Alex­an­dra Meix­ner: Gynä­ko­lo­gin als Tri­ath­le­tin beim Race Across America

10.05.2017 | Horizonte

Tri­ath­le­tin beim Race Across America

Alex­an­dra Meix­ner ist als Gynä­ko­lo­gin, Sexu­al­the­ra­peu­tin in Aus­bil­dung und Kaba­ret­tis­tin Fach­frau für gren­zen­lose Lust – und als Extrem­sport­le­rin Exper­tin für die Lust an der Grenz­über­schrei­tung. Von Ursula Jungmeier-Scholz

Als Kind benö­tigte die Wald­viert­le­rin Alex­an­dra Meix­ner Wur­zeln, um dann als Erwach­sene ihre Flü­gel ent­fal­ten zu kön­nen: Der Wunsch, im Wald­vier­tel blei­ben zu kön­nen, bestimmte ihre Berufs­wahl, die zunächst zwi­schen Mecha­ni­ke­rin und Fern­fah­re­rin oszil­lierte. Als jüngste von sechs Schwes­tern wollte sie in ihrer puber­tä­ren Sturm- und Drang-Phase dem Vater den Sohn erset­zen. „Dazu hat Motor­rad-Fah­ren gehört, aber auch, das Öl selbst zu wech­seln.“ Nach Absol­vie­rung der Schul­pflicht zog es sie gleich zu den Moto­ren, doch da legte ihr Vater ein Veto ein: Erst nach der Matura dürfe sie über ihre beruf­li­che Zukunft ent­schei­den. An der nächs­ten Weg­ga­be­lung stand sie vor der Wahl zwi­schen Rus­sisch-Dol­met­sche­rin und Ärz­tin. Weil sie ihre Wur­zeln nicht kap­pen wollte – als Rus­sisch-Dol­met­sche­rin lässt es sich schwer vom Wald­vier­tel aus arbei­ten – stu­dierte sie Medi­zin. Dass sie nicht wie ursprüng­lich ange­strebt Päd­ia­trie als Fach gewählt hat, resul­tiert aus der Kon­sul­ta­tion einer Frau­en­ärz­tin. So fein­füh­lende Gesprä­che und eine so rück­sichts­volle ärzt­li­che Behand­lung ihrer intims­ten Zone wollte sie ande­ren Frauen auch ermöglichen.

So wich­tig ihr als Kind die Wur­zeln waren, so selbst­ver­ständ­lich brei­tet sie heute ihre Flü­gel aus. Ihre Home­base ist das Wald­vier­tel, wo sie in Brei­ten­berg wohnt und in Schrems ihre frau­en­ärzt­li­che Pra­xis betreibt. Aber min­des­tens ein­mal im Jahr reist sie zu einem sport­li­chen Event: So stellte sie im ver­gan­ge­nen Herbst in der Schweiz einen Welt­re­kord auf, indem sie an 20 auf­ein­an­der­fol­gen­den Tagen 20 Iron­men absol­vierte. Bei die­sem soge­nann­ten Dou­ble-Deca bedeu­tet das: jeden Tag 3,8 Kilo­me­ter Schwim­men, 180 Kilo­me­ter Rad­fah­ren und einen Mara­thon lau­fen. Ohne Ruhe­tag. Schon mit dem zwölf­ten Iron­man hatte sie den Welt­re­kord geknackt, wei­ter­ge­macht hat sie trotz­dem, schließ­lich hatte sie sich den Dou­ble-Deca vor­ge­nom­men. Schon im Jahr 2015 war sie das Race Around Aus­tria – im Uhr­zei­ger­sinn die öster­rei­chi­sche Grenze ent­lang – gera­delt. Ohne bewuss­ten Vor­satz hatte sie sich damit für das Race Across Ame­rica qua­li­fi­ziert; das große Ziel für 2017.

Wie aber passt extre­mes sport­li­ches Trai­ning zu einer flo­rie­ren­den Fach­arz­tor­di­na­tion? Meix­ners Tag beginnt meist schon um 4.15h. Da radelt sie von Brei­ten­berg auf Neben­stra­ßen mehr als 40 Kilo­me­ter nach Gmünd und läuft von dort nach Schrems, wei­tere acht Kilo­me­ter. Am Abend folgt das Trai­nings­pro­gramm dann in umge­kehr­ter Rei­hen­folge – nach der letz­ten Pati­en­tin. „Das Trai­ning muss in den All­tag inte­grier­bar sein. Extra freie Tage gibt es nicht dafür.“

Lau­fen gegen Lie­bes­kum­mer

Dabei war Meix­ner in ihrer Jugend abso­lut keine Sports­ka­none. Damals – wie heute – erfüllte Bewe­gung oft die Funk­tion der All­tags­mo­bi­li­tät mit Zusatz­nut­zen: „Damit ich am Nach­mit­tag nicht zwei, drei Stun­den auf den Schul­bus war­ten musste, bin ich lie­ber mit dem Rad gefah­ren.“ Und das täg­li­che (!) Spa­zie­ren­ge­hen mit den Eltern rund um Weitra – immer auf dem glei­chen Weg – gehörte eben­falls zu den Fix­punk­ten und diente nicht nur der kör­per­li­chen Ertüch­ti­gung, son­dern vor allem dem fami­liä­ren Zusammenhalt.

Erst mit 30 Jah­ren kam Meix­ner zum Lau­fen, um sich nach einer geschei­ter­ten Lie­bes­be­zie­hung auf andere Gedan­ken zu brin­gen. Dabei ent­deckte sie nach und nach ihre unglaub­li­che Aus­dauer im Sport. „Eigent­lich haben mir immer die ande­ren mehr zuge­traut als ich mir selbst.“ So war es ihr Schwa­ger, der sie beim gemein­sa­men Lau­fen ein­mal absicht­lich in die Irre geführt hat, um ihr danach zu ver­kün­den, dass sie mit die­ser Leis­tungs­fä­hig­keit sogar einen Mara­thon lau­fen könne… Was sie im Jahr 2006 dann auch getan hat.

In die­ser Zeit musste sie beruf­lich die Wei­chen neu stel­len – die Fach­arzt­aus­bil­dung hatte sie in der Tasche, aber das Geld für die ange­strebte Ordi­na­tion noch nicht. Inzwi­schen war auch die Wel­ten­bumm­le­rin in ihr erwacht, sie war allein durch Aus­tra­lien und Neu­see­land getrampt und mit einer Freun­din durch die USA. Als Ärz­tin bei den UNO-Trup­pen am Golan gelang es ihr schließ­lich, gleich­zei­tig das Fern­weh und den finan­zi­el­len Eng­pass zu über­win­den. In Syrien lernte sie in der Sani­täts­staf­fel ihren heu­ti­gen Ehe­mann Wal­ter Weg­schai­der ken­nen und lie­ben. Mitt­ler­weile ist er fixes Mit­glied ihres sport­li­chen Betreu­er­teams – „mein exter­nes Selbst­be­wusst­sein“ –, und selbst Ultra-Triathlet.

Kaum zu bewältigen

Mit dem am Golan ange­spar­ten Geld eröff­nete Meix­ner im Jahr 2006 ihre Ordi­na­tion in Schrems, die sie seit­her auf Trab hält. „Ich habe das Glück und Pech, die ein­zige Frau­en­ärz­tin im Bezirk Gmünd zu sein – und der Kun­den­stock ist mitt­ler­weile kaum mehr zu bewäl­ti­gen.“ 50 bis 60 Wochen­stun­den ver­bringt sie in der Ordi­na­tion, auch wenn sie seit 2010 keine neuen Pati­en­tin­nen auf­ge­nom­men hat. Dane­ben hat sie die Aus­bil­dung zur Sexu­al­the­ra­peu­tin und Sport­me­di­zi­ne­rin begon­nen und eine Trai­ner-Grund­aus­bil­dung absol­viert. Aber auch ihr Tag hat nur 24 Stun­den, und so denkt sie sogar manch­mal daran, die Ordi­na­tion zu schlie­ßen und sich mehr auf Sport­me­di­zin zu kon­zen­trie­ren. „Aber irgend­et­was hält mich noch an der Gynä­ko­lo­gie…“ Ein Sei­ten­aspekt ihrer frau­en­ärzt­li­chen Tätig­keit ist jene als Kaba­ret­tis­tin. Was mit einem rein medi­zi­ni­schen Vor­trag über die Lust am Frau-Sein begon­nen hat, wurde zum erfolg­rei­chen Kaba­rett­pro­gramm „Sex­my­then“, aus dem letzt­lich das Buch „Ätsch. Ers­ter!“ resul­tierte. „Über Sexua­li­tät kann man nicht vom hohen Ross aus dozie­ren – da braucht es einen humor­vol­len Zugang“, so Meix­ners Über­zeu­gung. Sollte sie jemals ein wei­te­res Buch schrei­ben, möchte sie sich den The­men Gesund­heit und Sport wid­men und die anti­de­pres­sive Wir­kung des Aus­dau­er­sports schmack­haft machen. „Ich war ja selbst ein­mal ein Couch-Pota­toe und musste erst zum Sport fin­den“, betont die Ath­le­tin, die „Scho­ko­lade“ als eines ihrer Hob­bies bezeichnet.

Hart­nä­cki­ges Glückskind

Vie­les in ihrem Leben ist Alex­an­dra Meix­ner zuge­fal­len, so emp­fin­det sie es zumin­dest selbst, obwohl sie so kon­se­quent für ihre Erfolge trai­niert. „Ich bin ein Glücks­kind. Selbst als ich Schreck­li­ches erlebt habe, ist es mir gelun­gen, dar­aus Kraft zu schöp­fen.“ Im Sport setzt sie sich aus­schließ­lich Ziele, deren Errei­chen unge­wiss ist; nur die Her­aus­for­de­rung reizt sie. „Ich absol­viere auch kei­nen Bewerb zwei­mal – ich trete ungern in Kon­kur­renz zu mir selbst.“ Beruf­lich hat sie sich vor­ge­nom­men, „ewig zu arbei­ten“. Damit ist nicht freud­lose Pla­cke­rei bis zum Umfal­len gemeint, son­dern selbst­be­stimm­tes Ent­de­cken stets neuer Aufgabengebiete.

Nach den High­lights ihres bis­he­ri­gen Lebens gefragt, nennt sie aller­dings weder beruf­li­che noch sport­li­che Höhe­punkte: „Es sind die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen, die ich erle­ben darf. Und die ermög­li­chen dann alles andere…“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2017