Das, was die Regierungsparteien als Gesundheitsreform bezeichnen, wurde am 14. Dezember des Vorjahres mit den Stimmen von Koalition und Grünen beschlossen. Auch wenn auf dem Verhandlungsweg und durch die von der ÖÄK initiierte Kampagne „Gesundheit: weniger ist NICHT mehr“ einiges erreicht werden konnte, sind einige zentrale Punkte nach wie vor ungeklärt. Darüber hinaus hat der Gesundheitsausschuss zur Primärversorgung festgehalten, dass wesentliche Eckpunkte einzuhalten sind. Von Agnes M. Mühlgassner
Im Dezember hat der Nationalrat mit den Stimmen von Koalition und Grünen die Art. 15a-Vereinbarungen sowie das Vereinbarungsumsetzungsgesetz beschlossen. Die Ziele, die mit dieser Gesundheitsreform verfolgt werden, sind offensichtlich: sparen und zentralisieren. Auch ist eine weitere Ausgrenzung der ÖÄK aus den Entscheidungsprozessen erfolgt.
Auf die Verschlechterungen in der medizinischen Versorgung, die sich durch diese Veränderung abzeichnen, hat die ÖÄK in den Wochen vor dem Parlamentsbeschluss im Rahmen einer groß angelegten Kampagne unter dem Motto „Gesundheit: weniger ist NICHT mehr“ hingewiesen. Damit und auch durch intensive Verhandlungen ist es gelungen, einige Bedrohungen abzuwenden und Klarstellungen zu erreichen. Und zwar:
- Bei Zurücklegung der §2‑Kassen bleiben die kleinen Kassen erhalten. (Geplant war, bei der Zurücklegung des §2‑Kassenvertrages die Verträge mit den kleinen Kassen wegzunehmen).
- Der Wahlarztkostenrückersatz wird nicht gestrichen.
- Keine Einschränkung der Nebenbeschäftigung. (Geplant war ein Nebenbeschäftigungsverbot).
- Keine unmittelbare Verlagerung von Fachärzten in Krankenhäuser.
Offen sind folgende Punkte:
- Flexibilisierung der ärztlichen Ausbildung (inklusive Notarztausbildung), wobei noch unbekannt ist, was das bedeuten soll;
- Notärzte: Die Länder wollen eine Änderung der Dienstnehmereigenschaft und damit ein Unterlaufen des KAAZG. (Notärzte sollen aus den Stundenbeschränkungen des KA-AZG herausgenommen werden, indem man sie zu freiberuflich selbstständigen Unternehmern machen will.)
- KA-AZG: Die Länder wollen eine Aufweichung der Bestimmungen.
Weiterhin aufrecht sind folgende Bedrohungen:
- Verbindlichkeit von ÖSG und RSG. (Derzeit erfolgt die Stellenplanung zwischen Kasse und Kammer, wobei immer die Kammern Druck gemacht haben, dass eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist. Nun fällt dieses Korrektiv weg; es wird als Verordnung festgelegt.)
- Verpflichtung der Vertragspartner, ÖSG/RSG einzuhalten
- Fragen der Primärversorgung sind nur in Grundsätzen angesprochen. Dies soll nun in einem Gesetz geregelt werden. Darüber muss es noch Verhandlungen geben. Dazu gibt es auch eine Ausschussfeststellung des Gesundheitsausschusses.
- Bedarfsprüfungsverfahren für ambulante Krankenanstalten werden erleichtert, wenn eine Versorgungsnotwendigkeit im ÖSG/RSG enthalten ist.
- Verstärkung der Kostendämpfung im Gesundheitswesen
- Die von der Politik in Aussicht gestellten 200 Millionen Euro für Primärversorgungseinheiten stammen aus dem aktuellen Honorarvolumen der Sozialversicherung. Es handelt sich dabei nicht um zusätzliches Geld.
- Die öffentliche Hand ist nicht bereit, die Ausbildung in der Lehrpraxis vollständig zu finanzieren.
- KaKuG: Wegfall von Standard-Krankenanstalten in der Basisversorgung; Möglichkeit, alle Standard-Krankenanstalten weiter herunter zu fahren; Bindung der Krankenanstaltenplanung an ÖSG-Zielvorstellungen
- Bei vertragslosem Zustand: Die Spitalsambulanzen müssen die Versorgung des niedergelassenen Bereichs übernehmen.
Wenige Tage darauf befasste sich die Vollversammlung der ÖÄK mit den Beschlüssen des Parlaments. Wie ÖÄKPräsident Artur Wechselberger betonte, sei es „inakzeptabel“, dass dieses Gesetz ohne Begutachtung beschlossen wurde und kündigte weitere Aktivitäten an. Es sei auch weiterhin dezidiertes Ziel, die „finanzielle Bedeckung des niedergelassenen Bereichs zu stärken, die staatliche Einflussnahme zu reduzieren und die starke Stimme der Ärzteschaft in die politische Diskussion einzubringen“.
Zum weiteren Procedere hat der Gesundheitsausschuss eine Ausschuss-Feststellung getroffen. Darin heißt es u.a., dass die „erforderlichen näheren Umsetzungsbestimmungen zur Primärversorgung“ dem Nationalrat im ersten Halbjahr 2017 zur Beschlussfassung vorzulegen ist. Damit soll u.a. sichergestellt werden, dass etwa für die Versorgung im niedergelassenen Bereich bei der Vergabe von Kassenverträgen zuerst niedergelassene Vertragsärzte oder andere niedergelassene Vertragspartner einbezogen werden; ebenso müssen Ambulatorien, an deren Errichtung sich Investoren beteiligen, unter maßgeblichem ärztlichen Einfluss stehen.
Wechselberger sieht in der Ausschuss-Feststellung eine „einmalige Chance, den verfahrenen Karren noch einmal flott zu bekommen“. Es sei allgemein bekannt – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Kassenstellen von Allgemeinmedizinern und Fachärzten immer schwerer zu besetzen sind –, dass die Primärversorgung gestärkt werden müsse. Ein entsprechendes Konzept – „Das Team rund um den Hausarzt“, das die Bundes-Zielsteuerungskommission im Jahr 2014 beschlossen hat – liegt dafür vor, erinnert Wechselberger. Und er fordert einen Neustart der Diskussion – unter Einbindung der Ärztekammer. „Es ist an der Zeit, dass sich die politischen Entscheidungsträger zu einem konstruktiven und nachhaltigen Dialog mit den Ärzten bereit erklären.“ Damit solle verhindert werden, dass Gesetze von ideologisch motivierten Technokraten erstellt werden, die dann in der Realität nicht umsetzbar sind.
Wohnortnah statt Staatsmedizin Zuerst wird über die künftige Primärversorgung verhandelt, betont der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart. Er schließt aber weitere Protestmaßnahmen nicht aus, falls der Staatsmedizin der Vorrang gegenüber der wohnortnahen Versorgung gegeben wird. Das Gespräch führte Agnes M. Mühlgassner. Welches Resümee ziehen Sie aus den Ärzteprotesten vom 14. Dezember? Gestreikt wurde ja nur in drei Bundesländern. Und trotzdem wurde das Gesundheitspaket im Parlament beschlossen. Für den Ausbau der Primärversorgung soll es künftig ja konkret 200 Millionen Euro geben. Wie geht es nun weiter? Wenn man hier auf keinen grünen Zweig kommt? |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1–2 /25.01.2017