Konferenz der Ärzte in Ausbildung: „Leader“ der Zukunft

15.12.2017 | Politik


Das Gesundheitswesen, die Medizin und die Herausforderungen für Ärztinnen
und Ärzte insgesamt werden immer komplexer – umso anspruchsvoller wird auch die Aufgabe der Führung. Um „Leadership“ drehte sich daher alles bei der dritten „Konferenz der Ärzte in Ausbildung“ Ende November in Wien. Von Marion Huber

Je größer die Herausforderungen in Gesundheitswesen und Medizin werden, umso anspruchsvoller wird auch die Aufgabe der Führung. Wie wappnet man junge Ärzte für die künftigen Entwicklungen? „Sie sind die Zukunft. Sie sind die, die in Zukunft die Patienten behandeln werden“, wandte sich ÖÄK-Präsident Univ. Prof. Thomas Szekeres bei der von der Kurie angestellte Ärzte ins Leben gerufenen Veranstaltung „#wirsinddiezukunft“ an die jungen Ärzte im Publikum. Damit sprach er zugleich eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens an: den Ärztemangel. Entgegen der OECD-Zahlen, die Österreich keinen Ärztemangel bescheinigen, werden mehr Ärzte gesucht, als am Markt verfügbar sind. Gründe gibt es bekanntlich viele: sie gehen ins Ausland, praktizieren nicht, etc. „Wir müssen die Bedingungen so attraktiv gestalten, dass nicht österreichische Ärzte ins Ausland gehen, sondern ausländische Ärzte nach Österreich kommen“, forderte Szekeres.

Die Rahmenbedingungen müssten auch insofern verbessert werden, als die Arbeitsplätze im Spital attraktiver werden müssen, weiß ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer und sprach u.a. die Entlastung von Administrations- und Dokumentationsaufgaben an. Außerdem könnten die Spitalsambulanzen entlastet werden, indem man das wohnortnahe Angebot
ausbaut. Dabei glaubt Mayer aber nicht, dass Primärversorgungseinheiten (PVE) ein „Allheilmittel“ sein werden: „Wir werden das nördliche Waldviertel damit nicht versorgen können, weil wir dort keine Zentren brauchen, sondern niedergelassene Ärzte, die bereit sind, hinzugehen.“ Für ein „flexibles, buntes“ System der Versorgungsformen sprach sich Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner aus. Man müsse es leichter möglich machen, im Team zu arbeiten, die finanziellen und rechtlichen Hürden beim Schritt in die Selbstständigkeit verkleinern und die Arbeitsbedingungen attraktiver machen. „Das ist die Aufgabe der Politik und im niedergelassenen Bereich sind die Sozialversicherungen gefragt“, resümierte sie. Und weiter: „Wir müssen jetzt gemeinsam das System so gestalten, dass der Arztberuf auch in Zukunft ein schöner Beruf sein kann – auch im öffentlichen Gesundheitssystem.“

Der Arzt als Clinical Leader

„Wir sind schon als junge Ärzte im weitesten Sinne ‚Clinical Leader‘. Wir lernen von Anfang an – vom ersten Nachtdienst an –, jeden Tag Entscheidungen zu treffen“, stellte Karlheinz Kornhäusl, Turnusärzte-Chef der ÖÄK, klar. Professionelles Leadership steht und fällt mit den Faktoren Teamwork, Motivation und Kommunikation. Deshalb sei eine neue Kultur des Fragens und Zuhörens in der Ausbildung gefragt: „Starkes Leadership bedeutet Training, Training, Training und ermutigt, Fragen zu stellen.“ Die wichtigste Ressource dafür sei Zeit: „Zeit ist eine meiner Hauptforderungen, wenn es um die Ausbildung geht.“ Bislang sei es aber nur in wenigen Abteilungen in Österreich gelungen, einen zusätzlichen Posten für die Ausbildung zu schaffen. Kornhäusl dazu: „Die Ausbildung muss endlich den Stellenwert bekommen, den sie verdient.“ Besonders die jungen Ärzte müssten aussprechen, wie sie sich die Zukunft vorstellen, so der Turnusärztevertreter: „Man darf ein bisschen jammern, aber man muss auch Lösungen anbieten.“

Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer Salzburg: „Wir sollten uns auf die künftigen Herausforderungen vorbereiten und überlegen, was die jungen Ärzte in Zukunft brauchen werden. Wir müssen ihnen schon viel früher das Werkzeug in die Hand geben, das sie später brauchen werden.“

Aus dem Publikum: „Es ist eine Frage der Werte, der Kultur: Heute läuft ein junger Arzt quasi als Nummer x einfach mit. In vielen Bereichen fehlt das Mentoring. Wenn nicht jeder Arzt von Beginn an die Kultur mitträgt, dass er die Jungen etwas lehrt, wird es schwer, die Versorgung aufrecht zu erhalten.“

Univ. Prof. Gerhard Luef, MedUni Innsbruck: „Im KPJ zum Beispiel gibt es ein Mentoring. Da hat der junge Arzt einen Mentor, bekommt etwas gezeigt, wird an der Hand genommen. In diese Richtung muss es gehen.“

Martina Hamböck, Assistenzärztin, MedUni Wien:
„Ein Hauptproblem der Lehrkultur ist, dass Forschung und Lehre für sich jeweils ein Vollzeitjob sind: eigentlich müssten Personen dezidiert dafür freigestellt werden.“

Der Arzt in Wissenschaft und Forschung

Im Vortrag von Univ. Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Gender Medicine Unit der MedUni Wien, ging es um Leadership in der Wissenschaft und um Frauen als Leader. Obwohl es immer mehr Frauen in der Medizin gibt, sind Führungspositionen vergleichsweise selten von Frauen besetzt. „Im universitären Karriereverlauf wird die Schere zwischen Männern und Frauen größer“, sagte Kautzy-Willer. Ab etwa dem 30. Lebensjahr gehe die Führungsverantwortung immer deutlicher in Richtung Männer. Ein Grund: Familiengründung. Was noch auffällt: In Österreich und Deutschland gibt es auffällig viele kinderlose Professorinnen. „Mit mehr als 40 Prozent ist deren Anteil deutlich höher als in anderen europäischen Staaten.“ Für Kautzy-Willer sind beides klare Zeichen dafür, dass man familienfreundlichere Bedingungen im System schaffen muss. Was Ärztinnen wie auch Ärzten helfen kann, den Triple Track aus Forschung, Lehre und Klinik zu bewältigen: „Management und Führung müssen schon früh im Studium gelehrt werden“, ist Kautzky-Willer überzeugt.

Julia Wunsch, ÖH-Vorsitzende der MedUni Wien: „Führung wird während des Studiums nur in extracurricularen Aktivitäten gelehrt und hängt von der Eigeninitiative ab. Auch die Forschung wird im Studium relativ klein geschrieben. Man kommt nur damit in Kontakt, wenn man sich aktiv darum bemüht.“

Martina Hamböck, Assistenzärztin, MedUni Wien: „Die Qualität der wissenschaftlichen Betreuung ist ein Schlüsselpunkt, um die Motivation und das Interesse der jungen Leute für die Wissenschaft zu erhöhen.“

Johanna Zechmeister, ÖH-Vorsitzende: „Was passiert mit den jungen Ärzten, die in den Triple Track kommen? Sie arbeiten keine Vollzeit, sondern viel mehr – und das wollen wir Jungen oft einfach nicht. Wir wollen Work-Life-Balance, wir wollen leben und arbeiten.“

Der Arzt, Leadership und soziale Kompetenz

Unternehmer und Coach Harald R. Preyer sprach über die „Megatrends der Menschheit“ Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Wachstum und ihre Bedeutung für Ärzte. Weil sich all diese Trends und Entwicklungen nicht bremsen lassen, dürfe die Herzlichkeit nicht auf der Strecke bleiben. „Als Arzt sollten Sie Ihren Patienten schätzen und mit dem Namen ansprechen. Lassen Sie ihn nicht eine Nummer sein, wirken Sie nicht gleichgültig ihm gegenüber“, appellierte Preyer. Einerseits brauche es medizinisch hochqualitifzierte Ärzte, andererseits in der Führung auch immer mehr soziale und emotionale Kompetenz. „Es gibt aber wenige Möglichkeiten, das zu lernen“, gab er zu bedenken.

Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer Salzburg: „Die künftigen Entwicklungen sind unausweichlich. Die Ärzteschaft wird sich der Frage stellen müssen, wie sie sich dahingehend positionieren wird. Was ist das Arztbild, das Selbstverständnis, das Besondere des Arztes in der Zukunft? Es wird noch viel mehr als heute um Arzt-Patienten-Kontakt gehen, um Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Konfliktlösung. Die humanistische und emotionale Seite des Arztberufes wird noch mehr in den Vordergrund rücken.“

Matthias Vavrovsky, Assistenzarzt, Krankenhaus Barmherzige Brüder Salzburg: „Diese modernen Trends führen uns oft weg von der Emotion. Aber genau darauf sollten wir uns wieder zurückbesinnen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2017