Inter­view – Johan­nes Stein­hart: Künf­tige Pri­mär­ver­sor­gung: viele Fra­gen offen

10.03.2017 | Politik

Wieso der von der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte geplante Kri­sen­gip­fel auf den 15. März ver­scho­ben wurde und worum es dabei geht, erklärt Kuri­en­ob­mann Johan­nes Stein­hart im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.

ÖÄZ: Warum hat die Bun­des­ku­rie die Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung ‚Kri­sen­gip­fel der Ärz­tin­nen und Ärzte‘ um eine Woche ver­scho­ben?
Stein­hart: Wegen des Todes von Minis­te­rin Sabine Ober­hau­ser haben wir uns von Sei­ten der Kurie aus Grün­den der Pie­tät und aus Respekt vor einer Kol­le­gin dazu ent­schlos­sen. Es war die Zeit der öffent­li­chen Trauer und der Verabschiedung.

Wieso laden Sie über­haupt dazu ein?
Es liegt ein Ent­wurf für ein Gesetz über die künf­tige Pri­mär­ver­sor­gung vor. Wir wol­len bei die­ser Ver­an­stal­tung die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen über die mög­li­chen dro­hen­den Ände­run­gen, die die­ser Ent­wurf mit sich bringt, infor­mie­ren. Der Beginn wurde auf 18 Uhr ver­legt, weil wir zahl­rei­che Rück­mel­dun­gen erhal­ten haben, dass so zumin­dest noch ein Teil der regu­lä­ren Ordi­na­tion mög­lich ist.

Was kri­ti­sie­ren Sie kon­kret am vor­lie­gen­den Ent­wurf?
Wir haben ja 16 erfolg­lose Ver­hand­lungs­run­den hin­ter uns. Auch jetzt hat man ein­mal mehr ein Papier erstellt, ohne die Ärz­te­kam­mer sub­stan­ti­ell ein­zu­bin­den, was sich inhalt­lich als gewal­ti­ges Manko erweist. Über­spitzt for­mu­liert: Die­ses Papier wirft mehr Fra­gen auf als es beant­wor­tet. So ist zum Bei­spiel völ­lig unge­klärt, wel­chen Ein­fluss Ärzte in die­sen Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­hei­ten tat­säch­lich haben sol­len. Oder: Wel­che Betei­li­gungs­mög­lich­kei­ten sind wirk­lich geplant? Unge­klärt sind auch die Zustän­dig­kei­ten bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen. Wenn der Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum in sol­chen Geset­zes­ent­wür­fen zu groß wird, müs­sen wir als Ärz­te­ver­tre­ter lei­der immer von der übels­ten Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­keit ausgehen.

Wird es auch wei­ter­hin Ein­zelor­di­na­tio­nen geben?
Die soll es auch wei­ter­hin geben, aller­dings sieht der Ent­wurf mit­tel- bis lang­fris­tig eine dra­ma­ti­sche Reduk­tion vor. Nach den uns vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen sol­len bis 2025 bis zu zwei Drit­tel der Ein­zel­ver­träge mit Ärz­ten, die bis dahin das 65. Lebens­jahr errei­chen, in Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­hei­ten umge­wan­delt wer­den. Das würde 40 Pro­zent aller Ärzte ent­spre­chen und ist völ­lig unrea­lis­tisch. Es muss auch in Zukunft gewähr­leis­tet sein, dass die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wie gewohnt zu ihrem All­ge­mein­me­di­zi­ner in die Ein­zelor­di­na­tion gehen kön­nen. Wir wer­den auch dar­auf ach­ten, dass Netz­werk­mo­delle wie etwa styriamed.net, das ja von Ärz­ten ent­wi­ckelt wurde und her­vor­ra­gend funk­tio­niert, wei­ter aus­ge­baut wer­den. Die ver­ant­wort­li­chen Ent­schei­dungs­trä­ger wer­den ein­fach nicht darum herum kom­men, bei der Pla­nung der künf­ti­gen Pri­mär­ver­sor­gung auf die Exper­tise von uns Ärz­ten zu hören und sie auch ent­spre­chend zu berücksichtigen.

Für wie rea­lis­tisch hal­ten Sie es, dass Ände­run­gen noch mög­lich sind?
Der jet­zige Ent­wurf ist alles andere als dazu ange­tan, die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte zu stär­ken. Ich sehe darin nur eine logi­sche Fort­set­zung der 15a-Ver­ein­ba­rung und des Ver­ein­ba­rungs­um­set­zungs­ge­set­zes. Man will den Spar­kurs im Gesund­heits­we­sen fort­set­zen, zen­tra­li­sie­ren und die Vor­aus­set­zun­gen dafür schaf­fen, dass fach­ärzt­li­che Leis­tun­gen leich­ter in Kran­ken­häu­ser ver­la­gert wer­den kön­nen. Es weicht also völ­lig vom Kon­zept ‚Das Team rund um den Haus­arzt‘ ab, das die Bun­des­ziel­steue­rungs­kom­mis­sion 2014 beschlos­sen hat. Und all das vor dem Hin­ter­grund, dass der Haupt­ver­band kürz­lich selbst zuge­ge­ben hat, dass ärzt­li­che Leis­tun­gen, die in Kas­sen­am­bu­la­to­rien erbracht wer­den, dem öffent­li­chen Gesund­heits­sys­tem mehr Kos­ten ver­ur­sa­chen als wenn sie im nie­der­ge­las­se­nen Bereich erbracht wer­den. Das Gesetz, mit dem die künf­tige Pri­mär­ver­sor­gung gere­gelt wer­den soll, soll angeb­lich noch vor dem Som­mer beschlos­sen wer­den. Das ist ja auch der Grund, warum wir diese Ver­an­stal­tung jetzt machen. Auch unsere Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne ‚Gesund­heit: Weni­ge­rist­NICHT­mehr‘ wer­den wir fortsetzen.

Der par­la­men­ta­ri­sche Gesund­heits­aus­schuss hat fest­ge­hal­ten, dass bei der Pri­mär­ver­sor­gung wesent­li­che Eck­punkte ein­zu­hal­ten sind. Wie sieht es damit aus?
Ursprüng­lich hatte es gehei­ßen, dass Ambu­la­to­rien, an denen sich Inves­to­ren betei­li­gen, mehr­heit­lich im Eigen­tum von Ärz­ten ste­hen müs­sen. Das ist jetzt nicht mehr ganz so klar. Auch gibt es plötz­lich neue Kün­di­gungs­mög­lich­kei­ten für Ein­zel­ver­träge, wenn ein PHC-Zen­trum kommt. Das ist eigent­lich ein Wahn­sinn. Das kön­nen wir nicht still­schwei­gend hinnehmen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2017