Lehrpraxis: Pilotprojekt wird Regelbetrieb

30.06.2017 | Politik

Zumindest im „Ländle“ soll das bisherige Pilotprojekt in die vom Gesetzgeber mit der Gesundheitsreform geplante Dauerlösung übergeführt werden. Während man sich in Vorarlberg auf eine Finanzierung einigen konnte, gibt es in den anderen Bundesländern noch keine entsprechenden Beschlüsse.
Von Wolfgang Wagner

Sehr langsam bewegt sich das österreichische Gesundheitswesen auf die permanente Einführung von Lehrpraxen für künftige Ärzte zu. Einen entscheidenden Schritt vorwärts bedeutete ein 2014 beschlossenes und auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt in Vorarlberg von Bund, Bundesland, Vorarlberger GKK, Ärzte-kammer, Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft und Stadt Dornbirn. Jetzt steht es gemäß der entsprechenden 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländern und Sozialversicherung vor einer dauerhaften Einrichtung und somit vor dem Regelbetrieb – im westlichsten und traditionell reformfreudigen Bundesland Österreichs.

Innovation und Zusammenarbeit

„In Vorarlberg hat man sich innovativ gezeigt. Alle Beteiligten haben zusammengearbeitet. So haben zum Beispiel die Krankenhausträger beim Pilotprojekt mit der Vorarlberger Ärztekammer die Planung und die Organisation übernommen. Der Erfolg gibt dem Projekt Recht. Die ersten Absolventen der Lehrpraxen in Vorarlberg in dem Versuch sind bereits als niedergelassene Kassenärzte im Montafon tätig“, sagt Silvia Türk, im Gesundheitsministerium für Qualitätssicherung und Gesundheitssystemforschung zuständig.

Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Ländle, Burkhard Walla, hatte ehemals auf Seite der Standesvertretung den Pilotversuch ausgehandelt: fünf Lehrpraxen, die jeweils einem der Krankenhäuser – Bregenz, Dornbirn, Bludenz, Feldkirch und Hohenems – zugeordnet wurden. Getestet wurden Lehrpraktika von sechs Monaten und zwölf Monaten. Ärzte in Ausbildung blieben Angestellte des jeweiligen Krankenhauses. Und weil sie in der Lehrpraxis nicht auf 40 Wochenstunden kamen, leisteten sie weiterhin drei Nachtdienste im Spital (vier Tage pro Woche in der niedergelassenen Praxis, zusätzlich die Nachtdienste). An der Notwendigkeit der Lehrpraxen für die Zukunft der Allgemeinmedizin lässt Kurienobmann Walla keinen Zweifel: „Wir brauchen acht bis zehn Ärzte pro Jahr, um den Ersatzbedarf bei den niedergelassenen Kassenärzten in den kommenden Jahren zu decken. Etwa 70 Prozent der niedergelassenen Kassenärzte werden bis 2030 in Pension gehen.“

Beim Pilotprojekt trugen der Bund 30 Prozent, 37 Prozent das Land sowie 33 Prozent je zur Hälfte die Lehrpraxisinhaber und die Gebietskrankenkasse sowie die Ärztekammer Vorarlberg (aus dem gemeinsamen Reformpool) zu den Kosten bei. Bei den Ordinationen waren 800 „Kassenscheine“ pro Quartal das Mindesterfordernis; ebenso musste auch ein DFP-Diplom nachgewiesen werden. Der Lehrpraktikant musste einen eigenen Arbeitsplatz in der Ordination haben, die EDV der Ordination auf dem Stand der Technik sein.

Vor kurzem haben sich in Vorarlberg alle Beteiligten auf die Überführung des Modells in den Regelbetrieb geeinigt. „Die Finanzierungsschlüssel sind 30 Prozent Land, 30 Prozent Sozialversicherung, 10 Prozent Bund, 16,5 Prozent Lehrpraxisinhaber, 13,5 Prozent Finanzierungsausgleich. Erhält der Lehrpraxisteilnehmer binnen drei Jahren nach Abschluss seiner Ausbildung zum Allgemeinmediziner eine Kassenstelle, so werden die 13,5 Prozent der noch offenen Gehaltskosten der Ausbildung des Lehrpraxisteilnehmers in der Lehrpraxis aus der Gesamtvergütung getragen. Bleibt der Lehrpraxisteilnehmer auch drei Jahre nach seinem Ausbildungsabschluss zum Allgemeinmediziner in einer Vorarlberger Krankenanstalt tätig, übernimmt der Landesgesundheitsfonds diesen Anteil. Für alle anderen Fälle werden die 13,5 Prozent Gehaltskosten je zur Hälfte aus der Gesamtvergütung und vom Landesgesundheitsfonds getragen. Ein laut Walla zweiter fixer Punkt: „Außerdem wird es einen Pool an Lehrpraxen geben, wo wir hoffen, dass sich möglichst viele bereit erklären, und es bleibt eine Auswahlmöglichkeit für die jungen Kolleginnen und Kollegen.“

Klar gestellt worden sei, dass jeder sich in Ausbildung zum Allgemeinmediziner Befindliche die Förderung für sechs Monate beanspruchen könne. Sonst ändere sich gegenüber dem Pilotprojekt nichts.

Schon seit mehr als zehn Jahren ist Thomas Jungblut, Präsident der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin, auf diesem Gebiet höchst aktiv. In seiner Ordination hat es mehr als ein Dutzend Turnusärzte als Lehrpraktikanten gegeben – und rund 50 Studenten für Praktika. Er sieht die Etablierung der Lehrpraxis österreichweit als zentrale Anforderung für die zukünftige Gestaltung des Gesundheitswesens: „Die Gesundheitsreform mit der Stärkung der Primärversorgung steht und fällt mit der Allgemeinmedizin und den Ärzten, die in der Zukunft bereit sein werden, in der niedergelassenen Praxis zu arbeiten. Da ist die Lehrpraxis ein zentraler Bestandteil für den Nachwuchs.“

In Vorarlberg will man sich jetzt bemühen, den Turnusärzten möglichst viele Lehrpraxen anbieten zu können. Thomas Jungblut dazu: „Wir wollen ja auch, dass die jungen Ärzte eine Reihe an Lehrpraxen haben, aus denen sie aussuchen können.“ Das wird natürlich in Zukunft auch für ganz Österreich beziehungsweise die anderen Bundesländer gelten. Für ganz Österreich wurde der jährliche Bedarf auf etwas mehr als 300 Lehrpraxisstellen geschätzt. Bleibt die Frage nach den übrigen Bundesländern. „Wir hoffen auf einen Schneeballeffekt“, sagt Silvia Türk vom Gesundheitsministerium. Andere Bundesländer würden bereits interessiert nach Vorarlberg blicken. Für eine weitergehende fixe Etablierung der Lehrpraxen in anderen Bundesländern fehlen (noch) die entsprechenden Beschlüsse.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 30.06.2017