖVP-Chef.

Details sol­len erst im Laufe des nach der Som­mer­pause eigent­lich begin­nen­den Inten­siv­wahl­kampfs vor­ge­stellt wer­den. ÖVP-Gesund­heits­spre­cher Erwin Rasin­ger sagte dazu gegen­über der ÖÄZ: „Wir set­zen auf den Haus­arzt. Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung und die Pflege ‚vor Ort‘ muss das Ziel sein. Es geht ja zuneh­mend um Mul­ti­mor­bide und alte Men­schen ohne Auto. Die kön­nen nicht ein­fach zu einem Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­trum fah­ren.“ Und wei­ter: „Wir haben in Öster­reich rund 2.100 Gemein­den. Und wir wol­len einen nie­der­ge­las­se­nen Arzt, der in jeder Gemeinde die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung über­neh­men kann.“ Das hätte auch struk­tur­po­li­ti­sche Vor­teile. „Zuerst geht die Bank weg, dann schließt die Post. Für kleine Gemein­den sol­len nie­der­ge­las­sene Haus­ärzte Zwei­tor­di­na­tio­nen eröff­nen können.“

Der ÖVP-Gesund­heits­spre­cher will den Schwer­punkt in der haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung sehen. „Die Haus­ärzte wer­den deut­lich schlech­ter bezahlt als die Fach­ärzte. Der Fall­wert ist um 40 Pro­zent gerin­ger. Gleich­zei­tig sind die Öster­rei­cher ‚Welt­meis­ter im Spi­tal lie­gen‘. Wenn man in den Spi­tä­lern die dort nicht unbe­dingt zu erbrin­gen­den Leis­tun­gen um zehn Pro­zent redu­ziert, muss man die Leis­tun­gen ‚drau­ßen‘ hin­auf­fah­ren.“ Fazit von Rasin­ger: „Dann brau­chen wir 1.000 Kas­sen­stel­len mehr. Heute kann man 80 Pro­zent der Krebs­the­ra­pien ambu­lant durch­füh­ren. Es gäbe die Mög­lich­keit für Dia­be­tes-Fach­pra­xen oder Fach­pra­xen für Schild­drü­sen­er­kran­kun­gen. Das gibt es in Öster­reich alles nicht, die Ver­sor­gung fin­det zumeist aus­schließ­lich im Spi­tal statt.“ Laut den Vor­stel­lun­gen, die Kurz prä­sen­tierte, soll es auch eine spe­zi­elle Unter­stüt­zung für die Nie­der­las­sung als Land­arzt geben – neben dem Erhalt von ärzt­li­chen Haus­apo­the­ken.

Bei­spiel Psychiatrie

Als fach­spe­zi­fi­sches Bei­spiel nannte der ÖVP-Gesund­heits­spre­cher auch die Psych­ia­trie: „Wir haben jede Menge Psy­cho­the­ra­peu­ten, aber viel zu wenige Kas­sen­psych­ia­ter. In Wien sind es bei­spiels­weise nur 27. Und statt der­zeit 24 Kin­der- und Jugend­psych­ia­ter mit Kas­sen­stel­len wür­den wir in Öster­reich 100 benötigen.“

Schließ­lich müsse – neben den in Öster­reich guten Mög­lich­kei­ten für die Früh­erken­nung von Krank­hei­ten – auch die Pri­mär­prä­ven­tion end­lich geför­dert wer­den: „Die Schwei­zer finan­zie­ren das aus der Tabak­steuer. Wir haben hier nichts.“ Der Fonds Gesun­des Öster­reich hätte gerade ein­mal 7,3 Mil­lio­nen Euro pro Jahr zur Ver­fü­gung. 20 Cent zweck­ge­bun­den aus der Tabak­steuer pro Packung oder die Auf­sto­ckung der Mit­tel auf 50 Mil­lio­nen Euro pro Jahr wären drin­gend not­wen­dig, um die Pri­mär­prä­ven­tion in Öster­reich voranzutreiben.

Unnö­tige Chef­arzt-Begut­ach­tun­gen (Arz­nei­mit­tel) gehör­ten ebenso abge­schafft wie das „wahn­sin­nige“ Aus­maß, wel­ches die Büro­kra­tie im Gesund­heits­we­sen erreicht hätte. „Und mit ELGA droht noch ein­mal eine Ver­schär­fung der Situa­tion“, meint Rasin­ger, der mit sei­ner Par­tei auch die Spit­zen­me­di­zin Öster­reichs för­dern will: „Wir wol­len das Wie­ner AKH unter die drei bes­ten Kli­ni­ken Euro­pas brin­gen – und fünf Spi­tä­ler Öster­reichs unter die 50 bes­ten international.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 15–16 /​15.08.2017