Rausch­mit­tel: Von Alko­hol bis Heroin

15.08.2017 | Medizin


Auch wenn nach wie vor Alko­hol die häu­figste Ursa­che für die Ein­lie­fe­rung von jün­ge­ren Per­so­nen in die Not­auf­nahme am AKH Wien ist, sind spe­zi­ell alle For­men von Amphet­ami­nen sehr beliebte Rausch­mit­tel. Von Mar­lene Weinzierl

Amphet­amine stei­gern die Fre­quenz von Herz­schlag und Atem, kön­nen zu Hal­lu­zi­na­tio­nen füh­ren und sind durch erwei­terte Pupil­len erkenn­bar. Im Gegen­satz dazu sind steck­na­del­kopf­große Pupil­len das Kenn­zei­chen von Mor­phin­ver­gif­tun­gen; diese kom­men laut Ass. Prof. Mar­tin Fros­sard von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Not­fall­me­di­zin an der Med­Uni Wien „sel­te­ner“ vor. Bei Ver­dacht auf eine Mor­phin- oder Heroin-Ver­gif­tung wird Naloxon ver­ab­reicht; dabei ist dar­auf zu ach­ten, dass die Ampulle nicht im Schuss, son­dern je nach Wir­kung dosiert ver­ab­reicht wer­den sollte, macht Fros­sard aufmerksam.

Eine wei­tere, häu­fige Ursa­che für die not­fall­mä­ßige Ein­lie­fe­rung sind Schlaf­mit­tel­in­to­xi­ka­tio­nen durch Ben­zo­dia­ze­pine. Fros­sard dazu: „Einige möch­ten sich damit in rausch­ar­tige Zustände ver­set­zen, andere wie­derum neh­men sie in sui­zi­da­ler Absicht ein.“ Mit­tel der Wahl bei der Behand­lung ist Flumazenil.

Kokain-Ver­gif­tung

Nach wie vor ein Thema sind auch Ver­gif­tun­gen durch Heroin, sel­te­ner durch Kokain. Letz­tere fal­len mas­siv durch hyper­tone und tachy­karde Pha­sen sowie pekt­an­gi­nöse Beschwer­den auf. Dro­genab­usus kann spe­zi­ell im Falle von Kokain zu Krampf­an­fäl­len füh­ren, die mit der Gabe von kurz­wirk­sa­men Ben­zo­dia­ze­pi­nen the­ra­piert wer­den soll­ten, betont Univ. Prof. Harald Sitte vom Zen­trum für Phy­sio­lo­gie und Phar­ma­ko­lo­gie der Med- Uni Wien. Eine Ben­zo­dia­ze­pin-Ver­gif­tung selbst führe hin­ge­gen kaum jemals zu Krampf­an­fäl­len, ergänzt Frossard.

Die in den USA als „Date-Rape-Droge“ („k.o.-Tropfen“) bezeich­nete Sub­stanz ent­hält als Wirk­stoff Gamma-Hydroxy-But­ter­säure (GHB). Das unter ande­rem als Fel­gen­rei­ni­ger ver­kaufte „Liquid Ecstasy“ ist im Inter­net „leicht erhält­lich“ (Fros­sard) und ent­fal­tet vor allem in Kom­bi­na­tion mit Alko­hol seine fatale Wir­kung. „Plötz­lich ein­tre­tende Bewusst­lo­sig­keit macht die Betrof­fe­nen wil­len­los, sie wer­den zu leich­ten Missbrauchsopfern.“

Ein in Öster­reich immer wie­der vor­kom­men­des Phä­no­men ist, dass Gamma-Hydroxy-But­ter­säure im Rah­men von Geburts­tags­fei­ern in der Gruppe kon­su­miert wird. Dabei kommt es zu nicht steu­er­ba­ren On-Off-Phä­no­me­nen mit plötz­li­chem Tonus­ver­lust, die in der Folge zu rie­si­gen Riss-Quetsch-Wun­den füh­ren kön­nen. Die Betrof­fe­nen müss­ten – da Schutz­re­flexe feh­len – beatmet werden.

Tox-Scree­ning

Im Gegen­satz zu Amphet­ami­nen füh­ren Can­na­bi­no­ide eher zu einer Ver­lang­sa­mung des Duc­tus. Hier ist im Ernst­fall mit Hal­lu­zi­na­tio­nen und auch mit psy­cho­ti­schen Ereig­nis­sen zu rech­nen. Der Kon­sum von Amphet­ami­nen lässt sich durch ein Tox-Scree­ning im Harn rela­tiv rasch fest­stel­len, der „Harn-Triage-Test“ wird in der Not­auf­nahme bei Ver­dacht auf Dro­gen­miss­brauch rou­ti­ne­mä­ßig durch­ge­führt, erklärt Frossard.

Spe­zi­ell wenn Eltern den Ver­dacht haben, dass ihr Kind Dro­gen kon­su­miert, wen­den sie sich oft­mals zuerst an den Haus­arzt. Erste Hin­weise auf Dro­gen­kon­sum sind Ver­hal­tens­än­de­run­gen, die mit sozia­len Pro­ble­men ein­her­ge­hen, Kon­takte zu alten Freun­den wer­den abge­bro­chen, Des­in­ter­esse und Per­sön­lich­keits­ver­än­de­run­gen fal­len auf. Kenn­zei­chen eines Amphet­amin- oder Koka­in­kon­sums ist etwa ein über­stei­ger­tes Ego mit unge­wöhn­lich hoher Leis­tungs­be­reit­schaft, berich­tet Frossard.

Der Ein­fluss von Eltern oder Ärz­ten auf die Betrof­fe­nen ist in die­sen Situa­tio­nen sehr beschränkt; wird Druck aus­ge­übt, erweist sich das meist als kon­tra­pro­duk­tiv. Der Haus­arzt kann daher nur das Gespräch mit dem Betrof­fe­nen selbst suchen, eine Ver­trau­ens­ba­sis auf­bauen und ihn dazu bewe­gen, eine Bera­tungs­stelle auf­zu­su­chen. Die Initia­tive müsse aller­dings von den Betrof­fe­nen selbst kom­men, die sich zumeist scheuen, psych­ia­tri­sche Hilfe in Anspruch zu neh­men, unter­streicht Sitte. Es ver­weist dar­über hin­aus auf auch „che­ckit!“ – ein Kom­pe­tenz­zen­trum für Frei­zeit­dro­gen. Auf die­ser Web­site ist eine Über­sicht der aktu­ell kur­sie­ren­den Sub­stan­zen zu fin­den sowie aktu­elle War­nun­gen; dar­über hin­aus wird ein­mal im Monat auf Ver­an­stal­tun­gen kos­ten­los und anonym die Ana­lyse der psy­cho­ak­ti­ven Sub­stan­zen angeboten.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 15–16 /​15.08.2017