Kinderarzneimittelforschung: Innovation und Hoffnung

15.12.2017 | Medizin

Wir brauchen geprüfte Medikamente und Darreichungsformen, müssen die richtige Dosierung für die jeweilige Altersgruppe kennen. Und dafür brauchen wir Studien im Land“, betonte Univ. Prof. Ruth Ladenstein vom österreichischen Studiennetzwerk für Arzneimittel und Therapien OKIDS Mitte November bei einem Kongress in Wien. Arzneimittelforschung bei Kindern und Jugendlichen sei auch deshalb so wichtig, weil viele Betroffene nur im Rahmen von Studien Medikamente erhielten, die sie sonst nicht bekommen würden. Das betreffe vor allem Kinder mit seltenen angeborenen Erkrankungen, erklärte Univ. Prof. Wolfgang Sperl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Bei der hämatologischonkologischen Behandlung von Kindern ist Österreich europaweit gesehen führend. „Eine starke Vernetzung der Behandlungszentren ist dafür nötig, ist aber noch nicht in allen Bereichen selbstverständlich“, so Sperl. Doch sei man auf einem guten Weg: Gab es vor zehn Jahren bei lediglich einem Drittel der Arzneimittel eine klare Indikation oder Informationen für die Anwendung bei Kindern, ist dies heute „bei fast der Hälfte aller Medikamente der Fall“, berichtete Robin Rumler, Vizepräsident der Pharmig (Interessensgemeinschaft der pharmazeutischen Industrie). 2007 ist die Kinderarzneimittel-Verordnung (EU Paediatric Regulation), die spezifische Studien mit Kindern in allen Altersklassen vorsieht, in Kraft getreten. Seither sind mehr als 260 neue Medikamente in fast 30 verschiedenen Darreichungsformen für Kinder auf den Markt gekommen. In diesem Zeitraum gab es bei Studien eine Steigerung von 230 im Jahr 2006 auf knapp 400 heute – Tendenz weiter steigend.

Anreiz: Refinanzierung

Darüber hinaus erleichtern Refinanzierungs-Anreize wie zum Beispiel verlängerte Patentlaufzeiten die Umsetzung, betonte Rumler. Eine Studie für die Medikation bei Kindern ist völlig anders konzipiert als bei Erwachsenen: Der Patientenpool ist kleiner und es ist wesentlich mehr Personal(training) und Zeit erforderlich. Rumler dazu: „Bei dieser vulnerablen Patientengruppe ist es besonders wichtig, den Eltern und Kindern ausführlich zu erklären, was bei einer Studie passiert und das Nutzen-Risiko-Profil aufzuzeigen.“ Unterstützung für Ärzte gibt es in diesem Bereich durch die europäische Patientenakademie für therapeutische Innovationen EUPATI. Das Zauberwort dabei lautet „Patienteninvolvement“. Betroffene Eltern erhalten fundierte Informationen zu klinischer Forschung, was die Entscheidungsfindung erleichtert. Darüber hinaus können Betroffene ihren teils großen Erfahrungsschatz in die Planung und Durchführung der Studie miteinbringen. Das spart letztlich auch Kosten, weil die Ziele einer Studie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erreicht werden, wie eine Studie des King’s College London ergab.

In Österreich laufen aktuell Studien in 35 Indikationen in mehr als 14 Hauptbereichen der Pädiatrie. „Diese Studien bedeuten Innovation für Österreich und Hoffnung für die Patienten“, betonte Ladenstein. OKIDS – dessen Geschäftsführerin sie ist – setzt sich als Netzwerk für Arzneimittelstudien und Therapien bereits seit 2013 für die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Kindern ein, indem es Universitätskliniken, Spezialzentren und die Pharmaindustrie bei der Durchführung der Studien unterstützt. Wichtige Partner dabei sind unter anderen das Gesundheitsministerium, die Pharmig und EUPATI. OKIDS plant eine verstärkte Zusammenarbeit mit Pädiatern und niedergelassenen Ärzten. „Um die Ziele langfristig umzusetzen, ist jedoch eine bessere Basisförderung notwendig“, so Ladenstein. Ein weiteres erklärtes Ziel: die Bevölkerung über die Notwendigkeit, die Qualität und die Patientensicherheit im Rahmen von Studien besser aufklären.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2017