Stand­punkt – Präs. Artur Wech­sel­ber­ger: Zukunft gestalten

15.12.2016 | Standpunkt

© Dietmar Mathis

Wer die Zukunft gestal­ten will, muss die Gegen­wart ver­än­dern und wer nicht selbst gestal­tet, für den wer­den andere gestal­ten. Zwei Lebens­weis­hei­ten, die auch für das Arzt­bild der Zukunft gelten.

Was ist das Wesen des Arzt­be­ru­fes, das Allein­stel­lungs­merk­mal unse­rer Pro­fes­sion und unse­res Ange­bo­tes an das Indi­vi­duum und an die Gesell­schaft? Was kann und will die nach­rü­ckende Ärz­te­ge­ne­ra­tion leis­ten, wel­ches Arbeits­um­feld braucht und erwar­tet sie dazu? Legi­time und wich­tige Fra­gen. Höchst an der Zeit, sie zu stel­len und auch zu beant­wor­ten. Schließ­lich wer­den mehr als 50 Pro­zent der Berufs­an­ge­hö­ri­gen in den nächs­ten zehn Jah­ren das Berufs­feld räu­men, wird der Gene­ra­ti­ons­sprung eine Ände­rung der Geschlech­ter­ver­tei­lung in der Ärz­te­schaft brin­gen. Zudem unter­schei­den sich die Lebens­ent­würfe der nach­rü­cken­den Gene­ra­tion wesent­lich von denen der Baby-Boo­mer. Gleich­zei­tig wird der Bedarf an Gesund­heits­leis­tun­gen wei­ter steigen.

Um Zukunft gestal­ten zu kön­nen, gehö­ren zu Selbst- und Bedarfs­ana­lyse auch der kri­ti­sche Blick auf das poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Umfeld. Kor­re­liert die­ses mit den Bedürf­nis­sen und dem Ange­bot der Ärz­te­schaft? Ist deren qua­li­täts­vol­les Ange­bot wei­ter­hin gewünscht oder soll die inter­na­tio­nale Spit­zen­po­si­tion unse­res Gesund­heits­sys­tems zur Mit­tel­mä­ßig­keit zurück gespart wer­den? Soll die Frei­be­ruf­lich­keit der Ärz­te­schaft zukünf­tig dem Dik­tat einer Gesund­heits­bü­ro­kra­tie Platz machen? Auch um den Preis einer wach­sen­den Kluft zwi­schen sozia­ler Kran­ken­ver­sor­gung und freiem Markt? Um den Preis, dass das Sach­leis­tungs­sys­tem zen­tra­li­siert und ver­mehrt in Kran­ken­an­stal­ten ange­bo­ten wird? Schein­bar lie­fern der Poli­tik neben den erwar­te­ten Ein­spa­run­gen auch der zuneh­mende Wunsch der Ärz­te­schaft nach Arbeit im Team und Sicher­heit im Dienst­ver­hält­nis Argu­mente. Dabei wären Dienst­ver­hält­nisse und Team­ar­beit natür­lich auch in Ein­zel­pra­xen und Grup­pen­pra­xen mög­lich, wenn man poli­tisch nur wollte. Dass das nicht gewollt ist, zeigt das Fest­hal­ten am Anstel­lungs­ver­bot, wie es im Grup­pen­pra­xen-Gesetz fest­ge­schrie­ben ist. Wesent­lich für einen freien Beruf ist die Ent­schei­dungs­frei­heit, wie und wel­che Leis­tun­gen zu erbrin­gen sind. Ebenso wesent­lich für ein die Pati­en­ten­rechte ach­ten­des Gesund­heits­we­sen ist die Wahl­frei­heit für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Zen­tra­li­sie­rung, Ver­knap­pung des Ange­bo­tes und staat­li­che Uni­for­mie­rung der Leis­tungs­er­brin­gung kon­ter­ka­rie­ren die poli­ti­schen Sonn­tags­re­den von der Pati­en­ten­au­to­no­mie in der Wahl von Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen oder zwi­schen ver­schie­de­nen Behandlungsoptionen.

Der freie Beruf, das Allein­stel­lungs­merk­mal des Arzt­be­rufs schlecht­hin, for­dert viel von sei­nen Berufs­an­ge­hö­ri­gen. Eine anspruchs­volle aka­de­mi­sche Aus­bil­dung, der enga­gierte post­pro­mo­tio­nelle Pra­xis­er­werb und das lebens­lange Ler­nen, um am Stand der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft agie­ren zu kön­nen, bil­den die Grund­lage des Ver­trau­ens der Pati­en­ten. Des­halb ist diese Aus­bil­dung zu Recht mit Selbst­be­wusst­sein ein­zu­for­dern, ebenso ein adäqua­tes Berufs­um­feld, um die erwor­be­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen auch leben zu kön­nen. Zur Ver­trau­ens­stel­lung gehört auch der Schutz des Berufs­ge­heim­nis­ses und die Ver­ant­wor­tung für das ein­zelne Indi­vi­duum wie auch eine aus­rei­chende ärzt­li­che Hand­lungs­au­to­no­mie zur Abwehr von Fremdinteressen.

Aus­ge­rüs­tet mit die­sen Grund­la­gen für den Arzt­be­ruf müs­sen die Rah­men­be­din­gun­gen defi­niert wer­den, unter denen es den jun­gen Ärz­tin­nen und Ärz­ten mög­lich wird, das erwor­bene Wis­sen und Kön­nen im Ein­klang mit ihren zeit­ge­mä­ßen Lebens­ent­wür­fen best­mög­lich umzu­set­zen. Hier gilt es, mutig neue Modelle zu ent­wi­ckeln und Über­hol­tes über Bord zu wer­fen. Auch auf die Gefahr hin, bei man­chem, der jahr­zehn­te­lang sein Berufs­mo­dell erfolg­reich gelebt hat, Unver­ständ­nis zu erwe­cken. Letzt­lich müs­sen das Neue und Not­wen­dige aber gemein­sam und vehe­ment gegen­über der Poli­tik ver­tre­ten wer­den, um Ent­schei­dun­gen zu ver­hin­dern, die noch mehr büro­kra­ti­sche Kon­trolle und staat­li­chen Ein­fluss bedeuten.

Mit der Ver­an­stal­tung „Wir sind die Zukunft“ hat die Kurie ange­stellte Ärzte heuer wie­der einen wich­ti­gen Impuls gesetzt. Ganz unter der Prä­misse, dass Zukunft von denen gestal­tet wer­den muss, die sie dann auch zu leben haben.

Artur Wech­sel­ber­ger
Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2016