Impftag 2017: Impftag 2017

10.02.2017 | Medizin

Eine ethische Pflicht, sich impfen zu lassen, nennt ein Ethik-Experte als Begründung, wieso beim Impfen die Einschränkung der Autonomie gerechtfertigt ist. „Gesunde Gesellschaft – Gehört Impfen (noch) dazu?“ – diese Frage dominierte den diesjährigen Impftag unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ. Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt. Mit mehr als 700 Teilnehmern war das Interesse auch heuer ungebrochen groß. Von Marion Huber


IMPFPROGRAMME STEIGERN AKZEPTANZ

Neben dem Schutz des Einzelnen können Impfungen auch großen Nutzen für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung darstellen. Der Bevölkerungsnutzen wird aber nur dann tragend, wenn die Impfquote ausreichend hoch ist, wie Ole Wichmann, Leiter des Fachgebietes Impfprävention am Robert Koch Institut in Berlin, beim Impftag erklärte: „Umso entscheidender ist es, die Akzeptanz von Impfungen zu steigern.“ Durch nationale Impfprogramme – das heißt unter anderem durch die öffentliche Finanzierung und Bewerbung von Impfungen – könnten höhere Impfquoten erreicht werden.

AUTONOMIE VERSUS HERDENSCHUTZ?
Bei aller Autonomie und individuellen Impfentscheidung eines Menschen, dürfe man das Argument des Herdenschutzes nicht aus den Augen verlieren, warnte Univ. Prof. Matthias Beck vom Institut für Systematische Theologie und Ethik in Wien. Dabei stelle sich die Frage: Ist ein Eingriff in die Autonomie des Menschen gerechtfertigt, wenn es um den Schutz der Allgemeinheit geht? „Ja“, glaubt er. Wollen etwa Eltern ihr Kind nicht impfen lassen, könne man im Sinne des Kindeswohls die Eltern-Autonomie einschränken. Seine Begründung: „Es gibt eine ethische Pflicht, sich impfen zu lassen – für sich selbst, für das Kind und für die Gesellschaft.“

SCHULIMPFUNGEN: NIEDERSCHWELLIGER ZUGANG
Die Umsetzung der Impfempfehlungen ist gerade bei Schulkindern und Jugendlichen eine Herausforderung, „weil sie in diesem Lebensabschnitt wenig Arztkontakte haben“, gab Univ. Prof. Ulrich Heininger, Leitender Arzt für Infektiologie und Vakzinologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel, zu bedenken. In der Schule biete sich die Möglichkeit, auf Impflücken aufmerksam zu machen und zur Impfung aufzufordern. „Niedrige Durchimpfungsraten bei Schulkindern entstehen eher durch fehlende Impfgelegenheiten als durch eine Ablehnung der Impfung“, weiß Heininger. Durch Impfangebote in Schulen könnten die Akzeptanz und damit auch die Durchimpfungsraten erhöht werden.

OFF-LABEL-IMPFUNGEN: GENAU AUFKLÄREN
Wenn Impfungen aus medizinischer Notwendigkeit off-label durchgeführt werden, handelt es sich meist entweder um eine Abweichung von der Alterszulassung oder vom Impfintervall. „Der Arzt muss dabei Nutzen und Risiko genau abwägen und sorgfältig darüber aufklären“, erklärte der Impfreferent der ÖÄK, Rudolf Schmitzberger. Beispiele für Off-Label-Impfungen:

  • die intranasale Influenza-Impfung eines Erwachsenen, obwohl diese nur bis zum 18. Lebensjahr zugelassen ist
  • die Impfung gegen Meningokokken B nach dem „2 plus 1“-Schema statt des in Österreich zugelassenen „3 plus 1“-Schemas.

LIFESTYLE UND IMPFEN: KEIN GEGENSATZ
Mit dem Zusammenhang von Ernährung, Immunsystem und Impfungen beschäftigten sich Univ. Prof. Karl Zwiauer von der Kinder- und Jugendabteilung des Universitätsklinikum St. Pölten und Univ. Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. Fazit: Gesunde Ernährung und Immunstimulation können Impfungen nicht ersetzen, sondern höchstens unterstützen. Dennoch haben Mangelernährung und Übergewicht Auswirkungen auf das Immunsystem; der Impferfolg wiederum hängt von einem funktionierenden Immunsystem ab. Unspezifische Immunstimulation und -modulation können zwar zur Erhaltung der immunologischen Homöostase – also des Gleichgewichts zwischen Toleranz und Infektabwehr – dienen, können aber Impfstoffe zur Verhinderung von impfpräventablen Erkrankungen nicht ersetzen.

MASERN: KONSEQUENTER IMPFEN

Sorgenkind in Österreich ist nach wie vor die Masern-Durchimpfungsrate, wie Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium, betonte: „Im Europa-Vergleich sind wir ganz schlecht gestellt.“ Zum Erreichen des WHO-Ziels einer 95-prozentigen Masern-Durchimpfung fehlen in Österreich pro Jahr 4.500 Kinder, die gar nicht geimpft sind, und knapp 17.000 Kinder, die nur eine MMR-Dosis erhalten haben. Das Resümee von Rendi-Wagner: „Wir müssen früher und konsequenter als bisher zweimal impfen.“

Der neue Impfplan 2017 wurde überarbeitet und anwenderfreundlicher gestaltet. Die wesentlichsten Änderungen sind unter anderem:

ÜBERSICHTSTABELLE
Die Übersichtstabelle der empfohlenen kostenfreien und kostenpflichtigen Impfungen inklusive der Nachhol-Impfungen wurde zusammengefasst und übersichtlicher dargestellt (siehe Übersichtstabelle des Österreichischen Impfplans 2017).

FSME
Hinweise zu korrekten Applikation und Impfalter bei Erstimmunisierung

MASERN
Empfehlung nun bereits ab dem vollendeten 9. Lebensmonat

PNEUMOKOKKEN
Impfung mit dem konjugierten Pneumokokkenimpfstoff angeimpfter Personen bereits ein Jahr nach PPV23.

ALLGEMEINE ERLÄUTERUNGEN

  • Neues Kapitel „Vorgehen bei Lieferengpässen von Impfstoffen mit azellulärer Pertussiskomponente“
  • Neues Kapitel „Impfungen bei Allergie“
  • Neues Kapitel „Transmission von Impfviren“

Der Impfplan 2017 steht unter www.bmg.gv.at zum Download zur Verfügung

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2017