Kostenrückerstattung beim Wahlarzt: Zwei-Klassen-Medizin

15.07.2016 | Politik



Während der Zustrom zu Wahlärzten kontinuierlich zunimmt, speist die steirische GKK ihre Versicherten mit einem Kostenrückersatz ab, der weit von den im ASVG festgelegten 80 Prozent entfernt ist. Nun kämpfen die steirische Ärztekammer und Arbeiterkammer gemeinsam für eine angemessene Refundierung.

Von Ursula Jungmeier-Scholz

„GePad – Gerechtigkeit für Patienten durchsetzen“, so heißt die gemeinsame Initiative der steirischen Ärztekammer und der ÖAAB-FCG-Fraktion in der Arbeiterkammer für einen angemessenen Kostenrückersatz bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes. Zwar ist dieser Rückersatz im ASVG mit 80 Prozent festgelegt; was steirische Patienten in der Praxis refundiert bekommen, nachdem sie die Rechnung eines Wahlarztes eingereicht haben, ist davon jedoch weit entfernt. Versicherte kleiner Kassen wie der SVB oder der SVA können mit wesentlich höheren Rückzahlungen rechnen; die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau erstattet sogar 86 Prozent des Kassentarifs zurück.

Rückerstattung uneinheitlich

Doch auch die GKK geht österreichweit nicht einheitlich vor: Ist doch die tatsächliche Höhe des Rückersatzes in den Satzungen der jeweiligen Landes-GKK geregelt. Während die Versicherten der steirischen GKK nur einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Auslagen bezahlt bekommen, erhalten Versicherte der Wiener GKK die vollen 80 Prozent des Kassentarifs zurück. „Wir wollen gleiche Rechte für alle und damit Gerechtigkeit. Das ist nämlich die Zwei-Klassen-Medizin, von der die Krankenkassen behaupten, dass es sie nicht geben darf“, kritisiert der Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark und Mit-Initiator von GePad, Martin Georg Millauer.

Dass die Initiative für mehr Patientengerechtigkeit einen Namen trägt, der mit dem schnellsten aller Landtiere assoziiert wird, soll dem Anliegen wohl auf die Sprünge helfen. Denn die Ungerechtigkeit gibt es schon seit Jahren; jeder Vorstoß, die Situation zu verändern, ist bislang im Sand verlaufen. Im Jahr 2015 hat der sozialpolitische Ausschuss der Arbeiterkammer Steiermark einstimmig – also mit den Stimmen aller Fraktionen – beschlossen, an die GKK Steiermark heranzutreten, um die Beseitigung dieser Ungleichbehandlung zu fordern. „Aber es gibt keine Reaktion der Gebietskrankenkasse“, berichtet AK-Vizepräsident Franz Gosch, der die „erbärmlich schlechten Rückersätze“ anprangert. „Als ich es zuerst gehört habe, wollte ich es ja gar nicht glauben, dass es diese Ungerechtigkeit gibt, dass Versicherte verschiedener Krankenkassen unterschiedliche Rückersätze bekommen.“

Auch die vereinten Kräfte von Ärztekammer und Arbeiterkammer haben bisher nicht ausgereicht, um die Angelegenheit zu bereinigen. „Wenn die GKK schon die Ärztekammer und die Arbeiterkammer ignoriert, sollte sie wenigstens auf ihre Versicherten und die Bevölkerung hören“, forderte Millauer anlässlich des Starts von GePad. Denn nun sind die Betroffenen am Wort. In sämtlichen steirischen Wahlarztpraxen liegen Unterschriftenlisten auf und auch via Internet können all jene ihre Unterstützungserklärung unter www.GePad.at abgeben, die gerade keinen Arzt aufsuchen (müssen). Rund 10.000 Menschen haben bereits unterschrieben.

Die finanziellen Nachteile für die steirischen Patienten belaufen sich in der Tat nicht auf ein paar Cents, für die es sich nicht zu streiten lohnen würde. Vielmehr handelt es sich um den überwiegenden Anteil der Ausgaben, die anfallen, wenn ein Wahlarzt aufgesucht wird. Der derzeitige Abrechnungsmodus sieht folgendermaßen aus: Für das ärztliche Gespräch beispielsweise, die „ausführliche diagnostisch-therapeutische Aussprache“, beträgt der steirische Kassentarif 13,37 Euro. SVA-Versicherte müssen davon 3,49 Euro selbst berappen. Weil die Leistung in der steirischen GKK jedoch limitiert ist, wird steirischen GKK-Versicherten nach dem Besuch eines Allgemeinmediziners für dieses Gespräch nur 1,92 Euro rückerstattet. 11,45 Euro müssen sie also selbst übernehmen.

Wahlärzte leisten Grundversorgung

Längst zählt es nicht mehr zum besonderen Luxus einer kleinen Minderheit von Patienten, einen Wahlarzt aufzusuchen. Ärzte ohne Kassenvertrag leisten mittlerweile einen ganz wesentlichen Beitrag zur Grundversorgung. In der Steiermark üben 641 der mehr als 1.200 Wahlärzte diese Tätigkeit hauptberuflich aus.

Ihnen gegenüber stehen 983 §2-KassenärztInnen. Während im Jahr 2000 auf einen Kassenarzt noch 585 GKK-Versicherte kamen, stieg diese Zahl inzwischen auf rund 720 an. „Immer mehr Patienten weichen auf Wahlärzte aus, weil sie die Wartezeiten satt haben“, so der steirische Ärztekammer-Präsident Herwig Lindner. „Wenn die GKK schon Leistungen an die Wahlärzte auslagern möchte, dann soll sie auch die Rückerstattungen, die vorgeschrieben sind, leisten.“ Falls selbst Tausende von Unterschriften für GePad in der GKK kein Umdenken bewirken sollten, stünden auch „weitere Maßnahmen“ im Raum, betonen die Vertreter der steirischen Ärztekammer und Arbeiterkammer.

Die Forderung von GePad im Wortlaut:
Ich fordere alle Krankenversicherungsträger, insbesondere die Steiermärkische Gebietskrankenkasse, auf, allen Wahlarztpatientinnen und -patienten 80 Prozent des Kassentarifs laut Honorarkatalog ohne weitere Abzüge für (fiktive) Degressionen, Limite und dergleichen vollständig rückzuerstatten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2016