9. Symposium der ÖÄK: Neue Generation, neue Aufgaben

25.02.2017 | Politik

Zwei Faktoren werden die Gesundheitssysteme in Deutschland und Österreich bald maßgeblich verändern: der Generationswechsel in der Ärzteschaft und die digitale Entwicklung. Im Rahmen des 9. Internationalen Symposiums der ÖÄK haben sich Ärztevertreter aus beiden Ländern über Probleme und Lösungen ausgetauscht. Von Marion Huber

Wir Ärzte sind gut beraten, bei diesen Entwicklungen die Federführung zu übernehmen, sonst werden es jene tun, die andere Interessen haben, denen Kontrolle und Steuerung wichtiger sind als medizinische Aspekte“, betonte ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger. Vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen werde man schauen müssen, wie man die qualitätsvolle Versorgung der Patienten und die qualitätsvolle Ausbildung der Jungen sicherstellt. „Man muss die Ärzte endlich das machen lassen, wozu sie angetreten sind. Dann sind auch die Herausforderungen zu bewältigen“, ist er überzeugt. Politik und Krankenhausträger werden die Bedingungen dafür schaffen müssen.

Durch die junge Ärztegeneration und deren Vorstellungen vom Berufsleben wird man neue Wege finden müssen, um das Gesundheitssystem zu organisieren. Flexible Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuungsmöglichkeiten, eine hohe Ausbildungsqualität und die viel zitierte Work-Life-Balance – das fordern die Jungen. „Work-Life-Balance“ – ein Wort, das Karlheinz Kornhäusl, Bundes-Sektionsobmann der Turnusärzte, nicht gerne verwendet, „weil es zwei Dinge als Gegensatz kämpfend gegenüberstellt, die eigentlich keiner sind“. Für ihn ist Arbeit Teil des Lebens, nicht das Gegenteil. Darum müssen die Arbeitsbedingungen aber so gestaltet sein, dass man sein Leben auch leben kann, fügte Annette Rommel, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, hinzu: „Dann ist der Arztberuf der schönste Beruf der Welt.“

Dennoch ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Kornhäusl ein zentrales Thema, „bei dem Politik, Träger, Länder gefordert sein werden, Lösungen zu finden“. Das scheint in Deutschland nicht anders zu sein: Die Landesärztekammer Hessen befragt seit Herbst 2009 alle Studenten im ersten Semester sowie während und nach der Weiterbildung zu ihren Erwartungen. Was laut der Studienverantwortlichen Nina Walter auffällt: Die Grundhaltungen vor und nach dem Studium haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Für die Befragten steht beim Arztberuf die Vielfalt der Tätigkeit an erster Stelle, gefolgt von der Einhaltung der Arbeitszeiten, dem Angebot an Fortbildung und einer hohen Lebensqualität – erst danach kommt gute Bezahlung. Langfristig wollen 39,5 Prozent im Krankenhaus und 37,3 Prozent im niedergelassenen Bereich arbeiten. Erschreckend: Nur 7,5 Prozent wollen Hausärzte werden. Und dies trotz aller Anstrengungen, die in Deutschland diesbezüglich unternommen werden. „Der Anteil, der Hausarzt werden will, steigt seit Jahren nicht“, resümierte Walter.

Digitale Möglichkeiten – und Grenzen

„Die digitale Entwicklung wird das Gesundheitswesen in einem Ausmaß und Tempo treffen, das wir uns heute noch nicht vorstellen können“, blickte Karl Forstner, Präsident der Salzburger Ärztekammer, in die Zukunft. Vor allem die junge Generation wird damit vor ganz andere Herausforderungen gestellt. „Wir müssen uns fragen, wie sich damit das Berufsbild des Arztes verändert, wie wir die Jungen dafür ausbilden und wie wir Ärzte die Entwicklung mitgestalten können.“

Mitgestalten – etwas, das man den Ärzten bei der Entwicklung von ELGA bislang vorenthalten hat, wie Herwig Lindner, steirischer Ärztekammer-Präsident, kritisierte. Dies trotz aller Probleme, die sich aufgetan haben: Die Verantwortlichen hätten nicht nur die Kosten für die Implementierung schwer unterschätzt, auch die Umsetzung lasse zu wünschen übrig – Stichwort: fehlende Suchfunktion in ELGA, mangelhafte Datensicherheit etc. pp. Auch beim Probebetrieb der E-Medikation im steirischen Deutschlandsberg habe man einen „Bauchfleck erster Güte“ hingelegt, zählte Lindner die „gravierenden Fehler“ auf: lange Zugriffszeiten, immer wieder sei die Software abgestürzt, das Programm technisch unausgereift, die Bedienung umständlich, die Oberfläche unübersichtlich – die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Für Lindner ist klar: „Ein System, das ohne Mithilfe der Ärzte und gegen ihren Willen eingeführt wird, wird scheitern.“

Die elektronische Patientenakte – wie das deutsche Pendant zur österreichischen ELGA heißt – ist auch in Deutschland „äußerst umstritten“, schilderte Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen. Dies obwohl in Deutschland – im Gegensatz zu Österreich – Ärzte bei der Entwicklung beteiligt waren, weil sie Gesellschafter der verantwortlichen Gesellschaft „gematik“ (für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) sind. Noch ein Unterschied: Die deutsche Patientenakte setzt – anders als ELGA – auf ein Opt-in. Auch wenn in Deutschland die Theorie „gut abgesteckt“ zu sein scheint, ist die Umsetzung in der Praxis fraglich. Datensicherheit, Kostenfrage und Finanzierung sind dort – ebenso wie bei uns – noch offen.

Insgesamt wurden in Deutschland bislang mehr als 210 Telemedizin-Projekte angemeldet. Auch wenn durch Telemedizin teilweise ganz neue Leistungen möglich werden, „wird der Patientenkontakt in keiner Weise dadurch ersetzt, sondern bestenfalls unterstützt“, stellte Prof. Antje Bergmann vom Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer klar. In Sachsen wird etwa zurzeit im Rahmen des „Atmosphäre“-Projekts ein ganzheitlicher Versorgungsansatz für multimorbide Patienten über 65 Jahren mit beginnenden kognitiven Defiziten oder psychischen Erkrankungen über eine IT-Plattform von zuhause erprobt. Die Experten aus Österreich und Deutschland waren sich einig: Um Telemedizin-Projekte wie dieses voranzutreiben, brauche es entsprechende Investitionen sowie Abrechnungsmöglichkeiten für Ärzte.

Was hat Deutschland in Sachen EHealth, das Österreich nicht hat? Eine nationale „digitale Agenda“ und ein Telematikregister, wie Dietmar Bayer, ÖÄK-Referent für Telemedizin, ausführte. „Wir brauchen außerdem eine nationale Institution, die die Rahmenbedingungen und Anwendung von E-Health überwacht.“ Für die ÖÄK steht bei dieser Entwicklung jedenfalls eines an erster Stelle: „E-Health hat sich der Patientensicherheit zu unterwerfen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2017