Kommentar – Lukas Stärker: Medizinstudium: Aufnahmetests sind kontraproduktiv

10.04.2017 | Politik

Immer wieder sorgen die Aufnahmetests an den Medizinischen Universitäten für Gesprächsstoff – nicht zu Unrecht. Von Lukas Stärker*

Eine kritische Betrachtung ergibt aus folgenden Punkten eine kontraproduktive Wirkung: Gegen Eingangstests spricht, dass diese ja nur Vorwissen prüfen können. Aber sagt ein entsprechendes Vorwissen in naturwissenschaftlichen Fächern etwas darüber aus, ob derjenige ein guter Arzt sein wird? Wohl nicht. Schon viel eher trifft der Eingangstest Aussagen darüber, ob jemand ein guter Student sein wird. Diese Vermutung unterstützt auch eine einschlägige Stellungnahme zum Bericht „Evaluation der Eignungstests für das Medizinstudium in Österreich“ aus dem Jahr 2008, wonach „eine hohe Prognosekraft bezüglich des Studienerfolgs das eigentliche Kriterium der Brauchbarkeit für einen Eignungstest darstellt“. Die entscheidende Frage ist: Wollen wir gute Studenten oder später gute Ärzte? Interessant ist darin auch die Feststellung, dass „auch Abgelehnte das Studium bewältigen können – aber entweder in längerer Zeit oder mit schlechteren Leistungen, wenn der Test richtig funktioniert“. Damit ist die Katze aus dem Sack: Es geht um angepasste, pflegeleichte und gute Studenten. Hier sollte der Blick wohl über den Uni-Tellerrand hinaus auf das spätere Berufsleben gerichtet sein.

Geschlechterunterschied

Auch der Aspekt Geschlechterunterschied spricht gegen Aufnahmetests: Nur weil (österreichische) Frauen bei einem Test schlechter abgeschnitten haben als Männer, heißt das nicht, dass sie später schlechtere Ärztinnen sein werden – der EMS soll ja den Studienerfolg vorhersagen. Genau hier liegt die eigentliche Themenverfehlung, da Österreich gute Ärzte braucht und nicht bloß gute Studenten.

Freie Studienwahl

Wenn der Staat die Entscheidung übernimmt, ob jemand ein bestimmtes Studium beginnen darf oder nicht, greift er nicht nur über Gebühr in das Privatleben seiner Bürger ein, sondern übernimmt damit auch Verantwortung für diese Entscheidung und deren Einfluss auf das weitere Berufsleben dieser Person. Beides gilt es hintanzuhalten. Die Entscheidung und Verantwortung, ein bestimmtes Studium zu beginnen und auch abzuschließen, sollte der einzelne Bürger treffen. Ein weiterer Aspekt ist die derzeitige Altersverteilung der Ärzte: Österreich kann es sich nicht leisten, Talente frühzeitig durch Aufnahmetests von ihrem eigentlichen Berufswunsch fernzuhalten.

Numerus Clausus: ungeeignet

Eigenartig ist auch die Situation in Deutschland, die Studienberechtigungen für bestimmte Fächer u.a. an einen konkreten Notendurchschnitt zu binden („Numerus Clausus“, „Abiturbestenquote“). Dies hat zur Folge, dass etwa der Chemielehrer in der Schule durch entsprechende Aussagen und Drohungen in puncto Notenvergabe Druck auf die Schüler ausüben kann. Nur: Was sagt die Chemieleistung in der Schule über die Fähigkeit aus, später ein guter Arzt oder Jurist zu werden? Gar nichts. Daher ist es positiv, dass es zumindest der Numerus Clausus noch nicht über die Grenze geschafft hat.

Zustromproblematik: andere Lösung erforderlich

Eines der Argumente für einen Aufnahmetest an den Medizinischen Universitäten ist beispielsweise, dass österreichische Universitäten sonst von Studierenden aus anderen EU-Mitgliedstaaten überschwemmt würden. Zweiteres ist richtig, nur ist der Konnex zu Ersterem nicht zwingend. Richtigerweise ist diese Frage auf EU-Ebene oder bilateral zwischen den betroffenen EU-Mitgliedstaaten zu lösen. Wäre dieses Thema von Österreich mit ebenso großem Elan wie die Ablehnung der Einführung einer Autobahnmaut in Deutschland betrieben worden, gäbe es hier wohl schon eine Lösung.

Fazit

Besser und sachgerechter wäre es daher, wenn jeder, der Arzt werden möchte, auch ein Medizinstudium beginnen darf. Ein qualitativ hochwertiges Studium sorgt ohnedies automatisch dafür, dass nicht jeder Studienanfänger sein Studium auch abschließt. Daher sollte die in den letzten Jahren reduzierte Anzahl der Studienplätze im Bereich des Medizinstudiums wieder erhöht werden. Das dafür notwendige Geld sollte uns eine gute künftige Ärzte-Generation wert sein.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2017