kurz & infor­ma­tiv: Medi­zi­ni­sche Kurzmeldungen

10.10.2017 | Medizin

Darm­flora kann Mul­ti­ple Skle­rose auslösen

An mehr als 50 ein­ei­igen Zwil­lings­paa­ren haben For­scher des Max-Planck Insti­tuts für Neu­ro­bio­lo­gie in Mün­chen unter­sucht, ob die Darm­flora die Ent­wick­lung von Mul­ti­pler Skle­rose beein­flusst. Jeweils einer der Zwil­linge war an MS erkrankt. Gen­tech­nisch ver­än­derte Mäuse, die mit Darm­pro­ben der erkrank­ten Zwil­linge geimpft wur­den, erkrank­ten zu fast 100 Pro­zent an einer MS-ähn­li­chen Gehirn-Ent­zün­dung. Damit ist laut den For­schern erst­mals bestä­tigt, dass Bestand­teile der Darm­flora von MS-Pati­en­ten eine funk­tio­nelle Rolle bei der Akti­vie­rung der T‑Zellen spie­len, die letzt­lich zu MS füh­ren kön­nen. In Tier­ver­su­chen wurde bereits gezeigt, dass Darm­bak­te­rien Mul­ti­ple Skle­rose ver­ur­sa­chen kön­nen; ver­glei­chende Unter­su­chun­gen an Men­schen waren bis­her nicht ein­deu­tig. Laut den For­schern ist es offen „ob und wel­che Dia­gnose- und The­ra­pie­ver­fah­ren dar­aus ent­ste­hen kön­nen“. APA

Pla­ce­bos wir­ken auch offen verabreicht

For­scher der Uni­ver­si­tät Basel haben an 160 Pro­ban­den deren Reak­tion auf Pla­ce­bos unter­sucht. Bei einem Hit­ze­test wurde eine Wär­me­platte am Unterar der Pro­ban­den immer hei­ßer; die Pro­ban­den soll­ten die Erhit­zung stop­pen, sobald sie uner­träg­lich wurde und die Schmerz­stärke auf einer Skala von 0 bis 100 bewer­ten. Auf­ge­teilt in vier Grup­pen erhiel­ten drei eine Pla­cebo-Creme, eine gar keine Salbe. Von den Pla­cebo-Grup­pen wusste eine nicht, dass es Pla­cebo ist; die ande­ren schon – aller­dings wurde nur eine Gruppe über den Pla­cebo-Effekt auf­ge­klärt. Beim wie­der­hol­ten Hit­ze­test bra­chen die Teil­neh­mer zwar etwa zur glei­chen Zeit die Erhit­zung ab, das sub­jek­tive Schmerz­emp­fin­den änderte sich aller­dings. Die Gruppe, die keine Salbe bekam, schätzte die Schmerz­in­ten­si­tät auf durch­schnitt­lich 64 Punkte. Die Gruppe, die wusste, dass sie ein Pla­cebo nahm, aber nicht über den Effekt auf­ge­klärt war, wer­tete ähn­lich. Jene Gruppe, die auch über den Pla­cebo-Effekt auf­ge­klärt war, wer­tete mit durch­schnitt­lich 60 Punk­ten so wie jene Teil­neh­mer, die dach­ten, sie hät­ten eine schmerz­lin­dernde Creme erhal­ten. „Die bis­he­rige Annahme, dass Pla­ce­bos nur wir­ken, wenn sie mit­tels Täu­schung ver­ab­reicht wer­den, sollte neu über­dacht wer­den“, so Cosima Locher von der Uni­ver­si­tät Basel. APA/​Pain


Neun­fach-HPV-Impf­stoff: Lang­zeit­stu­die beweist Effi­zi­enz

Wie­ner Wis­sen­schaf­ter um Univ. Prof. Elmar Joura von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kunde der Med­Uni Wien haben die Wir­kung des 2015 zuge­las­se­nen Neun­fach-HPV-Impf­stoffs in einer sechs­jäh­ri­gen Lang­zeit­stu­die bei Frauen zwi­schen 16 und 26 Jah­ren unter­sucht. Ergeb­nis: Die Vak­zine hat das Poten­tial, 90 Pro­zent aller Erkran­kun­gen zu ver­hin­dern. Damit ist sie bei Gebär­mut­ter­hals­krebs um 20 Pro­zent wirk­sa­mer als die erste Gene­ra­tion der Imp­fung, bei den Vor­stu­fen sogar um bis zu 30 Pro­zent und bei ande­ren Krebs­ar­ten wie Vagi­nal- oder Anal­kar­zi­nom um fünf bis 15 Pro­zent. Der Schutz hat eine bis zu 98-pro­zen­tige Effi­zi­enz. Nun soll die Wirk­sam­keit bei Frauen bis zum Alter von 45 Jah­ren unter­sucht wer­den. APA/​The Lancet


Schwan­ger­schafts­mo­le­kül gegen Endometriose

For­scher des Insel­spi­tals Bern haben bei der Suche nach neuen Behand­lungs­mög­lich­kei­ten von Endo­me­triose her­aus­ge­fun­den, warum sich die Sym­ptome wäh­rend einer Schwan­ger­schaft bes­sern. Das Mole­kül „Pre­Implan­ta­tion Fac­tor“ (PIF), das der Embryo pro­du­ziert, lin­dert Ent­zün­dungs­herde der Endo­me­triose und bringt – je nach Umfeld – auch Endo­me­trio­se­zel­len zum Abster­ben. „Weil PIF mit wich­ti­gen Ent­zün­dungs­zel­len inter­agiert, könn­ten wir damit erst­mals die Ent­zün­dungs­re­ak­tio­nen der Endo­me­triose beein­flus­sen“, so Stu­di­en­au­tor Mar­tin Mül­ler. Die For­scher wol­len nun die Mög­lich­keit einer kli­ni­schen Stu­die mit syn­the­tisch her­ge­stell­tem PIF prü­fen. APA/​PLOS One


Leber­kar­zi­nom: Cas­pase 8 als Hauptakteur

Das Team um Achim Weber vom Uni­ver­si­täts­spi­tal Zürich und Mathias Hei­ken­wäl­der vom Deut­schen Krebs­for­schungs­zen­trum in Hei­del­berg hat her­aus­ge­fun­den, dass das Enzym Cas­pase 8 mit­ver­ant­wort­lich für den pro­gram­mier­ten­Zell­tod beim Leber­kar­zi­nom ist. Um das Gewebe zu rege­ne­rie­ren, kommt es zu häu­fi­ger Zell­tei­lung, was lau­fend mehr Feh­ler in der DNA ver­ur­sacht und die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass­eine Leber­zelle zur Tumor­zelle wird. Letzt­lich erhöhe die chro­nisch gestei­gerte Zell­tod-Akti­vi­tät lang­fris­tig das Tumor­ri­siko. Die For­scher fan­den auch eine zweite wich­tige Funk­tion von Cas­pase 8: in einem Kom­plex mit wei­te­ren Pro­te­inen erkenne das Enzym DNA-Schä­den in den Leber­zel­len und leite deren Repa­ra­tur ein. Damit offen­bare sich ein wei­te­rer Mecha­nis­mus, mit dem Cas­pase 8 die Leber­zel­len schützt. APA


Über­ge­wicht: zu wenig spe­zia­li­sierte Zellen

Um her­aus­zu­fin­den, wes­halb stark Adi­pöse lang­sa­mer satt wer­den, haben Bas­ler For­scher Gewe­be­pro­ben von 24 Nor­mal­ge­wich­ti­gen sowie 30 stark Über­ge­wich­ti­gen vor und nach einer gewichts­re­du­zie­ren­den Ope­ra­tion unter­sucht. Sie­konn­ten zei­gen, dass Über­ge­wich­tige weni­ger von den Zel­len besit­zen, die Sät­ti­gungs­hor­mone pro­du­zie­ren. Auch die Ursa­che dafür fan­den die Wis­sen­schaf­ter um Bet­tina Wöl­ner­hans­sen vom St. Cla­ra­spi­tal in Basel her­aus: Bei Über­ge­wich­ti­gen war das Gleich­ge­wicht der Tran­skrip­ti­ons­fak­to­ren ver­än­dert, die nor­ma­ler­weise dafür sor­gen, dass Stamm­zel­len zu jenen Zel­len her­an­rei­fen, die Sät­ti­gungs­hor­mone pro­du­zie­ren. Aller­dings: Nach einem Magen­by­pass oder einer Sleeve-Gast­rek­to­mie erho­len sich sowohl das Gleich­ge­wicht der Tran­skrip­ti­ons­fak­to­ren als auch die Anzahl der Sät­ti­gungs­hor­mon-pro­du­zie­ren­den Zel­len. APA/​Scientific Reports


Infek­tiöse Bak­te­rien hel­fen ein­an­der gegen Antibiotika

For­scher um Tobias Bol­len­bach vom Insti­tute of Sci­ence and Tech­no­logy (IST) Aus­tria in Klos­ter­neu­burg haben die Wech­sel­wir­kun­gen von ver­schie­de­nen Krank­heits­er­re­gern unter­sucht. Sie haben bei 23 Pati­en­ten mit „Poly­mi­kro­biel­len­Harn­trakt-Infek­tio­nen“ ins­ge­samt 72 Krank­heits­er­re­ger iso­liert. Ein­zelne Pati­en­ten hat­ten bis zu fünf Mikro­ben, die ein­an­der beein­fluss­ten und kleine Öko­sys­teme bil­den. Den Unter­su­chun­gen von Bol­len­bach zufolge hel­fen sie ein­an­der auch gegen Anti­bio­tika, etwa indem eine Bak­te­ri­en­art diese Wirk­stoffe abbaut und damit die ande­ren davor schützt. Die Anti­bio­tika-Resis­tenz in sol­chen Bak­te­rien-Gemein­schaf­ten ist teils drei­mal so hoch wie bei den ein­zel­nen Arten. Sol­che Öko­sys­teme zu stö­ren und die Bak­te­rien zu schwä­chen, könnte als neue The­ra­pie-Stra­te­gie ver­wen­det wer­den. APA/​PNAS


Musik von Mozart gegen Epilepsie?

Ita­lie­ni­sche For­scher vom Insti­tut Ser­a­fico in Assisi haben unter­sucht, ob das Hören der Musik von Mozart die Epi­lep­sie-The­ra­pie unter­stützt. Das Insti­tut, das auf die Behand­lung von Kin­dern und Jugend­li­chen mit schwe­ren Behin­de­run­gen spe­zia­li­siert ist, hat jene Pati­en­ten in die Stu­die auf­ge­nom­men, die trotz medi­ka­men­tö­ser Behand­lung sechs Monate vor Beginn der Stu­die zwei epi­lep­ti­sche Anfälle erlit­ten hat­ten. Sie hör­ten ein hal­bes Jahr lang täg­lich 30 Minu­ten­die Mozart-Sonate K448. Bei jedem zwei­ten Pati­en­ten ging die Zahl der epi­lep­ti­schen Anfälle um 21 Pro­zent zurück. In zehn Pro­zent der Fälle tra­ten keine Anfälle auf. Die posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen der Musik von Mozart waren jedoch tem­po­rär. Nach eini­gen Mona­ten ohne Musik tra­ten die epi­lep­ti­schen Anfälle wie­der auf. APA

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2017