Lukas Stärker: Aktuelle GuKG-Novelle – Bedeutung der ärztlichen Anordnung steigt

15.08.2016 | Politik

Bedeutung der ärztlichen Anordnung steigt

Knapp vor der Sommerpause hat der Nationalrat eine Novelle des Gesundheits- und Krankenpflege-Gesetzes (GuKG) beschlossen, deren Kernpunkte eine ausweitende Klarstellung der Tätigkeitsbereiche, die Akademisierung der diplomierten Pflege sowie die Schaffung eines neuen Pflegeberufs zwischen diplomierter Pflege und Pflegehilfe – die sogenannte Pflegefachassistenz – sind.
Von Lukas Stärker*

Positiv fällt auf, dass die bewährte Strukturierung in Tätigkeitsbereiche beibehalten wurde, und die bisherigen, unzutreffenden Bezeichnungen „eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich“ und „mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich“ endlich ersatzlos entfallen sind. In sämtlichen Tätigkeitsbereichen wird eigenverantwortlich agiert und im bisherigen mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich gab es keine Mitverantwortung, sondern lediglich eine geteilte Verantwortlichkeit. Nunmehr ist von „pflegerischen Kernkompetenzen“ und „Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie“ die Rede.

Weiters wurde die demonstrative Aufzählung der Tätigkeiten „bei medizinischer Diagnostik und Therapie“ des § 15 GuGK von derzeit acht auf zukünftig 21 Ziffern erweitert und detailliert (siehe Kasten).

Der Modus der Zusammenarbeit blieb unverändert: Das diplomierte Pflegepersonal darf nur und erst nach schriftlicher ärztlicher Anordnung agieren. Es obliegt somit weiterhin den Ärztinnen und Ärzten, durch klare Anordnungen Tätigkeiten des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonals abzurufen.

Durch die Erweiterung der anordenbaren Tätigkeiten steigt auch die Bedeutung der ärztlichen Anordnung. Diese hat klarzulegen, was wann wem und wie zu verabreichen/zu tun ist. Nicht nachhaltig sind daher unspezifische Anordnungen, wie etwa „Physiotherapie“ gegenüber MTDs. Auch um weiteren Expansionsabsichten der Pflege keinen Rückenwind zu bieten, sollte die ärztliche Anordnung so exakt wie möglich sein.

Weiter-VO bestimmter Medizinprodukte

Neu ist die Möglichkeit der Weiterverordnung bestimmter Medizinprodukte durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege. Diese sind berechtigt, nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung vom Arzt verordnete Medizinprodukte in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Inkontinenzversorgung, Mobilisations- und Gehhilfen, Verbandsmaterialien, prophylaktische Hilfsmittel und Messgeräte sowie im Bereich des Illeo-, Jejuno-, Colon- und Uro-Stomas solange weiter zu verordnen, bis die sich ändernde Patientensituation die Einstellung der Weiterverordnung oder die Rückmeldung an den Arzt erforderlich machen oder der Arzt die Anordnung ändert. Bei Ablehnung oder Einstellung der Weiterverordnung durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege ist dies dem anordnenden Arzt mitzuteilen.

Nicht zulässig ist eine Abänderung von ärztlich verordneten Medizinprodukten durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege.

Pro futuro drei Pflegeberufe

Zusätzlich wird es pro futuro drei statt bisher zwei Pflegeberufe geben: den diplomierten Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege mit dreijähriger, pro futuro akademischer Ausbildung, die bisherige Pflegehilfe mit einjähriger Berufsausbildung heißt ab nun Pflegeassistenz. Pro futuro wird es zwischen diesen beiden Berufen noch die neue Pflegefachassistenz mit zweijähriger Berufsausbildung geben, deren Berufsbild unverständlicherweise unübersichtlich verschachtelt normiert wurde (§ 83a GuKG). Auch Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz dürfen im Rahmen ihrer Mitwirkung bei Diagnostik und Therapie stets nur nach ärztlicher Anordnung tätig werden.

Fazit

Sowohl im Bereich der „Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie“ als auch im Bereich der Weiterverordnung bestimmter Medizinprodukte kommt der exakten ärztlichen Anordnung große Bedeutung zu. Konkret: Je unpräziser die Anordnungen erfolgen, umso mehr werden die Angehörigen der anderen Gesundheitsberufe diese Tätigkeiten pro futuro in ihren anordnungsfreien Tätigkeitsbereich urgieren.

Abzuwarten bleibt, wie sich die Schaffung des neuen Berufs Pflegefachassistenz auswirken wird: ob als sinnvolle Ergänzung – wie von Seiten der Proponenten argumentiert – oder als Möglichkeit der Reduktion von Personalkosten gegenüber dem Einsatz von diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal, wie von manchen Spitalsträgern erhofft. Die Einführung des dritten Pflegeberufs wird die Komplexität des Pflegesystems jedenfalls erhöhen.

Genau das Gegenteil – eine Vereinfachung – wäre hier jedoch geboten, denn über mangelnde Komplexität können sich Ärzte und Angehörige der Pflegeberufe schon jetzt nicht beklagen. Hinzu kommt noch der pro futuro zu erwartende Druck von Dienstgeberseite, noch billigere Sozial- und Behindertenbetreuer einzusetzen.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK



Tätigkeitsbereich bei medizinischer Diagnostik und Therapie iSd § 15 GuGK

Die Kompetenzen des diplomierten GuK-Personals umfassen bei medizinischer Diagnostik und Therapie nach ärztlicher Anordnung insbesondere

  1. Verabreichung von Arzneimitteln, einschließlich Zytostatika und Kontrastmitteln,
  2. Vorbereitung und Verabreichung von Injektionen und Infusionen,
  3. Punktion und Blutentnahme aus den Kapillaren, dem periphervenösen Gefäßsystem, der Arterie Radialis und der Arterie Dorsalis Pedis sowie Blutentnahme aus dem zentralvenösen Gefäßsystem bei liegendem Gefäßzugang,
  4. Legen und Wechsel periphervenöser Verweilkanülen, einschließlich Aufrechterhaltung deren Durchgängigkeit sowie gegebenenfalls Entfernung derselben,
  5. Wechsel der Dialyselösung im Rahmen der Peritonealdialyse,
  6. Verabreichung von Vollblut und/oder Blutbestandteilen, einschließlich der patientennahen Blutgruppenüberprüfung mittels Bedside-Tests,
  7. Setzen von transurethralen Kathetern zur Harnableitung, Instillation und Spülung bei beiden Geschlechtern sowie Restharnbestimmung mittels Einmalkatheter,
  8. Messung der Restharnmenge mittels nichtinvasiver sonographischer Methoden einschließlich der Entscheidung zur und Durchführung der Einmalkatheterisierung,
  9. Vorbereitung, Assistenz und Nachsorge bei endoskopischen Eingriffen,
  10. Assistenztätigkeiten bei der chirurgischen Wundversorgung,
  11. Entfernen von Drainagen, Nähten und Wundverschlussklammern sowie Anlegen und Wechsel von Verbänden und Bandagen,
  12. Legen und Entfernen von transnasalen und transoralen Magensonden,
  13. Durchführung von Klistieren, Darmeinläufen und -spülungen,
  14. Absaugen aus den oberen Atemwegen sowie dem Tracheostoma,
  15. Wechsel von suprapubischen Kathetern und perkutanen gastralen Austauschsystemen,
  16. Anlegen von Miedern, Orthesen und elektrisch betriebenen Bewegungsschienen bei vorgegebener Einstellung des Bewegungsausmaßes,
  17. Bedienung von zu- und ableitenden Systemen,
  18. Durchführung des Monitorings mit medizin-technischen Überwachungsgeräten einschließlich Bedienung derselben,
  19. Durchführung standardisierter diagnostischer Programme,
  20. Durchführung medizinisch-therapeutischer Interventionen (z.B. Anpassung von Insulin-, Schmerz- und Antikoagulantientherapie), insbesondere nach Standard Operating Procedures (SOP),
  21. Anleitung und Unterweisung von Patienten sowie Personen, denen gemäß § 50a oder § 50b ÄrzteG 1998 einzelne ärztliche Tätigkeiten übertragen wurden, nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2016