All­er­gi­sches Asthma bron­chiale: Oft betreuungsintensiv

25.03.2017 | Medizin

Pati­en­ten mit schwe­rem all­er­gi­schem Asthma wei­sen ten­den­ti­ell häu­fi­ger eine Schim­mel­pilz- oder eine Poly-Sen­si­bi­li­sie­rung wie bei­spiels­weise gegen Grä­ser, Tier­haare und Haus­staub­milbe auf. Trotz eines opti­ma­len Manage­ments benö­ti­gen etwa fünf Pro­zent der Betrof­fe­nen eine beson­ders inten­sive The­ra­pie. Von Mar­lene Weinzierl

All­er­gi­sches Asthma wird zumeist im Schul­al­ter mani­fest – mit ers­ten Sym­pto­men oft schon im Vor­schul­al­ter. In die­sen Fäl­len sei eine Dia­gnos­tik aller­dings schwie­rig, da Lun­gen­funk­ti­ons­tests noch kaum mög­lich sind und die Beschwer­den wie – vor allem nächt­li­ches – Hus­ten oft nicht rich­tig gedeu­tet wer­den, berich­tet Priv. Doz. Fritz Horak vom All­er­gie­am­bu­la­to­rium Wien West. Im Laufe des Lebens kann es dann auch zu Ver­än­de­run­gen des Phä­no­typs kom­men. Univ. Prof. Judith Löff­ler-Ragg von der Pneu­mo­lo­gi­schen Ambu­lanz der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin VI in Inns­bruck ergänzt: „Es kommt durch­aus vor, dass bei Jugend­li­chen, die leich­tes all­er­gi­sches Asthma haben, in spä­te­ren Jah­ren ein schwe­res all­er­gisch-eosi­no­phi­les Asthma mani­fes­tiert.“ In einem genauen Ana­mne­se­ge­spräch müs­sen des­halb mög­li­che Trig­ger von Asthma-Epi­so­den ein­ge­grenzt wer­den: Neben der all­er­go­lo­gi­schen Abklä­rung – je nach ver­mu­te­tem All­er­gen wird ein Prick-Test durch­ge­führt – gehört auch eine sero­lo­gi­sche Tes­tung zum Nach­weis von spe­zi­fi­schem IgE im Serum zur Basisdiagnostik.

Mit­hilfe der Kom­po­nen­ten­dia­gnos­tik erlangt man laut Horak zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen, um spe­zi­fi­sche Fra­ge­stel­lun­gen abzu­klä­ren wie zum Bei­spiel das Vor­lie­gen von Nah­rungs­mit­tel- oder Kreuz­all­er­gien sowie zur Pla­nung von spe­zi­fi­schen Immun­the­ra­pien (SIT). Bei Pati­en­ten mit einer pri­mä­ren Nah­rungs­mit­tel­all­er­gie gegen Erd­nüsse sind bei­spiels­weise die IgE-Anti­kör­per gegen die Spei­cher­pro­te­ine Ara h1 und 2 im Serum erhöht, wäh­rend bei typi­schen (eher mil­den) Baum­pol­len­as­so­zi­ier­ten Reak­tio­nen die Birken-(Bet v1) ähn­li­chen Mole­küle Ara h8 erhöht sind. Da sich die Blü­te­zei­ten von Rag­weed und Bei­fuß in unse­ren Brei­ten teil­weise über­schnei­den und die Stan­dard-Extrakte die­ser bei­den Pol­len teil­weise kreuz­re­agie­ren, bie­tet auch hier die Bestim­mung der rekom­bi­nan­ten IgE-Anti­kör­per Art v1 (Haupt­all­er­gen Bei­fuß) und Amb a1 (Haupt­all­er­gen Rag­weed) eine bes­sere Mög­lich­keit zur Unter­schei­dung. Die Selek­tion ist rich­tungs­wei­send für eine Behand­lung in Form der spe­zi­fi­schen Immun­the­ra­pie (SIT), die bei all­er­gi­schem Asthma ein wich­ti­ger Bau­stein der The­ra­pie sein kann – vor allem, wenn eine beglei­tende Rhi­no­kon­junk­ti­vi­tis besteht.

90 Pro­zent aller asth­ma­ti­schen Erkran­kun­gen sind auf All­er­gien wie zum Bei­spiel gegen Grä­ser, Tier­haare oder andere Umwelt­fak­to­ren zurück­zu­füh­ren. Die genauen Mecha­nis­men der Patho­ge­nese sind noch unklar – spe­zi­ell beim schwe­ren all­er­gi­schen Asthma, das „nicht allein durch die All­er­gie defi­niert wer­den kann“, sagt Löff­ler-Ragg. Aller­dings wei­sen Pati­en­ten mit schwe­rem all­er­gi­schem Asthma ten­den­ti­ell häu­fi­ger eine Schim­mel­pil­zo­der eine Poly-Sen­si­bi­li­sie­rung wie bei­spiels­weise gegen Grä­ser, Tier­haare und Haus­staub­milbe auf.

Zwar spie­len ganz gene­rell auch Luft­schad­stoffe wie Fein­staub, Ozon oder Stick­oxide eine Rolle, jedoch dürf­ten auch „die Pas­siv­rauch­be­las­tung sowie früh­kind­li­che Infek­tio­nen der Atem­wege zur Ent­ste­hung von all­er­gi­schem Asthma bron­chiale bei­tra­gen“, führt Horak aus. Auch gibt es Hin­weise dar­auf, dass das Immun­sys­tem durch die zuneh­mend Keim-arme Umge­bung in sei­ner Ent­wick­lung nach­hal­tig beein­träch­tigt ist und sich des­halb gegen an sich harm­lose All­er­gene rich­tet (Bak­te­rien-Diver­si­täts-Hypo­these). Im Zuge von gene­ti­schen Unter­su­chun­gen habe man „auf­fäl­lige Clus­ter“ (Horak) im Bereich von ver­schie­de­nen Gen-Loci ent­deckt, die für Ato­pie, bron­chiale Hyper­sen­si­bi­li­tät oder inflamm­a­to­ri­sche Media­to­ren kodie­ren; ein ein­zel­nes Asthma-Gen ist nicht bekannt.

Die Behand­lung von Asthma bron­chiale bezeich­net Horak als „Erfolgs­ge­schichte“. So konnte vor allem durch die Ein­füh­rung der inha­la­ti­ven Kor­ti­kos­te­ro­ide in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren ein deut­li­cher Rück­gang der Mor­bi­di­tät und Mor­ta­li­tät bei Asthma-Pati­en­ten ver­zeich­net wer­den. Zusätz­lich wird auch der Pati­en­ten­schu­lung (Stich­wort „Selbst­ma­nage­ment“) ein gro­ßer Stel­len­wert ein­ge­räumt, wodurch die Erkran­kung bei den meis­ten Pati­en­ten mit einer Stan­dard­the­ra­pie heute gut kon­trol­lier­bar ist, beto­nen die Experten.

„Erfreu­li­cher­weise haben Pati­en­ten dadurch kaum mehr inten­siv­pflich­tige schwere Asth­ma­an­fälle. Den­noch benö­ti­gen etwa fünf Pro­zent der Pati­en­ten trotz eines opti­ma­len Manage­ments eine beson­ders inten­sive The­ra­pie“, so Löff­ler-Ragg. Schwe­res Asthma betrifft Pati­en­ten jeder Alters­gruppe und kann auch erst ab dem 50. Lebens­jahr auf­tre­ten. „Man sollte immer die The­ra­pie­stufe des Pati­en­ten im Auge behal­ten und sich fra­gen, wie gut der Betrof­fene kli­nisch kon­trol­liert ist“, unter­streicht Löffler-Ragg.

Dif­fe­ren­zie­rung wesentlich

Bei der Dia­gnos­tik ist es wesent­lich, zwi­schen einem schwie­rig zu behan­deln­den oder einem tat­säch­lich schwe­ren, The­ra­pie-resis­ten­ten Asthma zu dif­fe­ren­zie­ren. Bei kli­nisch schlecht kon­trol­lier­tem Asthma ist daran zu den­ken, dass der Fak­tor „Pati­ent“ (Löff­ler-Ragg) eine ent­schei­dende Rolle spielt: Man­gelnde The­ra­pie­ad­hä­renz, fal­sche Anwen­dung der Inha­la­to­ren oder feh­lende prä­ven­tive Maß­nah­men wie anhal­ten­der Kon­takt mit Trig­gern (Haus­tier, Rau­chen) tra­gen zu einem man­gel­haf­ten The­ra­pie­er­folg bei. „Auch kön­nen völ­lig andere Krank­heits­bil­der Asthma-ähn­li­che Sym­ptome her­vor­ru­fen“, betont die Exper­tin. Dazu zäh­len bei­spiels­weise Kom­or­bi­di­tä­ten wie eine Herz­in­suf­fi­zi­enz („Asthma car­diale“), ein Reflux oder eine Vocal Cord Dys­func­tion (VCD; Funk­ti­ons­stö­rung der Stimm­bän­der, die eben­falls anfalls­ar­tig zu Atem­not füh­ren kann), die vor­her unbe­dingt aus­zu­schlie­ßen sind. Sind andere sel­tene Lun­gen­er­kran­kun­gen wie zum Bei­spiel Alpha-1-Anti­tryp­sin-Man­gel, Bron­chio­li­tis oder pul­mo­n­ale Vas­ku­li­tis aus­ge­schlos­sen wor­den, liegt die Dia­gnose „schwe­res, the­ra­pie­re­sis­ten­tes Asthma nahe, falls der Pati­ent trotz The­ra­pie-Stufe 4 oder 5 nach GINA noch Sym­ptome hat“, erläu­tert Löffler-Ragg.

Die Option für eine spe­zi­fi­sche Anti­kör­per­the­ra­pie sollte beson­ders bei Pati­en­ten mit häu­fi­gen Exazer­ba­tio­nen geprüft wer­den, die hohe Dosen an inha­la­ti­vem Kor­ti­son oder ein ora­les Kor­ti­kos­te­roid über einen län­ge­ren Zeit­raum als sechs Monate benö­ti­gen, um so die Neben­wir­kun­gen von Kor­ti­son mög­lichst gering zu hal­ten. Seit 2005 steht für schwe­res all­er­gi­sches Asthma das Bio­lo­gi­kum Oma­li­zu­mab zur Ver­fü­gung, des­sen Ziel­struk­tur IgE ist. „Mitt­ler­weile ist diese The­ra­pie bereits zur Rou­tine bei nie­der­ge­las­se­nen Lun­gen­fach­ärz­ten gewor­den“, wie Löff­ler-Ragg erklärt. Die Pati­en­ten müs­sen dafür gut phä­no­ty­pi­siert sein, da für eine Indi­ka­tion auch der Nach­weis eines kli­nisch mani­fes­ten, ganz­jäh­ri­gen Anti­gens wie Haus­staub­milbe oder Schim­mel erbracht wer­den muss. Nach 16 Wochen ist eine Re-Eva­lu­ie­rung die­ser „kos­ten­in­ten­si­ven The­ra­pie“ (Löff­ler-Ragg) erfor­der­lich. Auch müss­ten Off-Label-Indi­ka­tio­nen, die sich durch anti­vi­rale und immun­mo­du­la­to­ri­sche Wir­kun­gen von Oma­li­zu­mab erge­ben, im Zen­trum geprüft werden.

Je nach IgE und Kör­per­ge­wicht des Pati­en­ten wer­den bei der spe­zi­fi­schen Anti­kör­per­the­ra­pie die Injek­tio­nen alle zwei bezie­hungs­weise alle vier Wochen ver­ab­reicht. Obwohl die The­ra­pie mit einem gewis­sen Zeit­auf­wand ver­bun­den ist, sei die Com­pli­ance der Betrof­fe­nen ins­ge­samt gut, berich­tet Löff­ler-Ragg; es gebe nur wenige The­ra­pie-Abbre­cher. Die The­ra­pie selbst ist laut Exper­tin neben­wir­kungs­arm. Im Vor­der­grund ste­hen Lokal­re­ak­tio­nen; in ganz sel­te­nen Fäl­len kommt es zur ana­phy­lak­ti­schen Reak­tion (in etwa 1:2.000). Bei rich­ti­ger Selek­tion gibt es nahezu 80 Pro­zent „Respon­der“, bei denen es gelingt, das orale Kor­ti­kos­te­roid in einem Aus­maß von mehr als 50 Pro­zent zu redu­zie­ren. Ebenso wird die Exazer­ba­ti­ons­häu­fig­keit deut­lich ver­rin­gert und eine ent­schei­dende Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät erreicht. „Hus­ten, gie­men, häu­fige Brust­enge und Belas­tungs­luft­not sind deut­lich redu­ziert und viele Pati­en­ten benö­ti­gen nur noch die inha­la­tive Basis­the­ra­pie“, weiß Löffler-Ragg.

Spe­zi­fi­sche Immun­the­ra­pie (SIT)

Die spe­zi­fi­sche Immun­the­ra­pie oder Hypo­sen­si­bi­li­sie­rung setzt als ein­zige The­ra­pie­form direkt bei der All­er­gie als Ursa­che der Asthma-Erkran­kung an. Es han­delt sich um eine Imp­fung, die als Injek­tion (sub­ku­tan) oder in Trop­fen- oder Tablet­ten­form (sub­lin­gual) erfol­gen kann. Dabei kommt es dar­auf an, dass das ver­meint­li­che All­er­gen auch der ent­schei­dende Trig­ger des Asth­mas ist. All­er­gene, die für eine Hypo­sen­si­bi­li­sie­rung in Frage kom­men, sind neben Insek­ten­gif­ten Haus­staub­mil­ben und Pol­len (Grä­ser, Birke, Esche, Bei­fuß, Rag­weed). Für Tier­epi­the­lien und Schim­mel­pilz­spo­ren gibt es nur sehr wenig Erfah­rung und kaum Studien.

Die grö­ßere Evi­denz­lage liegt für die sub­ku­tane Immun­the­ra­pie (SCIT) vor. „Je nach Prä­pa­rat gibt es hier unter­schied­li­che Impf­sche­mata“, betont Priv. Doz. Fritz Horak vom All­er­gie­am­bu­la­to­rium Wien West. Nor­ma­ler­weise wird über zumin­dest fünf bis sie­ben Wochen ein­mal wöchent­lich auf­do­siert; monat­li­che Injek­tio­nen fol­gen. Diese kön­nen ent­we­der prä­sai­so­nal (bis zum Beginn des Pol­len­flu­ges) oder ganz­jäh­rig (Bei­spiel: Haus­staub­mil­ben) über zumin­dest drei Jahre erfol­gen. Horak zu den Erfol­gen: „Bereits in der ers­ten Sai­son kann dadurch bei einem Groß­teil der Pati­en­ten mit einer Pol­len­all­er­gie eine Ver­bes­se­rung der Beschwer­den erzielt wer­den.“ Bei einer Mil­ben­all­er­gie ist die Erfolgs­rate etwas nied­ri­ger. Die Wir­kung hält zwar indi­vi­du­ell unter­schied­lich lang an, beim Groß­teil der Pati­en­ten jedoch über viele Jahre. Horak ergänzt: „Erste erfolg­rei­che Unter­su­chun­gen an Asthma-Pati­en­ten recht­fer­ti­gen übri­gens auch den Ein­satz der noch rela­tiv neuen Grä­ser- und Mil­ben­ta­blet­ten bei aus­ge­wähl­ten Patienten.“

Wich­tig ist eine gute Asthma-Kon­trolle zum Zeit­punkt der Imp­fung, da es andern­falls als Neben­wir­kung der The­ra­pie zu Exazer­ba­tio­nen kom­men kann. Viele Pati­en­ten neh­men vor der Behand­lung pro­phy­lak­tisch einen Hub aus ihrem Not­fall Spray, um einer sol­chen Reak­tion vor­zu­beu­gen. Die Indi­ka­tion für eine spe­zi­fi­sche Immun­the­ra­pie sollte von einem erfah­re­nen All­er­gie­spe­zia­lis­ten gestellt wer­den, betont der Experte, der sie ins­ge­samt als „sehr gut ver­träg­lich“ bezeichnet.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2017