The­ra­pie­re­sis­tente Osteo­po­rose: Die wah­ren Ursachen

30.06.2017 | Medizin

Häu­figs­ter Grund für das The­ra­pie­ver­sa­gen bei Osteo­po­rose ist nicht die Resis­tenz, son­dern die inkor­rekte oder unre­gel­mä­ßige Ein­nahme der Medi­ka­mente. Rund die Hälfte der männ­li­chen Betrof­fe­nen lei­det unter einer sekun­dä­ren Osteo­po­rose, was den Grund für eine neu­er­li­che Frak­tur dar­stellt. Die Suche nach Kom­or­bi­di­tä­ten sollte bei Män­nern des­we­gen beson­ders inten­siv aus­fal­len. Von Mar­lene Weinzierl

Zwi­schen zehn bis 50 Pro­zent aller Osteo­po­rose-Pati­en­ten, die sich in Behand­lung befin­den, spre­chen nur unge­nü­gend auf die The­ra­pie an, weiß Univ. Prof. Hans Peter Dimai von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin an der Med­Uni Graz. Hin­weise auf alters- oder geschlechts­ab­hän­gige Prä­va­len­zen gibt es nicht. Aller­dings: Die meis­ten Stu­dien bis­lang wur­den an post­me­no­pau­sa­len Frauen durch­ge­führt. Hier zeigte sich, dass Frauen, die einen Vit­amin D‑Mangel auf­wei­sen, ein beson­ders hohes Risiko für eine The­ra­pie­re­sis­tenz haben. Für die Beur­tei­lung des The­ra­pie­er­fol­ges gibt es keine inter­na­tio­nal ein­heit­li­che Defi­ni­tion – sehr wohl jedoch drei Fak­to­ren, die Aus­schlag gebend sind: Kno­chen­dichte, Kno­chen­stoff­wech­sel und das Auf­tre­ten von wei­te­ren Frak­tu­ren, betont Univ. Prof. Hein­rich Resch von der II. Medi­zi­ni­schen Abtei­lung des Kran­ken­hau­ses der Barm­her­zi­gen Schwes­tern in Wien.

Die Kno­chen­dichte ist ein belieb­ter Sur­ro­gat-Mar­ker und sollte ein Jahr nach The­ra­pie­be­ginn zuge­nom­men haben. Die­je­ni­gen, bei denen es zu kei­nem adäqua­ten Anspre­chen in der Kno­chen­mine­ral­dichte kommt, sind „theo­re­tisch Non-Respon­der oder the­ra­pie­re­sis­tent“, führt Dimai aus. Und er schränkt sofort ein, dass dies ein „ris­kan­ter Ansatz“ sei. Denn auch wenn es ein Jahr nach The­ra­pie­be­ginn zu kei­nem Anstieg der Kno­chen­mine­ral­dichte kommt, pro­fi­tie­ren die Betrof­fe­nen trotz­dem inso­fern, als das Frak­tur­ri­siko gesenkt wird. Des­halb habe man sich auf inter­na­tio­na­ler Ebene wie folgt geei­nigt: Ein Ver­dacht auf The­ra­pie­re­sis­tenz besteht dann, wenn es bei den Betrof­fe­nen nach Ende des ers­ten The­ra­pie­jah­res zu einem Kno­chen­mine­ral­dichte- Ver­lust von mehr als fünf Pro­zent gekom­men ist.

Das The­ra­pie-Moni­to­ring erfolgt außer­dem über das Blut­bild: Die Mar­ker für den Kno­chen­um­bau müs­sen sich je nach The­ra­pie „ganz erheb­lich und rela­tiv rasch nach Beginn der Behand­lung ver­än­dern“, sagt Dimai. Bei einer anti­re­sorp­ti­ven The­ra­pie wird der Kno­chen­um­satz gebremst und ein Absin­ken der Kno­chen­um­satz­mar­ker um 50 bis 70 Pro­zent erwar­tet, wäh­rend ana­bole Medi­ka­mente den Kno­chen­um­satz beschleu­ni­gen und die Mar­ker inner­halb von weni­gen Wochen nach The­ra­pie­be­ginn anstei­gen soll­ten. Kon­sens besteht auch darin, dass ein Ver­dacht auf The­ra­pie­re­sis­tenz besteht, wenn mit einer anti­re­sorp­ti­ven The­ra­pie nicht min­des­tens eine 25-pro­zen­tige Abnahme der Kno­chen­um­bau­mar­ker erzielt wurde.

Ziel der The­ra­pie ist es, Frak­tu­ren zu ver­hin­dern. Des­we­gen muss man bei den­je­ni­gen, die im Rah­men der The­ra­pie eine wei­tere Frak­tur erlei­den, daran den­ken, dass die The­ra­pie mög­li­cher­weise nicht anspricht. Grund­sätz­lich ist es so, dass das Frak­tur­ri­siko nicht eli­mi­niert, son­dern maximal gesenkt wer­den kann. Dimai dazu: „Eine Frak­tur ist ein sto­chas­ti­sches Ereig­nis, das auch bei Pati­en­ten, die sich in Behand­lung befin­den, Monate oder sogar ein Jahr nach dem The­ra­pie­be­ginn auf­tre­ten kann.“ – Was aber kein Beweis für ein The­ra­pie­ver­sa­gen ist. In gro­ßen Stu­dien wurde publi­ziert, dass das Frak­tur­ri­siko unter adäqua­ter Behand­lung um 50 bis 70 Pro­zent redu­ziert wer­den kann. Das bedeu­tet aber im Gegen­zug, dass min­des­tens ein Drit­tel der Betrof­fe­nen unter The­ra­pie eine Frak­tur erlei­den. „Hier auto­ma­tisch von einer Resis­tenz zu spre­chen, wäre völ­lig falsch“, betont Dimai. Beim mög­li­cher­weise ent­ste­hen­den Ver­trau­ens­ver­lust beim Pati­en­ten müsse man Über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten und Ver­ständ­nis für diese Reak­tion zei­gen. Selbst wenn es nach einer ein­jäh­ri­gen The­ra­pie zu einer neu­er­li­chen Frak­tur kommt, „lohnt es sich für den Pati­en­ten, wenn er kon­se­quent wei­ter­be­han­delt wird“, weiß Dimai. Aller­dings sei eine Eva­lua­tion der Risi­ko­fak­to­ren „unbe­dingt notwendig“.

Wirkt die First-Line-The­ra­pie mit Bis­phos­pho­na­ten nur mäßig und es kommt wäh­rend der The­ra­pie zu einer oder meh­re­ren Frak­tu­ren, ist „mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit“ (Dimai) eine medi­ka­men­töse Umstel­lung not­wen­dig. Liegt der Grund für die Osteo­po­rose nicht nur in einer Osteo­klas­ten-Hyper­ak­ti­vi­tät, son­dern im ver­min­der­ten Kno­chen­an­bau, ist eine anti­re­sorp­tive Behand­lung mit Bis­phos­pho­na­ten oder Deno­sumab nicht effek­tiv genug, sind sich die Exper­ten einig. Als Second-Line-The­ra­peu­tika zur Sti­mu­la­tion der Oste­oblas­ten ste­hen der­zeit Teri­pa­ratid oder Stron­ti­um­ra­nelat zur Ver­fü­gung. Die­ses wird aller­dings vom Her­stel­ler mit August 2017 vom Euro­päi­schen Markt zurück­ge­zo­gen wer­den. Die Indi­ka­tion ist vor allem bei der Kor­ti­son-indu­zier­ten Osteo­po­rose und bei männ­li­chen Pati­en­ten häu­fig gege­ben. „Hier zeigt sich bei bestimm­ten For­men der Osteo­po­rose eine Oste­oblas­ten-Insuf­fi­zi­enz“, berich­tet Resch. Nicht zuletzt kön­nen häu­fig auch Mess­feh­ler wie zum Bei­spiel fal­sche Mess­geo­me­trie oder unter­schied­li­che Appa­rate ein man­gel­haf­tes Anspre­chen vor­täu­schen – und soll­ten des­we­gen immer berück­sich­tigt werden.

The­ra­pie­re­sis­tenz: die Ursachen

Nicht die Resis­tenz, son­dern die inkor­rekte oder unre­gel­mä­ßige Ein­nahme der Medi­ka­mente ist der häu­figste Grund für The­ra­pie­ver­sa­gen, berich­tet Resch aus der Pra­xis. „Wir wis­sen, dass die The­ra­pie nach einem Jahr nur noch von 60 Pro­zent der Pati­en­ten durch­ge­führt wird.“ Um die not­wen­dige Adhä­renz zu erzie­len, kann es hilf­reich sein, beim „Kom­fort“ anzu­set­zen. Die Aus­wei­tung des Ver­ab­rei­chungs­in­ter­valls – Infu­sio­nen nur ein­mal jähr­lich oder Sprit­zen alle sechs bis zwölf Monate – kommt vie­len Betrof­fe­nen entgegen.

Ein zu nied­ri­ger Vit­amin-D-Spie­gel ist ebenso häu­fig Grund für das Nicht-Anspre­chen der The­ra­pie. „Wenn in einen Vit­amin D‑Mangel hin­ein­be­han­delt wird, kann man auch keine Effi­zi­enz erwar­ten, weil der wich­tigste Mine­ra­li­sa­ti­ons­fak­tor fehlt“, erklärt Resch. Auch müss­ten die Para­me­ter für die Kno­chen­re­sorp­tion wie etwa Cross­laps über­prüft wer­den: Feh­lende Sup­p­ri­mie­rung (der Wert sinkt trotz The­ra­pie nicht gegen Null) deu­tet auf eine unzu­rei­chende Resorp­tion des Medi­ka­men­tes hin. Eine mög­li­che Ursa­che kann eine Erkran­kung im Gas­tro­in­testi­nal­trakt sein.

Knapp die Hälfte der männ­li­chen Pati­en­ten lei­det unter einer sekun­dä­ren Osteo­po­rose, was den Aus­sa­gen der Exper­ten zufolge „oft“ über­se­hen wird. Sekun­däre Ursa­chen sind häu­fig ein Grund für eine neu­er­li­che Frak­tur im Rah­men einer The­ra­pie, wes­we­gen bei männ­li­chen Betrof­fe­nen die Suche nach Kom­or­bi­di­tä­ten „beson­ders inten­siv“ aus­fal­len sollte, sagt Dimai. Aus­ge­schlos­sen wer­den soll­ten u.a. Ade­nome der Neben­schild­drüse, eine latente Hypo­thy­reose, eine Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz, Osteo­ge­ne­sis imper­fecta oder Hypo­phos­phat­a­sie. Auch häma­to­lo­gi­sche Erkran­kun­gen müs­sen abge­klärt werden.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​30.06.2017